Sven Stoll
20.12.2022

Investmentausblick der Profis So wird das Börsenjahr 2023

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ARTIKEL-INHALT
Seite 1 - Wie wird das Börsenjahr 2023? Seite 2 - Felix Schleicher: „Schwellenländer könnten vor einer Wiederentdeckung stehen.“ Seite 3 - Alex Rauchenstein: „In unseren Augen muss man sich nicht beeilen, bei den Tech-Schwergewichten einzusteigen.“
Seite 4 - Guido Hoheisel und Christian Müller: „Aufholpotenzial sehen wir bei den stark gebeutelten Nebenwerten.“
Seite 5 - Gottfried Urban: „Das Wort des Jahres „Zeitenwende“ passt wahrscheinlich für das ganze Jahrzehnt.“ Seite 6 - Volker Schilling: „Technologieaktien werden im kommenden Jahrzehnt eher unterdurchschnittlich abschneiden.“ Seite 7 - Heiko Böhmer: „Investoren sollten in das neue Jahr mit einem ausreichenden Sicherheitspolster in Form von Cash starten.“

Guido Hoheisel und Christian Müller: „Aufholpotenzial sehen wir bei den stark gebeutelten Nebenwerten.“

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Mit dem Sigavest Vermögensverwaltungsfonds ist das Berliner-Trio Christian Mallek, Christian Müller und Guido Hoheisel seit über 10 Jahren auf Renditejagd. Ihr Motto: Die aussichtsreichsten Themen der Zukunft mit den besten Managern besetzen. Bei der Auswahl der Zielfonds achten sie deshalb insbesondere auf die Qualität und Expertise ihrer Zielfondsmanager. Chancenreiche Spezialitäten wie CO2-Zertifikate oder Kryptowährungen können das Portfolio ergänzen. Zu den Top-Picks der Vermögensverwalter zählen aktuell der Quantex Global Value, der Squad European Convictions und der Medical BioHealth.

DAS INVESTMENT: Das Börsenjahr 2022 war von Unsicherheit und hohen Schwankungen geprägt. Wie sind Sie als Vermögensverwalter durch diese schwierige Zeit gekommen? 

Guido Hoheisel: Das schwierigere Halbjahr war sicherlich das erste Halbjahr mit seinen teils drastischen Verlusten in fast allen Anlageklassen. Da es kaum sichere Häfen gab, stand für unseren Fonds Ende Juni das mit Abstand schlechteste 6-Monats-Ergebnis unserer mehr als 10-jährigen Fondshistorie zu Buche. Im zweiten Halbjahr war in vielen Segmenten des Kapitalmarktes aber schon wieder eine Bodenbildung zu sehen, die allerdings nicht homogen verlief.

Während der Dax wie Phoenix aus der Asche stieg und seit der Jahresmitte rund 13 Prozent zugelegt hat, traten Nebenwerte und die Nasdaq lediglich auf der Stelle. Anleihen verzeichneten sogar weitere Kursverluste. Wir haben uns mit unserem Fonds im zweiten Halbjahr ordentlich geschlagen und um rund drei Prozent zugelegt. Auffallend war eine relative Gelassenheit bei der Mehrzahl der Privatanleger. Viele sind inzwischen krisenerprobt und haben im Laufe der Jahre gelernt, dass es selbst nach größeren Kurseinbrüchen nur eine Frage der Zeit ist, bis wieder neue Höchststände erzielt werden.

Welche Investments liefen in diesem Jahr besonders gut, wo haben Sie daneben gelegen? 

Hoheisel: Die beste Performance erzielten in diesem Jahr der Quantex Global Value sowie der Blackrock World Mining mit einem Kursplus von jeweils rund 14 Prozent. Besonders schlecht lief es in diesem Jahr bei den Kryptowährungen. Unsere Positionen in Bitcoin und Ethereum verloren jeweils rund 60 Prozent und sorgten damit für eine Belastung unseres Fondspreises von jeweils 1,5 Prozent. Auch wenn sich die Begeisterung hierüber in Grenzen hält, ist eine Einordnung dieser Ergebnisse in unsere Fonds-Historie wichtig. Die seit unseren ersten Bitcoin-Käufen realisierten Gewinne übersteigen die diesjährigen Verluste um mehr als das Dreifache.

Worüber haben sie sich im Jahr 2022 am meisten geärgert?

Hoheisel: Es ist schon recht ärgerlich, wenn man den richtigen Riecher hat, aber nicht zum richtigen Zeitpunkt. In Zeiten, in denen 10-jährige deutsche Staatsanleihen spürbar negativ rentierten, haben wir einige Male auf den Beginn einer Zinswende gesetzt und sind aus taktischen Überlegungen heraus Short-Positionen auf den Bund Future eingegangen. Dabei sprang leider nichts Zählbares heraus, da wir diese Trades schlichtweg zu früh getätigt hatten und dieses Thema irgendwann ad acta legten. Als nun in diesem Jahr die Zinswende schnell und mit teils großen Sprüngen vollzogen wurde, haben wir leider nicht davon profitiert.

Christian Müller
Christian Müller © Sigavest

Die Quartalsberichte, gerade einiger Tech-Schwergewichte haben enttäuscht und die Aktien in den Renditekeller geschickt. Sind die Bewertungen nun wieder auf einem normalen Niveau angekommen oder sehen Sie hier weiteres Abwärtspotenzial?

Christian Müller: So richtig schlecht waren eigentlich nur die Quartalsberichte von Meta Platforms und Amazon. Beide Unternehmen haben spezielle Belastungsfaktoren zu tragen. Meta befindet sich in einem gigantischen Umstrukturierungsprozess mit noch ungewissem Ausgang. Gelingt Mark Zuckerberg diese Transformation, dann wird sich der Aktienkurs wieder deutlich erholen. Die Bewertung ist mit einem 2023er KGV von 14 nicht teuer. Amazon muss dem hohen Wachstumstempo aus der Corona-Zeit etwas Tribut zollen. Eine verdoppelte Mitarbeiterzahl verursacht deutlich höhere Kosten. Nach einer Halbierung des Aktienkurses ist hier aber bereits viel eingepreist.

Microsoft und Apple haben in ihren Geschäftsfeldern eine solche Marktposition, die entsprechende Gewinne auch zukünftig sprudeln lassen wird. Der freie Cash-Flow sowie die liquiden Mittel sind gigantisch. Dazu kommt noch vor allem bei Microsoft eine große Preissetzungsmacht. Die Korrektur bei Microsoft mit 35 Prozent vom Rekordhoch bietet gute Einstiegsmöglichkeiten. Apple hat erst 22 Prozent korrigiert und ist noch anfällig für weitere Korrekturen, da man doch sehr von der Produktion in China abhängig ist. Das könnte vor allem im Weihnachtsgeschäft für Enttäuschungen sorgen.

Alphabet hat in der Spitze ebenfalls um fast 50 Prozent korrigiert. Ein 2023er KGV von rund 17 erscheint nicht mehr teuer. Insgesamt glauben wir, dass die großen Tech-Titel kein zu großes Risiko für die Märkte mehr darstellen. Einzig Apple hat noch Enttäuschungspotenzial. Da wir auch nicht mit weiteren starken Zinssteigerungen rechnen, dürfte der Druck auf die Technologieaktien im Jahr 2023 nachlassen, und eines ist doch ganz klar: Nur technologischer Fortschritt ermöglicht weiteres Wachstumspotenzial.

Worauf müssen Anleger im kommenden Jahr achten? Wie ist ihr Ausblick?

Müller: Es gibt nichts, worauf man besonders achten muss. Es gilt ein dem eigenen Risikoprofil entsprechendes Portfolio aufzubauen. Mit Schwankungen, die von verschiedenen Ereignissen ausgelöst werden, muss man leben können. Die Wirtschaft und auch die Unternehmen stellen sich immer wieder auf neue Herausforderungen ein und schaffen es in der Regel, diese zu meistern. Die Prognosen für 2023 gehen von einem schwierigen ersten Halbjahr aus, in dem durchaus nochmal neue Tiefstände erreicht werden könnten. Viele erwarten eine Rezession in der Wirtschaft und eine Gewinnrezession bei den Unternehmen.

 

Dieser Erwartung folgen wir nicht, denn die Unternehmen sitzen auf einem hohen Auftragspolster aus der Corona-Zeit und es fehlen in vielen Branchen Arbeitskräfte, um die vorhandene Arbeit abzuleisten. Das spricht nicht für eine Rezession im ersten Halbjahr. Die Inflationsraten werden schon aufgrund von Basiseffekten zurücklaufen, wenn auch eher Richtung 4 Prozent anstatt der gewünschten 2 Prozent. Die Rohstoffpreise zeigen das schon an, zudem liegt der Ölpreis nur noch auf dem Niveau des Vorjahres.

Die Lieferketten normalisieren sich zusehends mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Frachtraten. Den Notenbanken wird es also erleichtert, ihr Zinserhöhungstempo zu reduzieren. Aufgrund dieser Gemengelage erwarten wir keine neuen Tiefstände. Mit substanzstarken Aktien mit ordentlicher Dividendenrendite als Basisinvestments, sowie mit den Wachstumsbranchen Gesundheit, Technologie und Umwelt sollte man gut aufgestellt sein. Aufholpotenzial sehen wir bei den stark gebeutelten Aktien aus dem Small- und Midcap-Bereich, die günstig bewertet sind. Aber auch im Rentenmarkt gibt es wieder gute Kupons zu verdienen. Da wir keine weiteren großen Zinssteigerungen erwarten, sollten sich hier zudem die Kurse stabilisieren.

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