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Nachhaltiges Investieren neu gedacht Evaluierungskonzepte für die Anlageziele von heute

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Schwächen von Ausschlusskonzepten und statischen Ansätzen

Nachhaltiges Investieren begann mit Ausschlusskonzepten. Sie wurden über Jahrzehnte entwickelt und bekamen bisweilen Gesetzeskraft; man denke etwa an die EU-Taxonomie. Die Nachhaltigkeitsansätze vieler Asset Manager, Finanzinstitutionen und Unternehmen nutzen sie. Ihre leichte Anwendbarkeit und Transparenz machen sie für Kapitaleigner interessant. Dennoch erfordern die Schwächen dieser Ansätze ein Umdenken.

Ein nachhaltiges Investmentkonzept für unterschiedliche Assetklassen

Bei Staatsanleihen sind Ex-ante-Ausschlüsse besonders problematisch. Das gilt vor allem für Länder mit einem durchschnittlichen ESG-Profil. Auf undemokratische Länder mit großen Defiziten kann man leicht verzichten. Aber was tun, wenn das Urteil nicht eindeutig ist? Die bei anderen Anleihenmarktsegmenten gängigen Ausschlusslisten werden der Komplexität von Staatsanleihen nicht gerecht.

Grafik 3: Wichtige ESG-Faktoren bei Staatsanleihen

So ist der Ukraine-Krieg wegen seiner Auswirkungen auf die Energiesicherheit ein Dilemma für Regierungen und nachhaltige Investoren gleichermaßen. Die europäischen Regierungen haben sich zur Netto-Null bekannt und klare Pläne für die Energiewende formuliert. Investoren können beurteilen, ob sie zu den Pariser Klimazielen passen. Sie können sich ein Bild davon machen, ob die Klimawende vorangeht. Die Fortschritte der meisten EU-Länder dürften reichen, um in Nachhaltigkeitsportfolios aufgenommen zu werden, auch wenn es bisweilen beachtliche Unterschiede gibt. Doch das Thema Energiesicherheit macht es komplizierter. Zwar sind hohe Energiepreise ein starker Anreiz zum Sparen, doch will man die Energieversorgung kurzfristig stabiler und verlässlicher machen. Mitunter wird schnell eine Flüssigerdgasinfrastruktur aufgebaut, Kohlekraftwerke werden wieder in Betrieb genommen, und die Laufzeiten von Kernkraftwerken werden verlängert. Auch hier sind die Unterschiede zwischen den Ländern bisweilen groß, je nach natürlichen Gegebenheiten, vorhandener Infrastruktur, politischen Mehrheitsverhältnissen und Zukunftsplänen. Der Energiepreisschock trifft nicht alle Länder, Sektoren und Haushalte gleich stark. Mit anderen Worten: Er ist hochpolitisch.

 

Kurzfristig ist Energiesicherheit ein wichtiges politisches Ziel, das die Bemühungen um die Energiewende dominiert. Aber wie ist es in Zukunft? Wie sollen wir Regierungen bewerten, denen Energiesicherheit wichtiger ist als die Energiewende? Das Beispiel zeigt, dass Investoren stets mit Kompromissen leben müssen, mit komplexen Situationen, Zielkonflikten und zweitbesten Lösungen. Sie müssen verstehen, was die Politik eines Landes bestimmt und was das kurz- und langfristig bedeutet. Das kann bisweilen kompliziert und vielschichtig sein. Wer nachhaltig investieren will, sollte nicht zum Holzhammer greifen.

Ein Anlageuniversum für alle

Wenn Investoren ESG-Integration mit ihren Treuhandpflichten in Einklang bringen wollen, brauchen sie unserer Ansicht nach einen Ansatz, der zu ihren Finanzzielen passt und die Politik realistisch einschätzt. Ein Ausschlusskonzept schränkt das Anlageuniversum zwangsläufig ein, oft so stark, dass es nicht mehr groß genug ist. Die Investoren können vorgeben, wie restriktiv der Ansatz sein soll. Wenn lediglich Vorgaben zur Staatsform gemacht werden, dürfte das Staatsanleihe-Universum nicht so stark beschränkt werden. Kommen aber ökologische und soziale Aspekte hinzu, kann das anders sein. Je strenger die Restriktionen sind, desto mehr kann sich das auf das kurzfristige Risiko-Ertrags-Profil des Portfolios auswirken.

Ungewollte Benachteiligung von Emerging Markets

Ein weiteres Problem des statischen Ausschlussansatzes – vor allem bei Staatsanleihen – ist die hohe Korrelation zwischen Pro-Kopf-BIP und ESG-Ratings. Die für die Ratings relevanten Kriterien behindern zurzeit Investitionen in ärmeren Ländern. Die ESG-Ratings von Unternehmen aus Emerging Markets und Entwicklungsländern scheinen systematisch niedriger zu sein. Hier werden gemessen am BIP noch immer sehr viel weniger Nachhaltigkeitsanleihen begeben als in den Industrieländern.

Grafik 4: Deutlich weniger Emissionen von Nachhaltigkeitsanleihen außerhalb der Industrieländer (Marktanteil in Prozent)

Asset Manager berichten, dass die ESG-Integration Emerging Markets bei Staatsanleihen benachteiligt. Gerade diese Länder brauchen aber am dringendsten Kapital, um dort Fortschritte zu erzielen, wo sie von Investoren jetzt für ihre Defizite bestraft werden. Hinzu kommt, dass viele Anlagekonzepte auf quantitativen ESG-Scores beruhen, es aber in den Emerging Markets oft an konsistenten und präzisen Daten mangelt. Die Kennzahlen geben das Risiko-Ertrags-Profil der weniger entwickelten Länder daher oft nicht korrekt wieder.