LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
ANZEIGE

Mehr Transparenz durch ESG-Länderanalyse „Frontier-Märkte wie Costa Rica gewinnen an Wert“

Morgenstunde im Regenwald
Morgenstunde im Regenwald: Candriam ist kürzlich einer Initiative beigetreten, die darauf abzielt, Länderinvestments durch die Förderung einer nachhaltigen Landnutzung und Waldbewirtschaftung langfristig abzusichern. | Foto: IMAGO / VWPic
Kroum Sourov, ESG-Analyst bei Candriam

Herr Sourov, Candriam hat ein eigenes Modell zur Analyse der Nachhaltigkeit von Ländern entwickelt. Welche Länder stehen an der Spitze des Rankings? Welche haben sich in letzter Zeit verbessert oder verschlechtert?

Kroum Sourov: Spitzenreiter in unserer ESG-Länderanalyse ist die Schweiz, die in allen vier von uns untersuchten Kapitalarten – Natur-, Human-, Sozial- und Wirtschaftskapital – sehr gut abschneidet. Es folgen Schweden, Dänemark und Finnland. Unter den Top 10 finden sich auch das Großbritannien auf Platz 9 und Deutschland auf Platz 10.

Im Jahr 2020 haben wir unsere Methodik weiter feinjustiert und messen dem Umweltkapital in unserer Bewertung seither eine deutlich größere Bedeutung bei. Infolgedessen mussten Rohstoffländer wie Australien und Norwegen eine Verschlechterung ihrer Position im Ranking hinnehmen.

Womit hing dieser Abstieg zusammen? Könnten Sie das näher erläutern?

Sourov: Australien leidet unter seinem niedrigen Naturkapital-Score, der durch die hohen Treibhausgasemissionen des Landes bedingt ist. Es gehört weltweit zu den Schlusslichtern bei der Reduzierung des Treibhausgasausstoßes. In viel stärkerem Maße als seine Vergleichsgruppe ist das Land zudem auf Bergbau, darunter den Export von Kohle, angewiesen. Auch die Position Norwegens hat sich wegen der starken Nutzung natürlicher Ressourcen in unserem Ranking verschlechtert – was dem Image des Landes als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit nicht gerade zuträglich ist.

Welche Länder wiederum profitieren von der höheren Gewichtung des Umweltkapitals in der ESG-Analyse von Candriam?

Sourov: Von der stärkeren Betonung des Umweltschutzes in unserem ESG-Analysemodell profitieren einige Frontier-Märkte, wie beispielsweise Costa Rica. Das Verbot fossiler Brennstoffe in dem Land mit seinen fünf Millionen Einwohnern und das Versprechen, bis zum 15. September 2021 – dem 200. Jahrestag der Unabhängigkeitkohlenstoffneutral und frei von Einwegplastik zu sein, ist gut dokumentiert. Die überdurchschnittliche Bewertung des Naturkapitals im Vergleich zu den anderen Kapitalwerten in Ländern wie Costa Rica impliziert: Auch wenn die Schaffung von Human-, Sozial- und Wirtschaftskapital innerhalb der Vergleichsgruppen nur geringe Fortschritte macht, wird hier Wohlstand in Bezug auf das endliche Naturkapital, das zur Produktion dieser anderen Kapitalformen verbraucht wird, viel effizienter geschaffen. Die Folge: Frontier-Märkte wie Costa Rica gewinnen an Wert.

Inwieweit ist das Candriam-Modell genauer und gibt ein umfassenderes Bild als die ESG-Analyseansätze anderer Marktteilnehmer?

Sourov: Ganz wesentlich ist hierbei, dass unsere aktualisierte Methodik einen deutlich größeren Schwerpunkt auf den Klimawandel und den Erhalt der Umwelt legt. Die bisher vorherrschende Sichtweise von Nachhaltigkeit tendierte dazu, Umweltfaktoren oder Naturkapital als frei substituierbar mit den anderen Kapitalformen zu betrachten. Unser neues Rahmenwerk erkennt an, dass Naturkapital sich nicht durch andere Kapitalformen kompensieren lässt, da natürliche Ressourcen endlich sind und sich Schäden, die die Umwelt bei der Schaffung von Wohlstand erleidet, oft als irreversibel herausstellen.

Letztlich dürfte eine ESG-Länderanalyse den länderübergreifenden Großthemen Umweltschutz und Nachhaltigkeit auch eher gerecht werden, oder?

Sourov: In der Tat! Ein Land ist viel komplexer als ein Unternehmen und daher erfordert jeder Ansatz eine breite Sichtweise auf eine Vielzahl miteinander verbundener Faktoren, die seine Entwicklung beeinflussen. Die isolierte Betrachtung einiger weniger dieser Faktoren kann ein verzerrtes Bild ergeben. Unsere Datenbank enthält Zeitreihen von mehr als 400 Einzelfaktoren und bewertet die Relevanz jedes Faktors für jedes Land auf jeder Entwicklungsstufe und zu jedem Zeitpunkt der vergangenen zehn Jahre.

Sind eigentlich alle diese Faktoren gleich gewichtet? Worauf liegt der Fokus bei der Candriam-ESG-Länderanalyse?

Sourov: Bei unserem auf Wesentlichkeit basierenden Ansatz gewichten unsere Länderbewertungen diejenigen Faktoren am stärksten, die die zukünftige Entwicklung des Landes beeinflussen werden. Die Aspekte, die weniger Einfluss haben, werden hingegen niedriger gewichtet. Anders ausgedrückt: Der Anteil der Elektroautos in einem Land wie Norwegen kann uns einiges über Norwegen sagen, aber eine Statistik zu Elektromobilität sagt nichts über ein Land wie Uganda aus, in dem die Sicherung von Nahrungsmitteln von weitaus größerer Bedeutung ist.

Bei Unternehmen können Vermögensverwalter nicht nur durch den direkten Dialog mit dem Management Einfluss nehmen, sondern auch durch die Zusammenarbeit mit anderen Vermögensverwaltern im Rahmen von gebündelten Stewardship-Programmen. Wie sieht es mit der Einflussnahme auf die Regierungen von Ländern zur Förderung der Nachhaltigkeit aus? Hat das Asset Management auch hier Möglichkeiten?

Sourov: Länder sind in der Tat komplexere Ansprechpartner, wenn es darum geht, einen Dialog über Nachhaltigkeitsthemen zu führen. Als Emittenten von Anleihen durchlaufen Länder jedoch den gleichen Prozess, um Investoren anzuziehen und ihr Best-in-Class-Profil als Emittent langfristiger Anleihen zu fördern.

In diesem Zusammenhang bieten unsere auf Umwelt-, Sozial-, Human- und Wirtschaftskapital fokussierten Einschätzungen nützliche Ausgangspunkte, von denen aus ein Engagement initiiert werden kann. Ein wichtiges globales Problem ist beispielsweise die Abholzung von Wäldern – diese Thematik hat letztlich Auswirkungen in einer ganzen Reihe von Ländern rund um die Welt. Auch in solchen, die keinen Raubbau an der Natur betreiben, sondern unter den Umweltfolgen leiden. Aus diesem Grund hat Candriam kürzlich den Investors Policy Dialogue on Deforestation (IPDD) unterzeichnet. Der IPDD ist eine gemeinschaftliche Initiative, die darauf abzielt, die langfristige finanzielle Nachhaltigkeit in den Ländern, in denen die Unterzeichner investiert sind, durch die Förderung einer nachhaltigen Landnutzung und Waldbewirtschaftung sicherzustellen. Dieses Engagement wird durch unsere gründliche Analyse unterstützt.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen