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Nachhaltige Ernährung Die Zukunft schmeckt nach Dreierlei

Vorbereitung von Take-Away-Essen im chinesischen Xian
Vorbereitung von Take-Away-Essen im chinesischen Xian: Die chinesische Regierung plant, den durchschnittlichen Fleischkonsum ihrer Bürger bis 2030 zu halbieren. | Foto: Imago Images / Xinhua
Euan Ker, Aegon Asset Management

Eine Weltbevölkerung von 10 Milliarden Menschen, die nach UN-Angaben bereits im Jahr 2050 auf unserem Planeten leben wird (dessen Durchmesser nur 12.742 Kilometer beträgt – deutsche Autofahrer legen jährlich im Schnitt 11.733 Kilometer mit ihrem Pkw zurück), macht Umstellungen bei der Ernährung der Menschheit erforderlich, stellt das World Resources Institute (WRI) fest. Die Umweltdenkfabrik sieht drei Hauptprobleme, die im Zusammenhang mit den künftigen Anforderungen an die Ernährung unseres Planeten bewältigt werden müssen:

- Nahrungsmittellücke: Das WRI schätzt, dass wir bis zum Jahr 2050 56 Prozent mehr Erntekalorien benötigen werden, als im Jahr 2010 produziert wurden.

- Landlücke: 593 Millionen zusätzliche Hektar werden benötigt, um Pflanzen anzubauen (wobei der größte Teil als Weideland für die Fütterung von Tieren genutzt werden muss; eine Fläche, die doppelt so groß ist wie Indien).

- CO2-Lücke: Die Differenz zwischen den voraussichtlichen jährlichen CO2-Emissionen aus Landwirtschaft und Landnutzung im Jahr 2050, die auf 15 Gigatonnen Kohlendioxidäquivalent (Gt CO2-e) geschätzt wird, und einem Ziel von 4 Gt, das den proportionalen Beitrag der Landwirtschaft zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter 2°C darstellt. Die Lücke wird daher auf 11 Gt geschätzt.

Die Nahrungsmittellücke: Aufklärung, Innovationen, Verschwendungsstopp

Wie lässt sich die Agrarindustrie dekarbonisieren? Das ist eine Frage, die vielen politischen Entscheidungsträgern schwerfällt. Die Landwirtschaft hat enorme Auswirkungen auf die Umwelt, denn sie verursacht rund 24 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen und beansprucht zudem enorme Land- und Wasserressourcen. Aber was wir essen, ist eine persönliche Entscheidung und wird es auch bleiben.

Der Versuch, den Menschen diese persönliche Entscheidung abzunehmen, wäre, gelinde gesagt, politischer Selbstmord! Tatsächlich hat nur China eine Politik entwickelt, die direkt auf die Ernährung der Bevölkerung abzielt: Die chinesische Regierung plant, den durchschnittlichen Fleischkonsum ihrer Bürger bis 2030 zu halbieren.

Die Lösung des Problems besteht also darin, den Verbrauchern eine größere Auswahl und mehr Informationen über ihre Essgewohnheiten zu bieten. Der Markt für Milchalternativen beweist, dass der Wandel bereits in vollem Gange ist: Der Sektor ist in den vergangenen zehn Jahren rasant gewachsen und machte laut Statista bereits im Jahr 2020 rund 14 Prozent des weltweiten Umsatzvolumens aus.

Bei alternativen Fleischsorten ist die Lebensmittelindustrie noch nicht so weit, aber es fließen beträchtliche Kapitalmittel in den Ausbau pflanzlicher Lösungen. Unternehmen wie Impossible Foods und Beyond Meat wollen mit fleischlosem Fleisch eine Alternative zu übermäßigem Fleischkonsum bieten. Und sogar das größte fleischverarbeitende Unternehmen der Welt, JBS, stellt jetzt pflanzliche Burger her.

Während viele pflanzliche Ersatzprodukte bereits in den Supermarktregalen zu finden sind, wird die breite Verfügbarkeit von Fleisch aus Zellkultur noch einige Jahre auf sich warten lassen. Bei diesem Fleisch werden tierische Muskelzellen verwendet, um echtes Fleisch zu züchten, das ohne die Probleme der traditionellen Fleischproduktion (Massentierhaltung, Emissionen und Flächenverbrauch) auskommt. Im Jahr 2040 könnten 35 Prozent des weltweit konsumierten Fleisches aus Zellkulturen stammen, schätzt das US-Beratungsunternehmen Kearney ein.

Memphis Meats stellt bereits jetzt Chicken Nuggets und Rindfleischbällchen auf pflanzlicher Basis her. Finless Foods arbeitet derzeit an der Entwicklung eines Blauflossenthunfisch-Imitats, und BlueNalu arbeitet an der Herstellung von verschiedenen Arten von Meeresfrüchten in Zellkultur mit dem Ziel, weltweiter Marktführer zu werden. 2021 Jahr wurde in Singapur das weltweit erste Fleisch aus Zellkultur von einem US-Start-up-Unternehmen namens Eat Just für den öffentlichen Verkauf zugelassen.

Und letztlich können die heute produzierten Lebensmittel noch besser genutzt werden. Nach WIR-Angaben wird fast ein Viertel der produzierten Lebensmittel in der einen oder anderen Form verschwendet. Ineffizienzen können somit entlang der gesamten Lebensmittelkette angegangen werden. Das Recyclingunternehmen Tomra Systems bietet beispielsweise Sortier- und Klassifizierungslösungen an, die dazu beitragen, die Erträge produzierter Lebensmittel um 5 bis 10 Prozent zu steigern. Die flächendeckende Umsetzung solcher Lösungen, bei denen – früher undenkbar – auch etwas stärker gekrümmte Bananen in den Verkauf kommen, könnte das Problem der Lebensmittelverschwendung eindämmen.

Die Landlücke: Präzisions- und vertikale Landwirtschaft

Alle drei oben genannten Themen sind keine separaten Herausforderungen, sondern sie sind eng miteinander verknüpft. Wenn wir anfangen, den Fleischkonsum in seiner jetzigen Form zu reduzieren, dann löst sich die Landlücke von selbst. Schätzungen zufolge beansprucht die Viehzucht 30 Prozent der Landfläche des Planeten und ist für 78 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Bodennutzung verantwortlich.

Abhilfe könnte das Aufkommen der Präzisionslandwirtschaft als ein wichtiges Nachhaltigkeitsthema schaffen. Die Präzisionslandwirtschaft (englisch: Precision Farming) nutzt Technologien und Daten, um Effizienz und Produktivität der Landwirtschaft zu optimieren. Sie umfasst eine Reihe verschiedener Ansätze wie Satellitendaten, Drohnen, Sensoren, Automatisierung und Robotik.

Neben der Reduzierung des Flächenverbrauchs kann Precision Farming auch den Bedarf an Wasser und Chemikalien verringern. Ein Beispiel dafür ist Blue River Technology, die 2017 von Deere & Co übernommen wurde. Blue River nutzt maschinelles Lernen und Computer Visioning in Verbindung mit Traktoren und Drohnen, um Felder auf Ebene der einzelnen Pflanzen zu verwalten. Das Unternehmen konnte den Einsatz von Herbiziden um 90 Prozent reduzieren, indem es jede einzelne Pflanze anvisiert und Pflanzenschutzmittel dosiert, anstatt ineffizient die gesamte Feldfläche zu besprühen.

Vertikale Landwirtschaft ist ein weiterer interessanter Bereich, den man im Blick behalten sollte. Sie erfordert eine kontrollierte Innenraumumgebung, in der die Pflanzen auf einer Reihe von übereinanderliegenden Schichten angebaut werden. Mit dieser neuen technologiegestützten Landwirtschaftsform können Pflanzen in Städten und anderen agrarwirtschaftlich bislang nicht nutzbaren Gebieten unabhängig von Klimaveränderungen angebaut werden. Studien zufolge kann pro vertikaler Schicht ein Vielfaches an Ertrag erzielt werden als im konventionellen Ackerbau.

Allerdings befindet sich die Branche noch in einem sehr frühen Stadium (sie konzentriert sich derzeit vor allem auf Mikrokräuter und Blattgemüse) und steht vor ihren eigenen ökologischen Herausforderungen, wie beispielsweise dem Stromverbrauch für die Beleuchtung.

CO2-Lücke: Produktkennzeichnungen sorgen für Transparenz

Neue und effizientere Anbaumethoden werden dazu beitragen, die CO2-Lücke zu schließen.

Das letzte Puzzlestück könnte darin bestehen, die Verbraucher über den ökologischen Fußabdruck ihrer Entscheidungen zu informieren. In einer vom Beratungsdienstleister Carbon Trust im Jahr 2020 in Auftrag gegebenen Umfrage wurde eine große Anzahl von Verbrauchern in ganz Europa befragt und festgestellt, dass mehr als zwei Drittel die Einführung eines CO2-Rankings von Produkten unterstützen würden. Mehrere Marken haben bereits mit der Kennzeichnung begonnen oder planen die Einführung dieser Idee. So versieht der Fleischersatz-Hersteller Quorn seine beliebtesten Produkte bereits mit Etiketten, die den CO2-Fußabdruck dokumentieren. Oatly, eine beliebte Hafermilchmarke, hat 2019 mit der Verwendung von entsprechenden Etiketten begonnen. Und sogar Unilever, einer der weltweit größten Konsumgüterkonzerne, hat es sich zum Ziel gesetzt, alle seine Produkte damit zu kennzeichnen.

Angesichts der großen Bewegung im Markt könnte eine Speisekarte zukünftig vielleicht so aussehen:

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