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Aktualisiert am 08.12.2022 - 11:13 Uhrin AnalysenLesedauer: 4 Minuten

Nachhaltigkeitspflichten für Unternehmen Was im Richtlinien-Entwurf der EU-Kommission steht

Holztransporter im westafrikanischen Staat Elfenbeinküste
Holztransporter im westafrikanischen Staat Elfenbeinküste: Unternehmen sollen auch ihre Zulieferer in puncto Nachhaltigkeit im Blick haben. Eine geplante EU-Richtlinie will dafür noch strengere Vorgaben machen als das deutsche Lieferkettengesetz. | Foto: imago images / Joerg Boethling

Seit nunmehr einem Jahrzehnt haben mehrerer Staaten damit begonnen, neue Unternehmenspflichten zunächst zur Beachtung von Menschenrechten und schließlich auch Umweltschutzzielen auch jenseits der eigenen Unternehmensgrenzen mit unterschiedlichster Regelungsreichweite zu normieren. Der internationale Trend zu gesetzlichen „Supply-Chain-Compliance“-Vorschriften startete im US-Bundesstaat Kalifornien bereits im Jahr 2010, im Vereinten Königreich 2015, in Frankreich 2017 und in den Niederlanden 2019. Norwegen und die Schweiz haben wie auch Deutschland 2021 nachgezogen. Von der EU wurde seit vergangenem Frühsommer eine vergleichbare EU-weite Regelung erwartet – die allerdings zweimal ohne Angabe von Gründen zuletzt im Dezember 2021 verschoben worden war.

Die wichtigsten Unterschiede zum deutschen Lieferkettengesetz

1. Verpflichtungsreichweite

Der EU-Vorschlag spricht in Artikel 1 ausdrücklich Unter-
nehmen im Zusammenhang mit deren vollständigen
Wertschöpfungsketten oder „value chains“ an. Er macht also
keine letztlich kryptischen Abstufungen zwischen dem ei-
genen Geschäftsbereich einerseits und unmittelbaren
oder mittelbaren Zulieferern oder Geschäftspartnern an-
derseits wie bei der Definition der Lieferkette oder „supply
chain“ nach Paragraf 2 V. des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

2. Anwendbarkeitsschwellen

Unternehmen aus der EU mit mehr als 500 Beschäftigten und einem Weltumsatz von mindestens 150 Millionen Euro pro Jahr fallen ebenso in den Anwendungsbereich wie Unternehmen aus Drittstaaten und der gleichen Mindestbeschäftigtenzahl sowie einem EU Umsatz von 150 Millionen Euro pro Jahr gemäß Artikel 2. I. a. und II. a. der EU-Richtlinie.

Sehr interessant ist die geplante Vorgabe von noch nierigeren Anwendbarkeitsschwellen für Unternehmen aus besonders riskanten Industriesektoren. Diese werden nicht allgemein umschrieben mit besonderen Risikotreibern, sondern konkret-spezifisch in Artikel 2. I. b. der EU-Richtlinie aufgeführt. Dazu zählen Textil-Hersteller wie - Händler, landwirtschaftliche Erzeuger, Forstproduzenten, Nahrungsmittelhersteller oder Rohstoffförderer (ausdrücklich ausgenommen sind Maschinenbauer).

Unternehmen aus diesen Risiko-Industrien fallen bereits mit einer Mindestbeschäftigtenzahl von 250 und einem Mindestumsatz von 40 Millionen Euro im Jahr, welcher mindestens zur Hälfte in wenigstens einem der aufgeführten Risikosektoren erwirtschaftet wurde, in den Anwendungsbereich. Die EU-Kommission schätzt mit diesen Vorgaben
die Gesamtzahl von Normadressaten auf 13.000 EU-Unternehmen und 4.000 Unternehmen aus Drittstaaten.

3. Schutzziel Klimawandel

Zum Kampf gegen die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels werden Unternehmen in Artikel 15 der EU-Richtlinie verpflichtet, in ihren Geschäftsmodellen und Unternehmensstrategien das 1,5-Grad-Höchsterwärmungs-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu berücksichtigen. Das LkSG führt bekanntlich in Paragraf 2 III. umweltbezogene Risiken wie das Verbot jedweder Verwendung von Quecksilber und persistenten organischen Schadstoffen oder der gefährlichen Abfallbehandlung auf, nennt aber eben nicht das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Abkommen.

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4. Zivilrechtliche Haftung

Anders als die deutsche Lösung, die in Paragraf 3 III. LkSG ausdrücklich eine zivilrechtliche Haftung ausschließen will, nennt der EU Vorschlag ausdrücklich den terminus technicus „liability“ in Art. 1 I. b. und „civil liability“ als Überschrift des Art. 22. Dieser zivilrechtliche Haftungsanspruch gegen Unternehmen kann ausdrücklich durch Ver-
stöße gegen die Sorgfaltspflichten der EU-Richtlinie begründet werden, aber auch durch Unterlassen – also zum Beispiel untaugliche Prävention – ausgelöst werden.

5. Besondere Pflichten der Geschäftsleitung

Zusätzlich zu dieser Verantwortungszurechnung auf und Haftung von Unternehmen treffen Leitungspersonen – „directors“, also alle Mitglieder von Aufsichts- und Leitungsorganen in jedweder Rechts- und Organisationsform, Art. 3 o. der EU-Richtlinie – besondere persönliche
Sorgfaltspflichten (und damit zusammenhängende individuelle Haftungsrisiken) zur Überwachung und Implementierung der geforderten Nachhaltigkeitsbestrebungen in die Unternehmensstrategie.

6. Berücksichtigung in Incentive-Zielen

In diesem Zusammenhang müssen nach Artikel 15 II. der EU-Richtlinie Leistungsziele bei variablen Vergütungsstrukturen auch mit individuellen Beiträgen der jeweiligen Leitungspersonen zur Unternehmensstrategie , langfristigen Zielen und der Nachhaltigkeit schlechterdings verknüpft werden - mithin eine dem deutschen LkSG so nicht direkt zu entnehmende, klare funktionale Ausstrahlungswirkung auf das Personalwesen beziehungsweise HR.

7. Umsetzungsempfehlungen für Unternehmen

Unternehmen müssen diese EU-Gesetzgebungsinitiative sehr ernst nehmen. Sie sollten sich auch – unabhängig von deren finalen Ausgang – noch früher als vielleicht geplant auf eine direkte Verpflichtungswirkung eines deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes einrichten.

Entgegen der lautstark vorgetragenen Bedenken sollten auch die positiven Aspekte einer EU-weiten Regelung zu Gunsten einheitlicher Standards für alle Marktteilnehmer berücksichtigt werden. Die aktuellen politischen
Ereignisse machen auch die Chancen für eine positive Differenzierung für Unternehmen deutlich, die sich tatsächlich einem verbesserten Schutz von Menschenrechten und der Umwelt verschreiben – denn letztlich ist Nachhaltigkeit nicht nur eine Frage des wirtschaftlichen Überlebens. Mit einem gleichermaßen effektiven wie effizienten, Risiko-basierten Ansatz lässt sich im Übrigen auch für kleinere und mittlere Unternehmen Compliance mit Augenmaß erfolgreich in der Praxis einführen.


Über den Autor: 
Eric Mayer ist Rechtsanwalt und Partner der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann.

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