Grüne Konjunkturprogramme Wird die Welt nach Corona wirklich grüner?
Die Corona-Pandemie war ein Schock und ein Weckruf zugleich: Sie schärfte das Bewusstsein, dass ein Umdenken nötig ist. Wenn die Welt auch für künftige Generationen noch lebenswert sein soll, müssen globale soziale und ökologische Herausforderungen wie Ungleichheit, Umweltverschmutzung, Müllflut, Wasserknappheit und natürlich der Klimawandel konsequenter angegangen werden als bisher.
Der Zeitpunkt für eine Wende schien günstig, denn an frischem Geld mangelte es nicht: 14,6 Billionen US-Dollar stellten die 50 größten Volkswirtschaften der Welt zur Verfügung, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu bekämpfen. Das geht aus einem aktuellen Report der Initiative Global Recovery Observatory der Universität Oxford hervor, die unterstützt vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen, dem Internationalen Währungsfonds und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit die Fiskalprogramme im Hinblick auf ihre nachhaltige Wirkung untersucht. Wie viel von den knapp 15 Billionen US-Dollar bislang für nachhaltige Projekte vorgesehen ist, wirkt demzufolge ernüchternd: 368 Milliarden US-Dollar, davon 341 Milliarden für langfristige Maßnahmen.
„Im Großen und Ganzen stehen die weltweiten Ausgaben für Umweltschutz bisher in keinem Verhältnis zum Ausmaß der anhaltenden Umweltkrisen“, heißt es in der Studie. Dazu gehörten der Klimawandel, Naturverlust und Umweltverschmutzung.
Die Experten vom Economic Recovery Project haben die Potenziale grüner Technologien sowie die Investitionen in wichtige Bereiche untersucht. Die zentralen Ergebnisse:
Grüne Energie (66,1 Milliarden US-Dollar investiert): Investitionen in grüne Energie können privates Kapital anziehen und sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Dekarbonisierung, heißt es in dem Bericht. Außerdem könnten damit kurz- und langfristig Arbeitsplätze geschaffen werden. Daneben würde günstige Energie möglicherweise neues Wachstum in anderen Sektoren anfachen, zum Beispiel im Bereich Elektromobilität.
Ein großer Teil der Ausgaben entfiel bislang auf erneuerbare Energien und Wasserstoff, wobei einige zusätzliche Ausgaben für die Übertragungsinfrastruktur angekündigt wurden. Die Autoren beobachteten hingegen nur geringe Ausgaben für Biokraftstoffe oder Batterie- und Speicherinfrastruktur.
Umweltfreundliche Mobilität (86,1 Milliarden US-Dollar angekündigt): Investitionen in grüne Mobilität können schnell viele Arbeitsplätze schaffen – sowohl kurz- als auch langfristig, etwa im Anlagenbetrieb und -management, schreiben die Autoren. Der Transport sei eine Hauptquelle der aktuellen Treibhausgas-Emissionen und eine schnelle Dekarbonisierung entscheidend für das Erreichen der Klimaziele. Der größte Teil der Ausgaben für grüne Mobilität entfiel auf die Förderung von E-Fahrzeugen (21,5 Milliarden US-Dollar) sowie den Ausbau des bestehenden öffentlichen Nahverkehrs (20,5 Milliarden US-Dollar).
Grüne Gebäude und Energieeffizienz (35,2 Milliarden US-Dollar angekündigt): Verbesserungen der Energieeffizienz sind für die globale Dekarbonisierung von entscheidender Bedeutung und können die grüne Energiewende direkt unterstützen, schreiben die Experten. Der Gebäudebetrieb war 2019 für 28 Prozent der globalen energiebezogenen Emissionen verantwortlich, die Investitionen in die Verbesserung der Gebäudeeffizienz waren jedoch vor der Pandemie rückläufig. Mittlerweile seien aber viele entsprechende Projekte in der Pipeline.
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Der Großteil der im Rahmen von Covid-19 angekündigten Fiskalprogramme entfiel auf Konzepte zur Umrüstung von Gebäuden (30,6 Milliarden US-Dollar), wobei Frankreich und das Vereinigte Königreich umfangreiche Maßnahmen ankündigten. Zusätzlich wurden im Jahr 2020 mehrere andere gebäudebezogene Maßnahmen angekündigt, darunter Investitionen in neue Wohnanlagen ohne grüne Standards, sowohl im privaten als auch im sozialen Wohnungsbau.
Schutz von Naturkapital (56,3 Milliarden US-Dollar angekündigt): Die natürliche Umwelt ist eine konstante Grundlage für den menschlichen Wohlstand, heißt es in dem Report. Regierungen hätten Investitionen in den Schutz des Naturkapitals als Mittel zur Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs sowie der ökologischen Nachhaltigkeit in Aussicht gestellt. Da die Ausgaben für Naturkapital ein breites Spektrum an Maßnahmen umfassen, sind die Auswirkungen auf soziale, ökologische und wirtschaftliche Kennzahlen uneinheitlich.
Mehr als zwei Fünftel der Corona-bedingten Investitionen (19,2 Milliarden US-Dollar) flossen in öffentliche Parks und Grünflächen. Bedeutend waren auch die Ausgaben für Baumpflanzungen und Initiativen zum Schutz der Artenvielfalt mit 13,1 Milliarden US-Dollar. Alleine China investierte 18,7 Milliarden US-Dollar in den Ausbau von Wasserwegen.
Forschung und Entwicklung (28,9 Milliarden US-Dollar angekündigt): Das Erreichen von Netto-Null-Emissionen wird ohne bedeutende technologische Innovationen nicht zu schaffen sein. Das gilt insbesondere für schwer zu dekarbonisierende Sektoren wie Luftfahrt, Kunststoffe und Landwirtschaft.
Mit 9,7 Milliarden US-Dollar machten Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) im Bereich erneuerbare Energien den größten Teil aus. Daneben wurden für F&E in der Industrie 5,5 Milliarden US-Dollar angekündigt.
Fazit: Es gibt viel zu tun, die Chance ist aber (noch) nicht verspielt
Zwar habe es seitens einiger führender Nationen positive fiskalische Maßnahmen für eine nachhaltige Covid-19-Erholung gegeben. Bisher ist die Welt aber nicht in der Lage, dem vielfach beschworenen Streben nach einer grünen Erholung Taten folgen zu lassen, schreibt das Global Recovery Observatory. Vorbei ist die Chance aber noch nicht, sagt Brian O'Callaghan, leitender Forscher am Oxford University Economic Recovery Project und Autor des Berichts: „Trotz positiver Schritte in Richtung eines nachhaltigen Aufschwungs einiger führender Nationen ist die Welt bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Aber die Gelegenheit, klug in den Aufschwung zu investieren, ist noch nicht vorbei. Die Regierungen können diesen Moment nutzen, um langfristig wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Wohlstand zu sichern.“
Den gesamten Report „Are we building back better?“ des Global Recovery Observatory lesen Sie hier.