Finanzexperte Georg von Wallwitz
Weshalb Verluste emotional stärker gewichtet werden als hohe Gewinne
Dr. Georg von Wallwitz ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Eyb & Wallwitz. Foto: Eyb & Wallwitz
Seit Oktober sind die Aktienkurse fast überall (außer in China) phänomenal auf Allzeithochs gestiegen. Investoren sollten nun also ihre Gewinne realisieren – oder doch lieber nicht? Denn bei dieser Entscheidung spielen auch noch andere Effekte eine Rolle, erklärt Georg von Wallwitz.
Es gibt interessante Untersuchungen zu dem Thema, wie gut oder wie schlecht Fondsmanager beim Kaufen und Verkaufen sind. Dabei stellt sich heraus, dass sie recht gut darin sind, die richtigen Aktien für Neuinvestitionen zu finden. Diese Positionen schlagen in der Regel den Markt. Genau umgekehrt verhält es sich bei Verkäufen: In der Regel verkaufen Fondsmanager Aktien, die sich anschließend besser entwickeln als der verbleibende Rest des Portfolios. Was sie mit den guten Kaufentscheidungen verdienen, verspielen sie oft beim Verkauf.
Es lässt sich trefflich über die Gründe spekulieren. Eine große Rolle spielt der Besitztums-Effekt (Endowment-Effekt), der dazu führt, dass die Wertpapiere...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Es gibt interessante Untersuchungen zu dem Thema, wie gut oder wie schlecht Fondsmanager beim Kaufen und Verkaufen sind. Dabei stellt sich heraus, dass sie recht gut darin sind, die richtigen Aktien für Neuinvestitionen zu finden. Diese Positionen schlagen in der Regel den Markt. Genau umgekehrt verhält es sich bei Verkäufen: In der Regel verkaufen Fondsmanager Aktien, die sich anschließend besser entwickeln als der verbleibende Rest des Portfolios. Was sie mit den guten Kaufentscheidungen verdienen, verspielen sie oft beim Verkauf.
Es lässt sich trefflich über die Gründe spekulieren. Eine große Rolle spielt der Besitztums-Effekt (Endowment-Effekt), der dazu führt, dass die Wertpapiere im Portfolio deutlich emotionaler betrachtet werden. Wir denken rationaler über Käufe (von etwas, das wir nicht haben) nach, als über Verkäufe (von etwas, das wir haben).
Verluste realisieren heißt Fehler einzugestehen
Ein häufig zu beobachtendes Phänomen ist in diesem Zusammenhang auch die Verlustaversion, die daher rührt, dass wir Verluste emotional stärker gewichten als ebenso hohe Gewinne. In der Praxis führt dies bei Privatinvestoren (aber sicher auch bei schlechten Fondsmanagern) dazu, dass sie Gewinne mitnehmen, aus Furcht, diese wieder abzugeben.
Umgekehrt suchen sie das Risiko, wenn sie hinten liegen, getrieben von der Hoffnung, dass das Blatt sich wendet und sie den Verlust nicht realisieren müssen. Im einen Fall verkaufen sie ihre Gewinner zu früh, im anderen halten sie an ihren Verlierern lieber fest, als ehrlich zu sein und den Fehler einzugestehen.
Dabei ist es völlig irrelevant, ob man ein Wertpapier oder ein sonstiges wirtschaftliches Gut teurer oder billiger gekauft hat, als es gegenwärtig gehandelt wird. Ich habe schon lange aufgehört, mir Einstandskurse zu notieren, das lenkt nur ab. Einzig die zukünftige wirtschaftliche Perspektive zählt bei der Entscheidung über Kauf oder Verkauf.
Aufmerksamkeit zwischen Kauf und Verkauf ungleich verteilt
Viel deutet darauf hin, dass Portfoliomanager unterschiedlich über Käufe und Verkäufe denken und der jeweiligen Entscheidung unterschiedlich viel Aufmerksamkeit schenken. Oft konzentrieren sie sich darauf, die nächste großartige Idee zu finden (oder sie jedenfalls nicht zu verpassen). Dann sehen sie den Verkauf vor allem als Möglichkeit, Geld für Käufe zu beschaffen, also als nachgeordnetes Problem. Auf Unternehmen, die man schon lange im Bestand hat, verwendet man selten so viel kritische Aufmerksamkeit wie auf mögliche Zukäufe.
So spielt bei Verkäufen auch die Wertentwicklung eine rational nicht zu erklärende Rolle: Papiere, die hohe Gewinne aufweisen, werden deutlich häufiger verkauft (das heißt Gewinne werden mitgenommen), als solche, die sich eher durchschnittlich entwickelt haben.
Besonders gerne bleiben Investoren auf Wertpapieren sitzen, die sie zu einem höheren als dem aktuellen Kurs gekauft haben. Anleger wollen die Verluste nicht realisieren. Bevor sie sich den Fehler eingestehen, legen sie lieber nach und werfen das gute Geld dem schlechten hinterher. Rational erklärbar ist dies nicht, aber diese Erkenntnis wird niemanden schockieren, der die Börse unter anderem als ein soziales System begreift.
Portfoliomanager haben viele Methoden entwickelt, um bessere Verkaufsentscheidungen herbeizuführen. Etwa gibt es die Übung, alle Werte im Portfolio zu verkaufen und das Geld dann neu anzulegen, mit frischem Blick. Aber es hat sich gezeigt, dass dies kaum eine Wirkung erzeugt, denn die Portfoliomanager kaufen doch immer wieder dieselben Titel, an deren Besitztum sie sich gewöhnt haben.
Regeln des Glücksspiels gelten nicht an der Börse
Ebenfalls von geringem praktischem Wert sind Alte-Fondsmanager-Weisheiten wie „Quit while you are ahead“ oder „You never lose your shirt by taking profits“. Diese Regeln machen nur Sinn in Glücksspielen, wie etwa beim Roulette, wo niemand auf das Anhalten einer Strähne vertrauen kann und technisch gesprochen der Erwartungswert negativ ist.
Hier gilt es, den Glücksgöttern zu danken, sobald man vorne liegt und das Geld vom Tisch zu nehmen. Ein Fondsmanager befindet sich aber nicht in einem Nullsummenspiel und die positive Entwicklung eines Unternehmens und damit der Aktie kann Jahrzehnte lang anhalten. Investoren, die sich als Eigentümer einer Firma begreifen, wissen das.
Wesentlich ist jedenfalls, mit einem Plan und einem Bild in die Zukunft zu gehen. Pläne, die in Krisensituationen entwickelt werden, sind in der Regel das Pergament oder Papier des hektischen Wahrsagers nicht wert. Das gilt für Börsencrashs nicht weniger als für Berufs- und andere Beziehungskrisen.
Um es für Anleger, Investoren und gebildete Spekulanten auf den Punkt zu bringen: Macht euch rechtzeitig ein eigenes Bild, lest Geschäftsberichte und Bilanzen (und ab und zu die Kommentare von wahrsagenden Analysten). Verwechselt keinesfalls Einstandskurse mit einem Plan. Richtet euer Interesse auf die Zukunft und überschätzt nicht die Vergangenheit.
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