Energiewende Das Ende des Ölzeitalters hat bereits begonnen
Wie kann bis 2050 der Übergang zu einem klimaneutralen Energiesystem gelingen? Diese Frage steht im Zentrum des neuen, rund 220 Seiten umfassenden Berichts „Net Zero by 2050: a Roadmap for the Global Energy Sector“ der Internationalen Energieagentur (IEA). Als radikalste Maßnahme fordern die Experten, ab sofort keinerlei Investitionen in neue Öl- und Gasfelder zu tätigen und den Neubau konventioneller Kohlekraftwerke einzustellen. Bis 2035 sollten außerdem keine neuen Pkws mit Verbrennungsmotor verkauft und bis 2040 der globale Stromsektor bereits Netto-Null-Emissionen erreicht haben.
Die Chance auf Netto-Null-Emissionen bis 2050 sei zwar gering, aber immer noch erreichbar, sagte Fatih Birol, der Exekutivdirektor der IEA. „Das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Anstrengungen, die dieses gewaltige Ziel erfordert, machen dies zur vielleicht größten Herausforderung, der sich die Menschheit jemals gestellt hat", betonte er.
Neue Technologien notwendig
Der IEA-Plan sieht vor, dass der jährliche Zubau von Photovoltaikanlagen 630 Gigawatt und der von Windkraftanlagen 390 Gigawatt bis 2030 erreichen soll. Zusammen ist dies das Vierfache des Rekordzubaus aus dem Jahr 2020. Bei der Photovoltaik entspricht es in etwa der Installation des derzeit größten Solarparks der Welt – pro Tag. Gleichzeitig fordert die IEA eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz. Der größte Teil der globalen CO2-Reduzierung bis 2030 werde mit bereits verfügbaren Technologien zu erreichen sein. Später seien jedoch Technologien notwendig, die aktuell noch nicht marktreif sind.
Laut einer gemeinsamen Analyse mit dem Internationalen Währungsfonds sind bis 2030 jährliche Gesamtinvestitionen in erneuerbare Energie in Höhe von 5 Billionen US-Dollar nötig. Dadurch könnte das globale BIP-Wachstum um 0,4 Prozentpunkte pro Jahr steigen und nach Einschätzung der IEA Millionen von Arbeitsplätzen schaffen.
Ölpreis 2030 bei 35 US-Dollar pro Fass?
Bis 2050 wird die Energiewelt nach den Vorstellungen der IEA völlig anders aussehen als heute. Während die Bedeutung erneuerbarer Energien massiv steigt und auch Atomkraft eine geringe Rolle spielen wird, sinkt der Anteil fossiler Brennstoffe deutlich. Das Ende des Erdölzeitalters hat nach Einschätzung der IEA bereits begonnen. Der globale Ölverbrauch werde nie wieder das Niveau von 2019 erreichen. Die sinkende Nachfrage dürfte sich auch auf den Ölpreis auswirken: 2030 hält die IEA einen Preis von 35 US-Dollar pro Barrel für möglich – die Hälfte des heutigen Niveaus.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Der Rückgang der Öl- und Erdgasproduktion werde weitreichende Folgen für alle Länder und Unternehmen haben, die diese Brennstoffe fördern. Profitieren dürfte hingegen eine kleine Anzahl von Niedrigkostenproduzenten. Der Anteil der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) an einem stark reduzierten globalen Ölangebot könne von etwa 37 Prozent in den vergangenen Jahren auf 52 Prozent im Jahr 2050 steigen – ein Niveau, das höher ist als zu jedem anderen Zeitpunkt in der Geschichte der Ölmärkte.
Unterstützung für Entwicklungsländer
Eine Energiewende dieses Ausmaßes und dieser Geschwindigkeit kann der IEA zufolge nicht ohne die nachhaltige Unterstützung und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erreicht werden, deren Leben auf vielfältige Weise betroffen sein werden. „Unsere Roadmap zeigt, dass die enorme Herausforderung des schnellen Übergangs zu einem Netto-Null-Energiesystem auch eine große Chance für unsere Volkswirtschaften ist“, sagt Birol. „Der Übergang muss fair und inklusiv sein und darf niemanden zurücklassen. Wir müssen sicherstellen, dass die Entwicklungsländer die nötige Finanzierung und das technologische Know-how erhalten, um ihre Energiesysteme so auszubauen, dass sie die Bedürfnisse ihrer wachsenden Bevölkerungen und Volkswirtschaften auf nachhaltige Weise erfüllen.“
Der Sonderbericht der IEA soll als Informationsgrundlage für die im November stattfindende Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Glasgow (COP26) dienen. Er wurde als Beitrag zu den Verhandlungen von der britischen Regierungspräsidentschaft der COP26 angefordert.
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