Sven Stoll
16.03.2023

Sicherheit bei börsengehandelten Indexfonds Totalverlust: Kann mein ETF eigentlich bankrottgehen?

Untergang der New York Stock Exchange
Untergang der New York Stock Exchange: Den perfekten Zeitpunkt für den Einstieg in die Geldanlage gibt es nicht. Aber selbst im Falle der Insolvenz eines ETF-Anbieters kommen Anleger glimpflich davon.
© Imago Images / Paul von Stroheim

Viele Privatanleger argumentieren, dass sie gerne in einen ETF investieren würden, aber Angst vor einem Totalverlust haben. Diese Angst wird immer wieder durch spekulative Firmenpleiten geschürt.

Derzeit erschüttert die Pleite der Silicon Valley Bank die Finanzwelt. Sie vergab Kredite an Start-ups und verwaltete deren Einlagen. Kein schlechtes Geschäft in normalen Zeiten. Doch die rasant steigenden Zinsen veränderten die Bedingungen. Risikokapital floss nicht mehr in gleichem Maße. Vor allem Staatsanleihen mit langen Laufzeiten, die die Bank gehalten hatte, verloren massiv an Wert. Die Mischung aus zu lockerer Regulierung, Profitgier und Zinswende führte schließlich zum Kollaps der Bank.

Das war bekanntermaßen nicht der erste spektakuläre Konkurs einer Firma. Erinnert sei an dieser Stelle noch an die spektakuläre Pleite von Wirecard. Dem Zahlungsabwickler aus Aschheim bei München wurden jahrelang Scheingeschäfte und Bilanzfälschungen vorgeworfen. Es waren vor allem Geschäfte in Asien, die für Misstrauen sorgten. Doch beirren ließen sich der Vorstand um Markus Braun und die Investoren nicht. Im Jahr 2018 schaffte das Unternehmen, das an der Börse zeitweise mit fast 25 Millionen Euro bewertet wurde, sogar den Aufstieg in den Leitindex Dax. Das Kartenhaus brach erst zusammen, als die Wirtschaftsprüfer von KPMG in einer Sonderprüfung Bedenken anmeldeten und Ernst & Young das Testat unter der Bilanz 2019 verweigerte. Anleger, die auf die Einzeltitel setzten, verloren so gut wie ihren gesamten Einsatz.

Das wirft unweigerlich die Frage auf:

Kann eigentlich auch mein ETF bankrottgehen?

Die schlechte Nachricht zuerst: ETFs können keinen vollständigen Schutz vor Verlusten bieten. Das zeigt schon ein Blick auf die Wertentwicklung der jüngeren Vergangenheit mit teils massiven Kursschwankungen bei Aktien-, aber auch Anleihen-ETFs. Wer sich schon länger mit dem Thema beschäftigt, wird sich sicherlich an die herben Verluste beider Anlageklassen im Jahr 2022 erinnern. Aber auch während der Corona-Krise im Jahr 2020 gerieten die Kurse für einen Weile unter Druck.

 

Breit gestreut, selten bereut

Dennoch: Bei jedem ETF ist durch eine ausreichende Diversifikation eine gewisse Sicherheit gegeben. Durch die EU-weit verbindlichen UCITS-Vorschriften wird sichergestellt, dass kein einzelnes Wertpapier mehr als 20 Prozent des Nettoinventarwerts eines ETFs ausmachen darf. Nur unter außergewöhnlichen Marktbedingungen darf dieser Anteil auf 35 Prozent steigen.

Alle Fonds, die der UCITS-Richtlinie entsprechen, garantieren die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der hohen Qualitätsanforderungen der Europäischen Union. In Deutschland wird dies durch den „Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“ (OGAW) gewährleistet. Beide Systeme dienen dem Schutz der Anleger vor ungeeigneten Finanzinstrumenten. Um den ständig wachsenden Anforderungen der Finanzmärkte gerecht zu werden, werden die UCITS-Richtlinien regelmäßig überarbeitet.

Der MSCI World: Mehr als 1.600 Aktien mit einem Klick

Die meisten ETFs bilden einen Index wie beispielsweise den unter Anlegern sehr beliebten MSCI World ab und enthalten somit automatisch alle im Index enthaltenen Wertpapiere. Erfolgt die Replikation physisch, werden in der Tat alle Aktien gekauft. Allerdings erfolgt die Nachbildung nicht immer physisch. Insbesondere bei sehr großen Indizes wie dem MSCI World mit seinen über 1.600 Aktien kommt oft ein Sampling oder die synthetische Nachbildung zum Einsatz.

Ein gleichzeitiger Totalverlust aller im Index enthaltenen Wertpapiere ist jedoch immer unwahrscheinlich. Je breiter der Index gestreut ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines Totalverlustes.

ETFs sind Sondervermögen: Schutz vor Gläubigerforderungen

Außerdem gehören ETFs zu den sogenannten Sondervermögen. Damit ist sichergestellt, dass du keinen Totalverlust erleidest. Sondervermögen ist ein Rechtsbegriff, der sowohl für Investmentfonds als auch für ETFs gilt. Da das Vermögen des ETFs getrennt von dem der Fondsgesellschaft und der Depotbank gehalten wird und nicht für eigene Zwecke verwendet werden darf, ist ein zusätzlicher Anlegerschutz gewährleistet, der dazu beiträgt, dass das Vermögen des ETFs sicher und geschützt bleibt und im Falle einer Insolvenz der Depotbank nicht von Gläubigern eingefordert werden kann. Das Fondsvermögen gehört ausschließlich den Anlegern des Fonds und wird von einem Treuhänder verwaltet.

 

Sollte es zu einer Insolvenz der Depotbank oder des Online-Brokers kommen, hast du die Möglichkeit, deine ETF-Anteile zu verkaufen oder die Herausgabe deiner ETF-Anteile zu verlangen. Du musst also keinen Totalverlust befürchten. Darüber hinaus ist es möglich, ein Depotübertrag zu einem anderen Online-Broker vorzunehmen, um dein Vermögen weiterhin zu schützen.

Kontrahentenrisiko bei Swap-ETFs: Was bedeutet das und wie wird es begrenzt?

Synthetische ETFs werden auch als Swap-ETFs bezeichnet. Sie können ein höheres Risiko als physisch replizierende ETFs aufweisen, da sie den zugrunde liegenden Index nicht exakt nachbilden. Stattdessen schließt der ETF-Anbieter, um die Indexrendite einschließlich Dividenden zu erhalten, einen Swap-Vertrag mit einem Kontrahenten, in der Regel einer Investmentbank, ab.

Das Kontrahentenrisiko besteht darin, dass ein Verlust des investierten Kapitals entstehen kann, wenn der Kontrahent ausfällt oder den Swap-Vertrag nicht erfüllt. In der EU ist das Kontrahentenrisiko durch die OGAW-Richtlinie gesetzlich begrenzt, so dass die Abweichung zwischen dem Indexwert und dem Wert der Sicherheit zu keinem Zeitpunkt mehr als 10 Prozent des Fondsvermögens betragen darf. Wird die Abweichung zu groß, müssen die Kontrahenten ihre Zahlungsverpflichtungen durch Barausgleich und den Abschluss eines neuen Swaps begleichen.

Obwohl das Verlustrisiko bei synthetisch replizierenden ETFs theoretisch auf 10 Prozent begrenzt ist, können starke Markteinbrüche größere Lücken ins Portfolio reißen. Aus diesem Grund gleichen viele ETF-Anbieter zur Minimierung des Risikos ihre Handelsgeschäfte bereits bei deutlich geringeren Abweichungen aus.

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Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ein solches Ereignis äußerst selten ist und ETF-Anbieter in der Regel Maßnahmen ergreifen, um das Kontrahentenrisiko zu minimieren. Insgesamt macht es keinen großen Unterschied, ob der Index synthetisch oder physisch abgebildet wird. Wer dieses Risiko jedoch vermeiden möchte, sollte auf physisch replizierende ETFs zurückgreifen.

Denn: Bei physischen ETFs kannst du sicher sein, dass du auch wirklich in die Aktien investiert, in die du investieren möchtest.

Totalverluste bei ETFs - Das musst du wissen:

  • ETFs sind als Sondervermögen organisiert und werden getrennt von den Vermögenswerten der Fondsgesellschaft und der Depotbank gehalten.
  • Das Fondsvermögen, das von einem Treuhänder verwaltet wird, gehört ausschließlich den Anlegern des ETFs.
  • ETFs können keine Kredite aufnehmen oder Wertpapiere auf Kredit kaufen.
  • ETFs können Kursverluste erleiden, aber ein Totalverlust ist aufgrund der Diversifikation der Wertpapiere im ETF und der Beschränkung von Einzelbeständen auf 20 Prozent des Nettoinventarwerts des Fonds unwahrscheinlich.
  • Im Falle einer Insolvenz der Depotbank oder des Brokers sind ETF-Anleger geschützt und können zur Vermeidung eines Totalverlustes ihre Anteile verkaufen oder deren Rücknahme verlangen.
  • ETFs sind kein risikofreies Investment. Die Struktur und die Regulierung bieten den Anlegern jedoch einen gewissen Schutz vor Verlusten.

Vermeide Verluste mit diesen Grundregeln

Um Verluste bei der Investition in einen ETF zu vermeiden, gibt es einige Grundregeln, die man bereits vor der Investition berücksichtigen sollte. Ein Totalverlust ist zwar unwahrscheinlich, dennoch ist es ratsam, vorsichtig zu agieren.

Zunächst sollte das Vermögen des Fonds ausreichend hoch sein. Experten empfehlen, sich an einer Richtgröße von mindestens 200 Millionen Euro zu orientieren. Ein hohes Fondsvolumen stellt sicher, dass der Fonds wirtschaftlich stabil geführt werden kann und es nicht zu einer Liquidation des Fonds kommt. Auch das Alter des Fonds spielt eine wichtige Rolle. Denn ein Alter von mindestens drei Jahren gibt dir die Sicherheit, dass ein ETF nicht gleich wieder vom Markt verschwindet.

Beachte auch die Volatilität. Je höher die Schwankungen sind, desto mehr werden deine Nerven strapaziert. In fallenden Märkten sind viele Anleger geneigt, ihre Wertpapiere zum möglicherweise falschen Zeitpunkt zu verkaufen. Um eine gewisse Stabilität zu gewährleisten, sollte die Volatilität 20 Prozent nicht überschreiten.

Außerdem ist es ratsam, nur das Geld in ETFs zu investieren, das noch nicht anderweitig verplant ist. Risikostreuung ist eine weitere wichtige Regel bei der Anlage in ETFs. Die Risikostreuung ist umso größer, je mehr Wertpapiere in einem Index enthalten sind. Deshalb solltest du darauf achten, dass der ETF einen möglichst großen Index abdeckt.

 

Drei Quick-Tipps für entspanntes Investieren

Tipp 1: Leg dein Geld über viele Jahre an

Für die Anlage in ETFs sollte man einen möglichst langen Zeitraum wählen, also am besten zehn Jahre oder länger. Schließlich ist die Börse einem ständigen Auf und Ab unterworfen. Natürlich kann niemand in die Zukunft schauen, aber mit einem langen Atem kann man die Verluste im wahrsten Sinne des Wortes aussitzen und ein Vermögen aufbauen.

Tipp 2: Achte auf verschiedene Branchen und Regionen

Um das Verlustrisiko zu minimieren, empfiehlt es sich, breit gestreut zu investieren. Die Regel lautet dabei: Je breiter, desto besser. Entscheide dich deshalb für einen ETF, in dem viele verschiedene Unternehmen, Branchen und Regionen vertreten sind. Konzentriere dich nicht nur auf ETFs aus einem einzigen Land oder auf ein bestimmtes Thema. Denn damit sind höhere Schwankungen verbunden. Solche ETFs eignen sich eher als Beimischung eines breiten und ausgewogenen Portfolios.

Tipp 3: Werde zum Sparplan-Helden

Während du dich bei einer Einmalanlage womöglich ärgerst, kurz vor einem Kursrückgang gekauft zu haben, ist der genaue Einstiegszeitpunkt bei einem Sparplan nicht so wichtig. Hier können die Verluste, die bei einer Einmalanlage möglich sind, nicht voll durchschlagen, da du dein ganzes Geld nicht auf einmal investierst. Ein weiterer Vorteil ist, dass man bei einem Sparplan die tieferen Kurse für günstige Einkäufe nutzen kann. Über den gesamten Zeitraum gerechnet wird so ein günstigerer Durchschnittspreis erzielt (Cost-Average-Effekt).

 

 

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