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Umstieg auf saubere Energie Der lange und kurvenreiche Weg zur Netto-Null

Feierabendverkehr in Hanoi
Feierabendverkehr in Hanoi: Selbst wenn Vietnam rasch vollständig emissionsfrei werden würde, dürfte das kaum mehr als eine Nachkommastelle in der globalen Gesamtrechnung ändern. | Foto: Imago Images / VWPics

Der globale ökologische Wandel stellt uns vor eine noch nie dagewesene Herausforderung: Um das Schlimmste zu verhindern, müssten mindestens 20 der größten Volkswirtschaften der Welt über mehrere Jahrzehnte hocheffizient zusammenarbeiten. Wir dürfen nicht vergessen, dass beispielsweise 100 Millionen Vietnamesen jährlich weniger als 0,5 Prozent der globalen und weniger als 2 Prozent der chinesischen Treibhausgasemissionen produzieren.

Selbst wenn Vietnam ein schneller Umstieg gelingen und vollständig emissionsfrei werden würde, wäre dieses Opfer kaum mehr als eine Nachkommastelle in der Gesamtrechnung. Und da die Wirkung von Treibhausgasen von ihrer absoluten atmosphärischen Konzentration und nicht von irgendeinem relativen Maß abhängt, sind alle kleineren Emittenten – als Nationen und nicht nur als Individuen – machtlos, wenn nicht die ganze Welt an einem Strang zieht. Dass dies gelingt, ist annähernd so wahrscheinlich (oder unwahrscheinlich), als dass China und die USA alle beide in naher Zukunft Opfer bringen.

 

Der grundlegende Fehler besteht darin, die globale Dekarbonisierung als bloßes weiteres Einzelereignis zu betrachten, das durch gezielte technische Lösungen angegangen werden könnte, wie zum Beispiel die Umstellung von Festnetz auf Mobiltelefonie oder von Gasheizungen auf Wärmepumpen. In Wirklichkeit erfordert die globale Dekarbonisierung eine grundlegende Umstrukturierung der elementarsten und komplexesten Aktivität der Welt, nämlich der Energiebereitstellung und -nutzung. Das Vorhaben ist daher um Welten komplizierter und teurer, denn es betrifft alle Bereiche, von Düngemitteln bis hin zum Düsenjet, von Stahl bis hin zu Kunststoffen, von der Getreideernte bis hin zum interkontinentalen Containertransport. Die Größenordnung ist schier unmesslich, denken wir nur an die Milliarden von Tonnen und Billionen von Kubikmetern und Kilowattstunden. Hier sind schrittweise Fortschritte über mehrere Jahrzehnte hinweg notwendig. Der Prozess kann beschleunigt werden, aber er kann nicht durch willkürliche Szenarien zum Abschluss gebracht werden, die sich die Bürokraten in Paris oder Brüssel ausgedacht haben, noch dazu mit utopischen Fristen.

Die erste grüne Lösung war die Stromerzeugung aus Wasserkraft. Das erste kleine Wasserkraftwerk wurde 1882 in Betrieb genommen. Im selben Jahr baute Edison sein erstes kohlebefeuertes Kraftwerk, das sich ein Jahrhundert lang großer Beliebtheit erfreute. Doch dann änderten sich die Einstellungen, Wasserkraft wurde zu einem Umweltproblem und schließlich stellte die Weltbank die Finanzierung neuer Projekte in einkommensschwachen Ländern mit großen verbleibenden Wasserkraft-Kapazitäten ein. Das ist sehr bedauerlich, denn die Welt – die reichen und die armen Länder − verfügt immer noch über jede Menge Möglichkeiten, ganz viele kleine Wasserkraftwerke zu bauen, deren Kapazitäten zusammengenommen eine willkommene Ergänzung zu Erzeugung von Strom aus intermittierenden Quellen wären. China hat natürlich munter in gigantischem Maßstab weitergebaut, da Wasserkraft zu einem kritischen Teil seiner Stromversorgung geworden ist. Warum sollte Afrika, das ebenfalls großes Wasserkraftpotenzial besitzt, nicht die gleiche Chance bekommen?

Die meisten Menschen scheinen das Ausmaß der Ineffizienz und der Verschwendung bei ihren Aktivitäten nicht zu erkennen, insbesondere mit Blick auf Energien, die Teil der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern sind. Hier drei Beispiele, die das verdeutlichen: Wir pumpen, reinigen, entsalzen und verteilen Trinkwasser, verlieren aber häufig 30 bis 40 Prozent durch undichte Rohre und defekte Sanitärinstallationen.