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Recycling ist ausbaufähig Kreislaufwirtschaft – das nächste große Anlagethema?

Zu Ballen gepresste Kupferdrähte aus Elektroschrott
Zu Ballen gepresste Kupferdrähte aus Elektroschrott: Damit die Volkswirtschaften möglichst bald klimaneutral werden, müssen die Unternehmen verstärkt Kreisläufe für Produkte und Materialien etablieren und somit Ressourcen sparen. | Foto: Imago Images / Westend61
Walter Liebe, Pictet Asset Management

Die Unternehmenswelt und insbesondere die Finanzindustrie beschäftigen sich derzeit unter Hochdruck mit der Implementierung der EU-Taxonomie-Vorgaben der ersten Stufe. Hier sind mittlerweile die Kriterien für die Messung und Offenlegung der Emission von Klimagasen erarbeitet.

Weniger bekannt ist außerhalb der Expertenkreise, dass sich die Taxonomie auch auf weitere Bereiche des Wirtschaftslebens bezieht; unter anderem auf die Zielsetzung, die Volkswirtschaften zu sogenannten Kreislaufwirtschaften, zu „circular economies“ wie es im Englischen heißt, weiterzuentwickeln.

Kern dieses Ansinnens ist es, die Verschwendung von natürlichen Ressourcen durch einmalige Verwendung und nachfolgende Entsorgung zu unterbinden. Denn das Wegwerfen von Artikeln verursacht nicht nur das weithin bekannte Müllproblem, beispielsweise die gewaltigen Müllstrudel in den Ozeanen, sondern die weggeworfenen Gegenstände binden auch teils wertvolle Rohstoffe, die für die Herstellung neuer Produkte unter hohem energetischen Aufwand oder unter Belastung der Umwelt (zum Beispiel der Abbau von Kobalt und Seltenen Erden für Mobiltelefone) wieder neu gefördert werden müssen.

Die Kreislaufwirtschaft, die mit massiver politischer Rückendeckung vorangebracht werden soll, lässt sich praktisch auf alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche anwenden. Um die Breite der Anwendbarkeit der Kreislaufwirtschaft zu illustrieren, sollen hier einige Beispiele genannt werden: So gehen etwa ein Drittel aller Lebensmittel auf dem Weg vom Acker bis auf den Teller verloren, durch Verderben, Nichtkonsum oder anderes. Es gibt bis auf wenige Ausnahmen bislang keine systematische Verwertung von nicht konsumierten Lebensmitteln, sondern sie werden vielfach einfach als Müll entsorgt.

Gleiches gilt für Verpackungsmaterialien: Trotz des in Deutschland vor Jahrzehnten eingeführten Recyclingsystems „Grüner Punkt“, das teils von den Verbrauchern per Umlage finanziert wird, liegt die tatsächliche Wiederverwertung je nach Kunststoffsorte unter 10 bis 20 Prozent. Elektro- und Elektronikgeräte werden überwiegend gar nicht recycelt, trotz der Tatsache, dass in Konsumelektronik sehr wertvolle Ressourcen verbaut sind (Gold, Platin und weitere Metalle).

In der Theorie ist die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft sehr eingängig und höchst wünschenswert, denn sie hilft massiv dabei, die Beanspruchung der natürlichen Ressourcen durch das menschliche Wirtschaften abzumildern. Es gibt jedoch zwei mächtige Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Das eine ist das Thema Innovation. Bisher kommen Kreislaufüberlegungen nur bei einer Minderheit von Produkten zum Einsatz, beispielsweise in der Automobilindustrie: Hier wird bereits im Design neuer Fahrzeuge die komplette Wiederverwendung der Komponenten mitgeplant. In anderen Lebensbereichen (wie in der Konsumelektronik-Branche) wird hingegen weniger systematisch auf Recycling geachtet, häufig aufgrund der Tatsache, dass es im Design der Produkte nicht mit bedacht wurde.

Die große Hürde bei der Wiederverwendung von einzelnen Komponenten von Produkten besteht häufig darin, dass das Endprodukt nur schwer wieder in seine Einzelteile zu zerlegen ist. Ohne den Schritt der Abtrennung ist die Gewinnung der Rohstoffe unmöglich. Ein Beispiel aus dem Alltag ist die TetraPak-Milchverpackung. Lange Zeit als sehr umweltfreundliches Verpackungsmaterial gepriesen, sind die Einzelbestandteile (Karton, Innenbeschichtung aus Kunststoff) praktisch nicht zu trennen, so dass die Masse der Verbundverpackungen der „thermischen Verwendung“ (sprich Verbrennung) zugeführt wird, anstatt sie in Einzelrohstoffe aufzuteilen.

Die gute Nachricht: Mit Blick auf Innovationen beim Recycling hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. In immer mehr Bereichen setzt sich die grundlegende Bereitschaft durch, Recycling zum Teil des Produktzyklus zu machen.

Die zweite große Herausforderung ist die Kostenfrage. So lange der Abbau von Rohstoffen – teilweise unter entsetzlichen menschlichen oder ökologischen Bedingungen – günstiger ist als die Wiedergewinnung von Rohstoffen aus Altprodukten, wird der Anteil recycelter Rohstoffe überschaubar bleiben. Aber auch hier sorgt Innovation für sinkende Kosten und höhere Wettbewerbsfähigkeit, die gepaart mit regulatorischen Vorgaben zu bahnbrechenden Erfolgen führen kann.

Ist die Kreislaufwirtschaft damit bereits das neue Anlagethema für Investoren? Diese Frage kann nicht eindeutig bejaht werden, denn das Potenzial für künftige Wachstumsstories ist riesig. Allerdings spielt sich ein guter Teil der Innovation und der „neuen“ Geschäftsmodelle bei nicht-börsengelisteten Unternehmen ab, sodass dieser Bereich für normale Anleger nicht leicht zugänglich ist. Doch auch bei größeren Konzernen spielt Recycling eine immer wichtigere strategische Rolle. Allerdings stellt sich dann die Frage, wie „thematisch rein“ ein Investment in ein solches Unternehmen ist, wenn Anleger gezielt in Kreislaufwirtschaft investieren möchten.

Aus unserer Sicht stehen wir in diesem neuen Anlagethema noch am Anfang, es benötigt noch mehr investierbare Unternehmen. Das Potenzial, dass Recycling mittelfristig zu einem ertragreichen Anlagethema wird, ist jedoch eindeutig gegeben.

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