ESG-Analystin von Union Investment Frauen in Vorständen – es bleibt viel zu tun
Es ist ein bekanntes Thema: In deutschen Vorständen sind Frauen nach wie vor rar. Abhilfe schaffen soll ein Gesetz, das Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II). Zum 1. August 2021 in Kraft getreten gewährt es Unternehmen zunächst noch eine einjährige Übergangsfrist. Danach sollen alle hiesigen börsennotierten Unternehmen mit mehr als drei Vorständen mindestens einen dieser Posten mit einer Frau besetzen.
Zum 1. August 2022 endet nun die Übergangsfrist. Wie die Lage in den Unternehmen aktuell aussieht, hat Kristina Kern untersucht. Die Analystin von Union Investment nähert sich der Frage aus Perspektive des Investors, der seit einiger Zeit vermehrt Wert auf Aspekte der Nachhaltigkeit legt. In der Nachhaltigkeitsformel ESG steckt mit dem „S“ für „sozial“ unter anderem die Forderung nach einer Geldanlage, die den sozialen Ausgleich fördert – was auch Geschlechtergerechtigkeit im Management umfasst.
„Unternehmen, die beim Thema diversere Vorstandsbesetzung ihre Hausaufgaben nicht machen, dürften es auch am Kapitalmarkt schwerer haben“, schätzt Kern. Die Analystin hat sich die deutsche Unternehmenslandschaft mit Blick auf die bevorstehende Anwendungspflicht des FüPoG II angesehen. Im vergangenen März, vor Inkrafttreten des Gesetzes, habe es deutschlandweit 24 Unternehmen gegeben, die die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt hätten, so Kern: Sie waren börsennotiert und hatten mehr als drei Vorstände, die rein männlich besetzt waren.
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Bei immerhin zwölf Unternehmen sei dagegen alles beim Alten geblieben. Ihnen könnte das FüPoG II noch Probleme bereiten, meint Kern. Die Analystin räumt ein: Bei einigen Unternehmen stehen laufende Vorstandsverträge einer kurzfristigen Umbesetzung entgegen. Auch gestatte es das Gesetz noch bis August, bestehende Vorstandsverträge weiter zu verlängern – womit sich die neuen Vorschriften auf den letzten Metern vorübergehend noch umgehen ließen.
Das jedoch wäre jedoch kaum im Sinne der auf Nachhaltigkeit blickenden Investoren, stellt Kern klar. Außerdem stellte es ein Risiko für die Unternehmen dar. „Wenn ein Vorstandsposten nach Ablauf der Übergangsfrist im August 2022 frei wird, kommt nur eine weibliche Nachbesetzung in Frage“, so Kern. Solange keine geeignete Frau gefunden werde, bleibe die Vorstandsstelle danach unbesetzt – mit allen potenziell negativen Folgen für das Geschäft.
Um erst gar nicht in die Bredouille zu geraten, sollten Unternehmen am besten schon vorausschauend eine Liste potenzieller Vorstandskandidatinnen anlegen – und dazu Talente im eigenen Hause fördern, rät die ESG-Analystin. „Eine langfristig und divers ausgerichtete Nachfolgeplanung hilft, ein mögliches Management-Vakuum zu verhindern“, mahnt Kern.