Sven Stoll
07.02.2024

ETF der Woche Chancen mit Chips: Vom Hunger auf Halbleiter profitieren

Frau hält AI-Chip in der Hand
Frau hält AI-Chip in der Hand: Angesichts des derzeitigen Hypes um künstliche Intelligenz, die zukünftig noch an Bedeutung gewinnen dürfte, stehen Aktien von Chipproduzenten wieder im Mittelpunkt des Interesses.
© Sven Stoll mit Canva

Mikrochips sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken: Sie finden sich in Computern, Autos, Smartphones, Haushaltsgeräten, Kreditkarten und vielem mehr. Mit dem Aufstieg der künstlichen Intelligenz (KI) stehen wir erst am Anfang eines tiefgreifenden Wandels, von dem viele Technologieunternehmen enorm profitieren dürften. Unternehmen wie Nvidia, Microsoft, Amazon und Alphabet werden an der Börse bereits gefeiert.

Chancen und Wachstum: Warum die Halbleiterbranche im Fokus steht

Der amerikanische S&P 500 stieg im vergangenen Jahr um rund 19 Prozent, der Nasdaq 100 um mehr als die Hälfte. Zum Jahresende stand beim Tech-Index ein Plus von 54 Prozent auf der Kurstafel. Mit einem Plus von weit über 60 Prozent lieferte der MSCI Semiconductors Index eine noch höhere Jahresrendite. Die Chipindustrie gilt als besonders aussichtsreich, denn sie ist die Basis für den digitalen Wandel.

Der Hype um künstliche Intelligenz war einer der Hauptfaktoren für die starke Performance im vergangenen Jahr. Unternehmen wie Microsoft und Alphabet investierten Milliarden in KI-Entwickler und integrierten neue KI-Modelle in ihre Produkte.

Die Chiphersteller profitieren aber nicht nur von KI-Anwendungen, sondern auch vom boomenden Cloud Computing. Das Training riesiger KI-Modelle erfordert enorme Rechenleistung, was zu einer starken Nachfrage nach leistungsfähigen Chips führt. Nvidia hat einen Marktanteil von über 90 Prozent bei CPUs, die sich besonders für solche KI-Anwendungen eignen. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlichen das Ausmaß dieser Nachfrageexplosion. Im zweiten Quartal 2023 verzeichnete Nvidia eine Verdoppelung und im dritten Quartal sogar eine Verdreifachung des Umsatzes aufgrund von Aufträgen großer Cloud-Player wie Azure und AWS.

2024: Auf dem Weg zu neuen Höhen?

Die Aussichten für die Chipbranche bleiben auch 2024 vielversprechend, insbesondere wenn das Thema künstliche Intelligenz (KI) die Investoren weiterhin begeistern kann. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn generative KI hält zunehmend Einzug in verschiedene Anwendungsbereiche, die wir täglich nutzen. Von Suchmaschinen über Bürosoftware und Kommunikationstools bis hin zu Mediengestaltung und Forschung ist sie auf dem Vormarsch.

Die renommierten Marktforscher von Gartner halten generative KI für den wichtigsten Technologietrend des neuen Jahres. Sie beziffern das Umsatzpotenzial allein im Bereich der KI-Anwendungen auf 298 Milliarden US-Dollar, was einem Wachstum von 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Die österreichische Unternehmensberatung McKinsey & Company geht davon aus, dass der Umsatz der gesamten Chipindustrie in diesem Jahrzehnt jährlich um 6 bis 8 Prozent wachsen wird. Robert Kraus, Leiter des Fachverbands Halbleiter im Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) und CEO des Münchner Elektronikherstellers Inova Semiconductors, ist überzeugt, dass sich der weltweite Halbleitermarkt bis 2030 auf rund eine Billion US-Dollar verdoppeln wird.

Die Treiber des Wachstums für Mikrochips bis 2030

Das erwartete Wachstum bis 2030 wird maßgeblich von drei Schlüsselbereichen getragen:

  • Halbleiter für die Autoindustrie: Die Elektrofahrzeugwelle und die Anforderungen des hochautomatisierten Fahrens schaffen einen erhöhten Bedarf an Steuerungselektronik.
  • Computing und Datenspeicher: Die Nachfrage nach zusätzlichen Serverkapazitäten für KI-Anwendungen und Cloud-Dienste treibt das Wachstum in diesem Bereich.
  • Chips für drahtlose Kommunikation: Der Ausbau des 5G-Netzes und weiterhin starke Smartphone-Verkäufe, besonders in Schwellenländern, sind entscheidende Treiber.

Doch was sind eigentlich Halbleiter?

Halbleiter sind essenzielle Materialien in der Elektronikindustrie, da sie eine besondere Eigenschaft besitzen: ihre Leitfähigkeit kann je nach äußeren Einflüssen wie Temperatur oder angelegter Spannung variiert werden. Im Gegensatz zu Leitern wie Metallen oder Nichtleitern wie Isolatoren weisen Halbleiter eine mittlere elektrische Leitfähigkeit auf. Diese Eigenschaft ermöglicht es, elektrischen Strom zu steuern und zu modulieren, was für zahlreiche Anwendungen in der Elektronik unerlässlich ist.

 

Indexfonds als Zugang zur Halbleiterbranche

Für Anleger, die sich nicht mit einzelnen Aktien beschäftigen möchten, bieten Indexfonds (ETFs) eine  Möglichkeit, gezielt auf die Halbleiterbranche zu setzen. Mit vier ETF-Anbietern, die entsprechende Produkte im Angebot haben, gibt es zumindest einige Optionen, die zur Auswahl stehen. Allerdings gilt es genau hinzuschauen, da sich die angebotenen ETFs in ihrer Zusammensetzung und Größe deutlich unterscheiden.

Vergleich der verfügbaren ETFs

  • Vaneck Semiconductor ETF: Mit einem Fondsvolumen von 1,1 Milliarden Euro ist dieser ETF das Schwergewicht unter den Halbleiter-ETFs. Er bietet Anlegern mit 25 Titeln ein breites Engagement im Halbleitersektor und ist daher beliebt bei Anlegern, die auf die Wachstumsaussichten der Branche setzen möchten.
  • iShares MSCI Global Semiconductors ETF: Als zweitgrößter ETF in diesem Bereich bietet der iShares-ETF eine gute Alternative. Auch wenn sein Fondsvolumen mit 596 Millionen Euro nicht ganz so hoch ist wie das des Vaneck ETF, bietet er mit mehr als 300 verschiedene Halbleiterunternehmen auf der ganzen Welt eine sehr breite Streuung.
  • Amundi MSCI Semiconductors ESG Screened ETF: Er ist der älteste ETF seiner Kategorie. Ursprünglich im März 2007 als Lyxor MSCI Taiwan ETF aufgelegt, wurde er im Februar 2019 auf eine reine Halbleiterstrategie umgestellt. Sein Fondsvolumens ist mit 128 Millionen Euro relativ klein. Dafür bietet dieser ETF eine ESG-Screening-Komponente, die für nachhaltig orientierte Anleger interessant sein könnte.
  • HSBC Nasdaq Global Semiconductor ETF: Mit einem Fondsvolumen von nur 25 Millionen Euro ist der HSBC-ETF der kleinste Spieler in diesem Sektor. Der zugrunde liegende Index ist ein Subindex des Nasdaq Global Index und bildet die Wertentwicklung der 80 weltweit größten Halbleiterunternehmen ab.

Regionale Schwerpunkte der Halbleiterwelt

Regional unterscheiden sich die Produkte nur wenig voneinander. Die Chip- und Halbleiterbranche ist zweifellos eine global vernetzte Industrie, allerdings ragen einige Regionen besonders heraus, wenn es um Innovation, Produktion und Wettbewerbsfähigkeit geht.

Die wichtigsten Regionen der Halbleiterwelt, die sich auch in den ETFs widerspiegeln:

  • USA, Silicon Valley: Die USA sind das Epizentrum der Chip- und Halbleiterindustrie. Mit Giganten wie Intel, Nvidia, AMD und Qualcomm, die ihre Hauptquartiere hier haben, ist die USA führend in Forschung, Entwicklung und Produktion von Halbleitern. Das berühmte Silicon Valley in Kalifornien ist weltweit bekannt für seine hohe Konzentration an Technologieunternehmen, darunter auch bedeutenden Halbleiterherstellern.
  • Taiwan, Heimat von TSMC: Taiwan beherbergt eines der größten Halbleitercluster der Welt, insbesondere im Hsinchu Science Park. Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), der weltweit größte Auftragsfertiger von Halbleitern, hat seinen Hauptsitz hier. Die taiwanesische Halbleiterindustrie ist für ihre fortschrittliche Fertigungstechnologie und ihre starke Präsenz im globalen Markt bekannt.
  • Südkorea, Samsung und Speicherchips: Südkorea ist ein weiteres wichtiges Zentrum für die Chip- und Halbleiterproduktion. Unternehmen wie Samsung Electronics und SK Hynix spielen eine bedeutende Rolle im globalen Halbleitermarkt. Samsung ist besonders bekannt für seine führende Position in der Produktion von Speicherchips wie NAND-Flash-Speicher und DRAM.
  • Europa, deutsche Ingenieurskunst und Innovation: Obwohl Europa nicht die gleiche Dominanz wie die USA oder Asien aufweist, spielt es dennoch eine wichtige Rolle in der Halbleiterbranche. Länder wie Deutschland, Frankreich und die Niederlande beherbergen eine Vielzahl von Halbleiterunternehmen und Forschungsinstituten. Unternehmen wie Infineon (Deutschland) und ASML (Niederlande) sind bedeutende Akteure in der Branche.
  • China, Aufstieg zur Halbleitermacht: China hat in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um seine eigene Halbleiterindustrie aufzubauen und zu stärken. Unternehmen wie die Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC) und Huawei's HiSilicon spielen eine zunehmend wichtige Rolle im chinesischen Halbleitermarkt. Die chinesische Regierung hat Halbleiter als strategische Industrie eingestuft und investiert stark in Forschung, Entwicklung und den Aufbau von Produktionskapazitäten.

Die Rolle der Gewichtungsmethodik

In jüngster Zeit konnte sich der Amundi-ETF in Bezug auf seine Performance deutlich von seinen Mitbewerbern abheben. Doch was genau macht den Unterschied aus?

Quelle Fondsdaten: FWW 2024
Amundi MSCI Semiconductors ESG Screened UCITS ETF
  • Ertragsverwendung: thesaurierend
  • ISIN: LU1900066033
  • Performance YTD: 13,74%
  • Performance 1 Jahr: 60,21%
  • Performance 3 Jahre: 57,17%
  • Sharpe Ratio 3 Jahre: 0,49
  • Sum. lfd. Kosten: 0,35%
  • Volatilität 3 Jahre: 30,50%
  • Volumen in Mio. EUR: 128

Der Amundi-ETF hat in diesem Jahr bereits einen Performancevorsprung von rund 4 Prozent gegenüber dem zweitplatzierten Vaneck-ETF. Auf Sicht von einem Jahr beträgt die Differenz fast 10 Prozent. Interessanterweise ist dieser Unterschied weder auf die Kosten noch auf die nachhaltigen Ausschlusskriterien zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Gewichtungsmethodik.

Grundsätzlich enthalten alle vier ETFs nahezu identische Aktien. Der Amundi-ETF folgt jedoch einem Index, der streng nach Marktkapitalisierung gewichtet ist. Das bedeutet, dass Unternehmen mit einem höheren Börsenwert ein entsprechend höheres Gewicht im ETF bekommen. So ist Nvidia, das in den vergangenen Monaten alle anderen Unternehmen an der Börse überflügelt hat und nun eine Marktkapitalisierung von über einer Billion Euro aufweist, derzeit fast dreimal so stark gewichtet wie die nächstplatzierte Aktie von Broadcom. Die Gewichtung liegt bei 32,00 Prozent, die von Broadcom bei 9,90 Prozent. Auf Position drei folgt der taiwanische Chiphersteller Taiwan Semiconductor (TSMC) mit 9,81 Prozent. Die Kursrally von Nvidia, immerhin hat die Aktie auf Jahressicht um 220 Prozent zugelegt, schlägt sich stärker in der ETF-Performance nieder.

 

VanEck, iShares und HSBC: Kappungsgrenze bei der Gewichtung

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Im Gegensatz dazu haben sich Vaneck, iShares und HSBC für Indizes mit einer Kappungsgrenze entschieden. Die fünf größten Werte dürfen bei der Rebalancing nicht mehr als jeweils acht Prozent des Index ausmachen, alle anderen Aktien nicht mehr als jeweils fünf Prozent. Die Zusammensetzung wird vierteljährlich überprüft und gegebenenfalls angepasst. Die Folge des Caps: Nvidia ist bei Vaneck und iShares derzeit nur mit 9,7 beziehungsweise 6,7 Prozent gewichtet. Zwar hat auch der dem Amundi-ETF unterliegende Index eine Deckelung. Diese greift jedoch erst ab einer Gewichtungsobergrenze von 35 Prozent.

Die Entscheidung, in einen ETF ohne Cap zu investieren, hängt schlussendlich von der persönlichen Risikofähigkeit und der Gewichtung im eigenen Depot ab. Wenn einige wenige Aktien sehr gut laufen, können sie den gesamten ETF nach oben ziehen, aber auch nach unten, wenn sie fallen. Die ETFs von Vaneck, iShares und HSBC begrenzen das Engagement in einzelne Emittenten und entsprechen damit eher dem Grundgedanken von Indexfonds, eine breitere Streuung zu bieten.

Insgesamt verdeutlicht der Performancevorsprung des Amundi-ETFs gegenüber der Konkurrenz die Bedeutung der Gewichtungsmethodik bei der Auswahl eines ETFs und unterstreicht die Vielfalt der Anlagestrategien, die Investoren im Halbleitersektor zur Verfügung stehen. Letztendlich bleibt es jedoch dem Anleger überlassen, die für ihn am besten geeignete Strategie auf Basis seiner individuellen Anlageziele und Risikotoleranz auszuwählen.

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