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Blackrock-Gesprächsrunde zu Nachhaltigkeit Der Markt kann sich nicht auf Standards einigen

Grüner Finanzplatz Frankfurt: In diesem Jahr flossen bislang Rekordsummen in nachhaltige Fonds und ETFs.
Grüner Finanzplatz Frankfurt: In diesem Jahr flossen bislang Rekordsummen in nachhaltige Fonds und ETFs. | Foto: imago images / Xinhua

Zwischen April und Juni dieses Jahres flossen Morningstar zufolge 71,1 Milliarden US-Dollar weltweit in nachhaltige Fonds und ETFs – eine Steigerung um 72 Prozent im Vergleich zum vom Corona-Crash geprägten Vorquartal. Die Zahlen spiegeln das wachsende Interesse der Investoren wider, das sich in der Corona-Krise verstärkt habe, schreibt das Analysehaus. „Bis vor zwei Jahren fristeten solche Anlagen noch ein Schattendasein“, bestätigt Mirjam Staub-Bisang, Schweiz-Chefin und Nachhaltigkeitsexpertin bei Blackrock, im neuen Gesprächsformat Talk@BLK, bei dem Spezialisten des Vermögensverwalters mit Gästen über aktuelle Themen diskutieren.

In diesem Jahr habe die Nachfrage nach Fonds, die bei ihren Investitionen die Kriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (englisch: Environment, Social, Governance; kurz ESG) berücksichtigen, auch beim weltweit größten Vermögensverwalter stark angezogen: Im ersten Halbjahr des Jahres flossen nach Firmenangaben 11 Milliarden US-Dollar in nachhaltige ETFs der iShares-Reihe. Im vergangenen Jahr waren es zu diesem Zeitpunkt erst 5 Milliarden US-Dollar gewesen. Ein Grund sei sicherlich das gestiegene Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen bei Investoren, so Staub-Bisang. Hinzu komme die drohende Regulierung.

Nachhaltige Fonds schneiden in der Krise besser ab

Zudem habe sich das Vorurteil, dass Nachhaltigkeit Anlegern Rendite koste, nicht bestätigt. Im Gegenteil: Eine Morningstar-Analyse zeigt, dass nachhaltige Fonds während des Ausverkaufs in der Corona-Krise sogar besser abschnitten. In den untersuchten Kategorien lagen ESG-Fonds im ersten Quartal des Jahres, mit einer Ausnahme, durchschnittlich zwischen 0,09 und 1,83 Prozent vor ihren traditionellen Pendants. Auch auf längere Sicht schneiden nachhaltige Investitionen gut ab. In den zehn Jahren bis 2019 haben 59 Prozent der ESG-Fonds ihr nicht-nachhaltiges Gegenstück geschlagen, so Morningstar.

„ESG bringt Krisenresistenz ins Portfolio“, sagt auch Guido Giese, Research-Leiter beim Index-Anbieter MSCI. Den Vorwurf, die jüngste Überrendite habe ausschließlich mit dem in der Krise gesunkenen Ölpreis zu tun, lässt er nicht gelten: „Es genügt heutzutage nicht mehr, drei Firmen, die auf fossile Energieträger setzen, auszuschließen und zu sagen, das sei ESG.“ Der Erfolg lasse sich nicht ausschließlich durch den Ausschluss eines Wirtschaftsbereichs erklären. Schaue man sich etwa nachhaltige Indizes an, so werde in jeder Branche in Unternehmen mit hohem ESG-Rating investiert.

Blackrocks Ziel sei es, im Sinne des Kunden Investitionsrisiken zu minimieren, sagt Nachhaltigkeitsexpertin Staub-Bisang. Dazu zählen immer stärker auch Klimarisiken wie Fluten, Stürme und Dürreperioden. Ein weiteres Feld seien die sogenannten Transitionsrisiken, die durch den Übergang hin zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft entstehen. „Unternehmen, die diesen Wandel gut meistern, werden auch bei Investoren gefragt sein“, so Staub-Bisang. Steige die Nachfrage, gehe auch der Preis nach oben.

Pandemie bringt soziale Risiken ans Licht

Aber nicht nur Umweltrisiken, abgedeckt durch das „E“ in ESG, seien für Anleger wichtig. In der Corona-Krise habe sich besonders die Bedeutung sozialer Themen gezeigt, heißt es von der Blackrock-Expertin. Firmen mit robusten Lieferketten konnten weiter produzieren. Wie loyal Mitarbeiter in der Krise waren, habe sich zudem auf den Unternehmenserfolg ausgewirkt. Nicht zuletzt müssten Unternehmen Fachkräfte langfristig binden. Das „G“ in ESG schließlich, die Unternehmensführung, spiele besonders in Schwellenländern bei Firmen mit komplexen Eigentümerstrukturen eine Rolle.

„Klimarisiken erhalten insgesamt die größte Aufmerksamkeit“, bestätigt Guido Giese von MSCI. Er beobachtet, dass Investoren ehrgeiziger werden und sich strengere ESG-Ziele setzen. Die vielen verschiedenen Indizes und ETFs, die es in diesem Bereich gebe, seien daher gerechtfertigt. Neben Risikopräferenzen müssten Anbieter unterschiedliche Regionen und Branchen abdecken.

Eine große Herausforderung sieht Giese in der fehlenden Standardisierung der Datenbasis: „Der Markt kann sich nicht auf Standards einigen.“ Dieses Problem müsse eine Institution lösen, die groß genug sei und alle wichtigen Themen im Blick habe. „Das kann nur die Europäische Union schaffen“, so der MSCI-Analyst. Die EU-Taxonomie, die Standards für klimaverträgliche Investitionen festlegen soll, sei bereits einen großen Schritt vorangekommen. Eine Sachverständigengruppe hatte im März ihren Abschlussbericht zu zwei von insgesamt sechs Umweltzielen vorgelegt. Die Vorschläge müssen aber noch in EU-Recht gegossen werden.