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Milliardenschweres Klimaschutzpaket in den USA Zuckerbrot und Peitsche aus der Steckdose

121 Jahre alte Queensboro-Brücke in New York
121 Jahre alte Queensboro-Brücke in New York: Allein die Überholung der US-Strominfrastruktur wird mit mehr als 2 Billionen US-Dollar veranschlagt. | Foto: Imago Images / blickwinkel

Nur noch knapp drei Monate bis zu den US-Zwischenwahlen im November: Der Biden-Administration kommt es nicht ungelegen, dass sich die Inflation in den USA von 9,1 Prozent im Juni auf 8,5 Prozent im Juli verringert hat. Jetzt soll der Inflation Reduction Act, um den es ein langes innerparteiliches Tauziehen bei den Demokraten gab, die Inflation weiter drücken und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen.

Bérénice Lasfargues, BNPP AM

Das Gesetz, das auch die Themen Steuern und Gesundheit adressiert, wird als bislang wichtigstes Klimaschutzgesetz der USA angesehen. Es soll hohe Investitionen in erneuerbare Energien lenken, die als deflationäre Technologien gelten. Das Gesetz muss noch vom Repräsentantenhaus verabschiedet werden (was als Formalität gilt), bevor es in Kraft tritt.

„Das Gesetz ist zwar nicht so ehrgeizig wie Präsident Bidens ursprünglicher Multi-Milliarden-Dollar-Plan ,Build Back Better‘, hat aber das Potenzial, einen Wandel herbeizuführen“, sagt Bérénice Lasfargues, Sustainable Development Goals (SDG) Lead bei BNP Paribas Asset Management. Das Paket umfasst Anreize in Höhe von 369 Milliarden US-Dollar und fördert

  • die Bereitstellung von Strom aus erneuerbaren Energien
  • die Dekarbonisierung von Landwirtschaft und Industrie 
  • die Erhöhung der Investitionen in die Energieeffizienz
  • einkommensschwache Gemeinden, die sich an den Klimawandel anpassen müssen.

Kompromisse machten das Gesetz möglich

Um die Verabschiedung des Gesetzes zu gewährleisten, musste eine Reihe von Kompromissen erzielt werden. So wurden zwar die Ausweitung der Erschließung fossiler Brennstoffe und die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Öl- und Gaspipelines zugestanden. Gleichzeitig wurden jedoch im Bereich der Offshore-Windenergie Beschränkungen aufgehoben: Windparkbetreiber können jetzt auch vor den Küsten von Florida, Georgia, Nord- und Süd-Carolina sowie in den US-Territorien Puerto Rico, Guam, den Nördlichen Marianen, den US-Jungferninseln und Amerikanisch-Samoa ihre Projekte entwickeln.

 

Was bedeutet das Gesetz für die CO2-Emissionen?

„Erste Analysen deuten darauf hin, dass die Maßnahmen die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um 31 bis 44 Prozent gegenüber dem Stand von 2005 verringern würden“, unterstreicht Thibaud Clisson, Climate Change Lead bei BNP Paribas Asset Management. Dies sei eine erhebliche Verbesserung gegenüber der prognostizierten Reduktion um 24 bis 35 Prozent im Rahmen der derzeitigen Politik, aber noch weit entfernt von den mit Blick auf das Pariser Abkommen festgelegten Beitrag (Nationally Determined Contributions, NDC) der USA, der eine Verringerung um 50 bis 52 Prozent vorsieht.

Thibaud Clisson, BNPP AM

Bis das Paket zu einer messbaren Reduzierung der CO2-Emissionen (und der Inflation) führt, kann es eine gewisse Zeit dauern, da neue Windkraftprojekte Vorlaufzeiten brauchen. Außerdem wird es dauern, bis neue E-Autos die alten „Coal-Rollers“ auf dem Markt verdrängen. Und derzeit leidet auch die Branche der erneuerbaren Energien unter Problemen in der Lieferkette.

Die American Clean Power Association erwartet jedoch, dass die Pläne des Gesetzgebers die Investitionen in saubere Energien in den USA über kurz oder lang befeuern. „Auch wenn das Gesetz mehr Zuckerbrot als Peitsche ist, besteht der Unterschied zu früheren Steuergutschriften für saubere Energie darin, dass es nun eine längere Phase von Zuckerbrot und Peitsche gibt, die sich über einen Zeitraum von zehn Jahren erstreckt und den Investoren weitaus mehr Sicherheit bietet“, so Clisson.

Die US-Gesetzgebung lässt die Energieerzeugung aus fossilen Rohstoffen weiterhin zu. Letztlich soll der Markt entscheiden: Die Biden-Administration geht davon aus, dass Solar- und Windkraft einen immer größeren Beitrag zum Energiemix der USA leisten werden, weil die Kosten schon jetzt niedriger als bei Gas und Kohle liegen.

Strominfrastruktur bedarf dringender Sanierung

Grundvoraussetzung für das Gelingen der Energiewende in den USA sind indes weitreichende Maßnahmen hinsichtlich der Energieinfrastruktur. Ein Großteil befindet sich in einem desolaten Zustand. „Ohne eine Überholung der Strominfrastruktur – eine Aufgabe, die nach Ansicht einiger Experten mehr als 2 Billionen US-Dollar erfordert – könnte die verstärkte Nutzung sauberer Energien zum Scheitern verurteilt sein. Der Zustand des Netzes wird durch unzureichende Investitionen und das Alter unterstrichen, wie die Ausfälle bei den immer häufiger auftretenden schweren Wetterereignissen gezeigt haben“, erinnert Edward Lees, Co-Head und Portfoliomanager in der Environmental Strategies Group bei BNP Paribas Asset Management.

Edward Lees, BNPP AM

Immer mehr Bürger wollen daher bei der Energieversorgung möglichst autark sein. „Um den steigenden Tarifen der Energieversorger zu entkommen, lassen sich immer mehr US-Amerikaner Solaranlagen auf dem Dach installieren, wodurch sie reichlich Stromkosten einsparen“, beobachtet Lees. Weil zugleich die Kosten für den Betrieb eines Elektrofahrzeugs geringer sind als bei Benzinern, bleibt im Verbund mit staatlichen Anreizen für den Kauf eines neuen oder gebrauchten Elektroautos Geld für andere Ausgaben übrig. Lees ist sich sicher: „In Zukunft werden durch die Elektrifizierung und die weitere Verbreitung erneuerbarer Energien die Kosten weiter sinken.“

Die heutigen finanziellen Anreize dürften gut angelegt sein, denn der Klimawandel wird zu horrenden, teils jedoch vermeidbaren Kosten führen. „Naturkatastrophen kosteten die USA im Jahr 2021 über 300 Milliarden US-Dollar. Das Weiße Haus schätzt, dass dieser Betrag bis zum Jahr 2100 auf 2 Billionen US-Dollar pro Jahr ansteigen könnte“, rechnet Lees vor.

Und auch weltweit werden die Folgekosten des Klimawandels immens sein, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. Da die Erderwärmung die Auswirkungen wetterbedingter Naturkatastrophen verschärft, kann sie im Laufe der Zeit zu erheblichen Einkommens- und Produktivitätsverlusten führen. „Eine UCL-Studie sagt voraus, dass das weltweite BIP bis 2100 um 37 Prozent niedriger sein könnte als ohne die Auswirkungen der globalen Erwärmung. Die Volkswirtschaften in Asien wären am stärksten betroffen. China läuft Gefahr, in einem ernsten Szenario fast 24 Prozent seines BIP zu verlieren, während die größte Volkswirtschaft der Welt, die USA, fast 10 Prozent und Europa fast 11 Prozent verlieren könnten“, gibt Lees zu bedenken.

USA sind wichtiger Baustein im weltweiten Klimaschutz

Doch jetzt sind die USA mit ihren 330 Millionen Einwohnern im Kampf gegen den Klimawandel ein gutes Stück weiter gekommen. „Die Verabschiedung des Gesetzes könnte sich positiv auf die weltweiten Klimaschutzmaßnahmen auswirken, da die USA wieder als glaubwürdiger internationaler Partner im Kampf gegen den Klimawandel auftreten“, blickt Bérénice Lasfargues auf die UN-Klimakonferenz COP27 voraus, die vom 7. bis 18. November 2022 im ägyptischen Sharm El-Sheikh stattfindet.

Ihr Kollege Thibaud Clisson pflichtet bei: „Aus Sicht der Investoren könnte die Nachricht aus den USA zusammen mit dem kürzlich von Australien verabschiedeten Gesetz zur Senkung der Emissionen des Landes um 43 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2005 und der Verabschiedung des aktualisierten NDC durch das indische Kabinett zu erheblichen weiteren Möglichkeiten für Investitionen in saubere Energien führen – nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Ländern.“ 

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