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Halbleiter-Aktien „Auf lange Sicht bleibt die Chip-Industrie robust“

Spatenstich für die „größte Chip-Fabrik des Planeten“ in Ohio, USA
Spatenstich für die „größte Chip-Fabrik des Planeten“ in Ohio, USA: Intel baut für mehr als 20 Milliarden US-Dollar zwei Chipfabriken in den USA. | Foto: Imago Images / ZUMA Wire
Tracy Pamperl

: Mitte September setzten wir unseren fundamentalen Ausblick für die Halbleiterindustrie auf „rückläufig“, da wir eine Verlangsamung der Nachfrage erwarteten und weil zugleich die Lagerbestände in verschiedenen Endmärkten und Vertriebskanälen weit über den historischen Durchschnittswerten lagen. Nur wenige Wochen später hat sich diese fundamentale Einschätzung bestätigt: Mehrere Chipunternehmen melden deutlich schwächere Ergebnisse oder kündigen deutlich niedrigere Prognosen an.

Welche Unternehmen trifft es besonders?

: Diejenigen, die am meisten zu leiden haben verkaufen ihre Produkte wie PCs, Drucker, Spielkonsolen und Smartphones in erster Linie in Endverbrauchermärkten. Betroffen sind vor allem die Hersteller von Hauptprozessoren, den CPUs, und Grafikprozessoren, den GPUs. Sobald jedoch die Verkäufe von Wohnimmobilien aufgrund steigender Zinssätze weiter zurückgehen werden, könnten auch andere Endmärkte für Halbleiter, darunter Haushaltsgeräte und Heimelektronik, eine geringere Nachfrage verzeichnen.

Kommt die Entwicklung überraschend? Gab es Warnzeichen?

Michael Heenan

: Bereits Anfang September haben wir gesehen, dass es Anlass zur Sorge gab. Daher haben wir unseren fundamentalen Ausblick gesenkt. Wir haben beobachtet, dass sich die Lagerbestände in mehreren Endmärkten von Quartal zu Quartal erhöhten und eine Reihe von Unternehmen ihre Prognosen nach unten korrigierten, weil die Geschäftsführungen angesichts der makroökonomischen Aussichten vorsichtiger wurden.

Unsere skeptische Einschätzung des Halbleitermarktes wurde nochmals bestätigt, als das Technologieforschungs- und -beratungsunternehmen Gartner seine Prognose für die weltweiten IT-Ausgaben im Vergleich zum Vorquartal senkte und seine Umsatzprognose für den globalen Halbleitermarkt zusammenstrich. Vor dem Hintergrund der hohen Lagerbestände auf allen Vertriebsebenen und der Erwartung einer langsameren Nachfrage, insbesondere bei PCs und Smartphones, gehen wir von einem weiteren Preisverfall aus. Schon jetzt geben insbesondere die Preise für Speicherchips wegen der mangelnden Nachfrage stark nach. 

Zunehmend gewinnen geopolitische Überlegungen Einfluss auf den Handel. Wie wirkt sich dieses heikle Thema auf die Chip-Industrie aus?

: Regulatorische Beschränkungen sind zwar schon seit vielen Jahren eine Bedrohung für die gesamte Halbleiterindustrie. Doch seit einigen Quartalen gewinnen Regulierungsvorgaben zunehmend an Aufmerksamkeit. So hat die US-Regierung vor kurzem neue Exportbeschränkungen für den Verkauf von Chips und Halbleiterausrüstungen der neuesten Generationen nach China angekündigt, sofern keine Lizenz des US-Handelsministeriums vorliegt. Diese Exportbeschränkungen werden wahrscheinlich auch die globale Nachfrage nach Wafer-Fertigungsanlagen und Hochleistungs-Chips für Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz bremsen. Es handelt sich hier um eine weitere negative Entwicklung für die Chip-Hersteller. Sie kommt zu der bereits schwächelnden Nachfrage hinzu.

 

Über kurz oder lang muss es aber doch wieder aufwärts gehen: Klagt die Autoindustrie nicht über einen gravierenden Chip-Mangel?

: In der Tat, die Nachfrage nach Halbleitern seitens der Cloud-Anbieter und der Fahrzeughersteller zeigt sich derzeit relativ stark. Doch aufgrund der erhöhten makroökonomischen Unsicherheit halten wir es für wahrscheinlich, dass alle Endmärkte, einschließlich des Cloud- und des Automobilmarktes, einen Nachfragerückgang erleben werden. Angesichts der starken Nachfrage von Autohäusern rechnen wir immerhin mit einer Wiederauffüllung der Händlerbestände. Das dürfte zumindest kurz- bis mittelfristig die Halbleiternachfrage stützen.

: Wir gehen davon aus, dass die Zyklizität in der Halbleiterindustrie fortbesteht. Die in den vergangenen zehn Jahren gesehene Konsolidierung innerhalb des Sektors wird wahrscheinlich dazu führen, dass frühere Unwuchten in der Produktion – also in Spitzenzeiten eine zu hohe Nachfrage, dann wieder leidige Unterauslastung – seltener auftreten. Die Zulieferer können ihre Produktion besser regulieren, um sie an die Nachfrage anzupassen und die Lagerbestände ihrer Vertriebspartner im Gleichgewicht zu halten.

: Längerfristig erwarten wir, dass der Halbleitermarkt insgesamt weiter wachsen wird. In immer mehr Produkten kommen immer komplexere Mikroprozessoren zum Einsatz, sei es in E-Fahrzeugen, beim Streaming, bei Smart-City-Anwendungen oder im Bereich der Steuerung erneuerbarer Energien. Somit gehen wir trotz aller kurzfristigen Herausforderungen davon aus, dass die Chip-Industrie auf lange Sicht durchaus robust bleiben wird.

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