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Assenagon-Chefökonom Martin Hüfner Rettungsanker Binnenmarkt

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Entscheidend war etwas anderes. Es war die Tatsache, dass Europa in Sachen Wachstum zum kranken Mann der Weltwirtschaft geworden war. Von 2010 bis 2015 erhöhte sich das reale Sozialprodukt im Euroraum im Schnitt nur um ein Prozent pro Jahr. In den USA war es in dieser Zeit mehr als dop­pelt so viel. In China noch viel viel mehr. Solche Unterschie­de wirken sich natürlich auch auf die Attraktivität der Regio­nen für die Exporte aus.

Seit Mitte der Dekade hat sich das Bild der Handelsströme nun gedreht. Das war nicht nur ein kurzfristiger Ausrutscher, wie er bei solchen langfristigen strukturellen Entwicklungen immer mal wieder vorkommt. Zuerst hat sich der Anteil der deutschen Exporte in den Euroraum auf niedrigem Niveau stabilisiert. Seit 2015 steigt er wieder. Zuletzt lag er bei 38 Prozent.

Das heißt: Der Euroraum ist für die deutsche Exportwirt­schaft wieder attraktiver geworden. Der Binnenmarkt wird wieder dynamischer – und das in einer Zeit, in der überall populistische Kräfte am Werk sind, die die Integration in Europa eher erschweren. Das war schon bemerkenswert. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit schlägt offenbar die politische Zusammenarbeit.

Wie kommt das? Wenn ich es recht sehe, sind drei Fakto­ren dafür verantwortlich. Das eine ist das Wachstum. Eu­ropa hat die Wachstumsschwäche überwunden und steht wieder weitgehend auf Augenhöhe mit den anderen Indus­trieländern. In diesem Jahr wächst die Wirtschaft in den USA zwar wieder etwas schneller als in Europa. Das ist aber im Wesent­lichen bedingt durch die Steuersenkung in den USA. Sie ver­zögert dort den zyklischen Abschwung.

Der zweite Faktor: Europa steht auch in struktureller Hin­sicht wieder besser da. Die Reformen, die in den letzten Jahren ergriffen worden waren, haben gewirkt. Sie haben die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften verbessert. Irland, Portugal, Spanien und zuletzt sogar Griechenland konnten aus den Anpassungsprogrammen entlassen wer­den. Frankreich hat mutige Reformen durchgeführt, die sich auszuzahlen beginnen. Selbst Italien hat sich trotz der poli­tischen Schwierigkeiten nach der Wahl in wirtschaftlicher Hin­sicht stabilisiert. Europa steht in Sachen Defizite und Verschuldung wesentlich besser da als etwa die USA.

Der dritte Faktor, der jetzt mehr und mehr hinzukommt, ist die Politik des amerikanischen Präsidenten. Der neue Pro­tektionismus und die Unsicherheiten auf dem US-Markt las­sen manchen Exporteur darüber nachdenken, ob der US-Markt trotz seiner Größe und Dynamik wirklich so attraktiv ist wie alle sagen. Es findet eine Handelsumlenkung von Amerika nach Europa (und nach Asien natürlich) statt. Die Ironie des Schicksals dabei: Der Protektionismus, der dem Eu­roraum aus der Sicht Trumps schaden soll, wird ihm je­denfalls in wirtschaftlicher Hinsicht nutzen.

Für den Anleger

Die neue Attraktivität des europäischen Binnenmarktes macht den deutschen Export weniger verletzlich gegenüber protektionistischen Attacken. Das hilft natürlich auch der Börse. Anleger aus Europa sollten es wie die Exporteu­re halten: Anlagen verstärkt auf den europäischen Markt um­lenken. Da gibt es keine Wechselkursrisiken, die poli­tischen Unsicherheiten sind geringer und die Gewinne ge­hen – un­ter Schwankungen – auf Dauer auch nach oben.

Autor Martin Hüfner ist Chefökonom bei der Münchner Assenagon Asset Management.

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