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Bedeutung von ESG für das Länderrisiko „Naturkapital ist nicht austauschbar”

Ausritt für Kinder an einem Strand von Costa Rica
Ausritt für Kinder an einem Strand von Costa Rica: Der Fokus des Landes auf CO2-Neutralität hat dazu geführt, dass der Karibikstaat in einem Nachhaltigkeits-Ranking von Platz 41 auf Platz 17 klettern konnte. | Foto: IMAGO / imagebroker
Wim Van Hyfte, ESG-Stratege bei Candriam

Herr Van Hyfte, warum spielt das Naturkapital in Ihrem neuen Modell zur Nachhaltigkeitsbewertung eine so wichtige Rolle?

Wim Van Hyfte: Inzwischen wird allgemein anerkannt, dass das Naturkapital, also der Bestand natürlicher Ökosysteme als Grundlage wertvoller Ökosystem-Güter und -Dienstleistungen, endlich ist. Keine Einigkeit besteht allerdings darüber, wie viel Spielraum wir hier noch haben. Viele Umweltveränderungen sind unumkehrbar, manche unvorhersehbar und einige sind ohne jegliche Warnung eingetreten. Die zunehmende Häufigkeit von Umweltereignissen ist alarmierend. 

Was ist neu an Ihrem Nachhaltigkeitsmodell?

Van Hyfte: Das Vier-Säulen-Modell zur Nachhaltigkeit von Staaten ist weit verbreitet und wird nicht nur von Initiativen wie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), sondern auch von Investoren genutzt. Typischerweise ist das Modell so aufgebaut, dass die vier verbindlich anerkannten Formen des Kapitals – Naturkapital, Arbeitskraft, Sozialkapital und Wirtschaftswachstum – austauschbar sind, was von vielen Akademikern als „schwache Nachhaltigkeit“ beschrieben wird.

Wir hingegen sind der Ansicht, dass das Naturkapital nicht durch die anderen drei Kapitalformen ersetzt werden kann. Das definierende Element der „starken Nachhaltigkeit“ ist die Tatsache, dass Naturkapital nicht austauschbar ist.

Wie werden die Grenzen unserer Umwelt in diesem Modell berücksichtigt?

Van Hyfte: Wie in den meisten Modellen war es auch bei dem bisherigen ESG-Ländervergleich möglich, die vier Formen von Kapital zu substituieren und Naturkapital unbegrenzt zu nutzen. Die Werte sind als Durchschnitt der vier Arten von Kapital berechnet worden. In unserem neuen Modell hingegen wird das Naturkapital einerseits beschränkt, und andererseits seine Bedeutung hervorgehoben.

Der Wert, den jedes Land bei Nachhaltigkeit erreichen kann, wird jetzt berechnet aus dem Produkt des Naturkapitals multipliziert mit dem Durchschnitt der Werte aus den anderen drei Kapitalsäulen. Auf diese Weise kann ein Land seinen schlechten Wert beim Naturkapital nicht mehr ohne Weiteres durch ein besseres Ergebnis beim Wirtschaftswachstum ausgleichen. Das führte zu einigen Veränderungen bei den Platzierungen.

So wirken sich der hohe CO2-Fußabdruck und die Abhängigkeit Australiens von natürlichen Rohstoffen auf das Naturkapital des Landes aus, was sich in einer schlechteren Platzierung widerspiegelt. Im Gegensatz dazu hat der Fokus Costa Ricas auf CO2-Neutralität dazu geführt, dass das Land von Platz 41 auf Platz 17 kletterte.

Die Verfeinerung des Modells geht über die Gewichtung einzelner Säulen hinaus. Inzwischen sind immer mehr Informationen verfügbar, die wir in unsere Datenbanken und Modelleigenschaften integrieren können. Hinter jedem unserer 128 Nachhaltigkeitswerte für Länder sind mehr als 470 Faktoren hinterlegt. Dazu zählen beispielsweise: Der Zugang zu Elektrizität in ländlichen Gebieten, Verlust von Waldflächen, Infrastruktur und eine demokratische Regierungsführung. So entstehen informative Einblicke für weitergehende Analysen und Prognosen.

Wie gehen Sie mit den Unterschieden zwischen entwickelten und aufstrebenden Ländern um?

Van Hyfte: Ein weiterer wichtiger Fortschritt ist die Gewichtung von Faktoren und Themen anhand ihrer Bedeutung für die Volkswirtschaft. So werden Datensätze zu Elektrofahrzeugen in einem Land wie Norwegen stärker gewichtet, während Unterernährung in Uganda in den Fokus rückt. Daraus ergeben sich zwei Vorteile: Zum einen haben wir die Möglichkeit, entwickelte und aufstrebende Länder mit der gleichen Skala zu bewerten, zum anderen liefert die stärkere Relevanz des Modells Ergebnisse für anstehende Investitionsentscheidungen.

Was bringt die Nachhaltigkeitsanalyse von Staaten über die Risikoidentifikation hinaus?

Van Hyfte: Neben Risiken bietet jedes Land auch Chancen für Investoren. Unsicherheiten gibt es in allen erdenklichen Formen und Ausmaßen, und es wäre zu einfach, ESG bei der Analyse von Staatsanleihen als Möglichkeit zur Risikoverringerung heranzuziehen – insbesondere für die Rentenpapiere von aufstrebenden Nationen. Trotzdem geht es beim Investieren um die Festsetzung eines Preises für jene Risiken, die Anleger zugunsten von Rendite einzugehen bereit sind.

Wir können aber auch beobachten, wie gut Länder ihre Chancen nutzen, die sich ergeben. Diese tiefen Einblicke helfen unseren Analysten und Portfoliomanagern bei ihrer Research-Arbeit.

Lässt sich die Nachhaltigkeit von Staaten inzwischen schon bepreisen?

Van Hyfte: Die Eine-Million-Dollar-Frage! Unser Modell legt keinen direkten Preis für die Nachhaltigkeit von Staaten fest. Doch in jedem Länderwert steckt eine Menge an Informationen, die unsere Investment-Profis nutzen, um sich noch umfassender mit Chancen oder Risiken auseinanderzusetzen. In der Vergangenheit wurden außerfinanzielle Elemente in der Bonität von Schwellenländeranleihen nicht angemessen berücksichtigt. Diese Faktoren können sich jedoch sowohl verschlechtern als auch verbessern. Oft schlagen sie sich in den Anleihepreisen nieder, bevor sie in Wirtschaftsberichten zu lesen sind. Bei Investments bietet Wissen bekanntlich einen Vorsprung gegenüber anderen Marktteilnehmern – und das spiegelt sich auch in der Rendite.

Letzte Frage: Was bringt Ihr Nachhaltigkeitsmodell den Candriam-Anlegern?

Van Hyfte: Unsere Investmentphilosophie beruht auf Überzeugung und Verantwortung: Wir wollen die Gelder für den Weg in eine bessere Welt einsetzen und gleichzeitig unseren Investoren eine hohe Rendite ermöglichen. Mit unserem verbesserten Konzept zur ESG-Länderanalyse können wir kurz- und langfristige Aspekte miteinander verknüpfen. So ist es uns möglich, langfristige Trends in Staaten vorherzusagen.

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