DAS INVESTMENT: Professor Shiller, in Ihrem jüngsten Buch „Narrative Wirtschaft“ stellen Sie die These auf, dass Geschichten und sogenannte Narrative die Wirtschaft nachhaltig beeinflussen. Welche Erzählung birgt denn gerade die größte Sprengkraft?
Robert J. Shiller: Die Inflation ist so ein Narrativ. Menschen denken viel über sie nach, weil sie bei jedem Einkauf Preise sehen. Manche waren jahrelang stabil, steigen nun aber. Daraus wird schnell eine kraftvolle Erzählung. Übrigens besonders in Deutschland, wo die Hyperinflation von 1921 bis 1923 zu viel Unzufriedenheit führte.
Herr Schumacher, warum ist die Inflation rund um den Globus ein so großes Thema?
Dirk Schumacher: Je nachdem, wie sie sich weiterentwickelt, müssen die Zentralbanken ihren Kurs mehr oder weniger radikal ändern. Ihr Spielraum hängt mit der Einschätzung der mittelfristigen Inflationsentwicklung zusammen – und damit die weitere...
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DAS INVESTMENT: Professor Shiller, in Ihrem jüngsten Buch „Narrative Wirtschaft“ stellen Sie die These auf, dass Geschichten und sogenannte Narrative die Wirtschaft nachhaltig beeinflussen. Welche Erzählung birgt denn gerade die größte Sprengkraft?
Robert J. Shiller: Die Inflation ist so ein Narrativ. Menschen denken viel über sie nach, weil sie bei jedem Einkauf Preise sehen. Manche waren jahrelang stabil, steigen nun aber. Daraus wird schnell eine kraftvolle Erzählung. Übrigens besonders in Deutschland, wo die Hyperinflation von 1921 bis 1923 zu viel Unzufriedenheit führte.
Herr Schumacher, warum ist die Inflation rund um den Globus ein so großes Thema?
Dirk Schumacher: Je nachdem, wie sie sich weiterentwickelt, müssen die Zentralbanken ihren Kurs mehr oder weniger radikal ändern. Ihr Spielraum hängt mit der Einschätzung der mittelfristigen Inflationsentwicklung zusammen – und damit die weitere Entwicklung an den Finanzmärkten. Deshalb ist die Inflation derzeit die größte Sollbruchstelle der Wirtschaft.
Und wann kann diese Sollbruchstelle Ihrer Einschätzung nach akut gefährlich werden?
Schumacher: Eine makroökonomische Betrachtung hilft zumindest, Ungleichgewichte in den Märkten und der Wirtschaft zu identifizieren. Da kann sich dann eine Sollbruchstelle finden oder auch eine Blase. Die Logik ist klar: Wenn eine Entwicklung nicht nachhaltig ist, kann sie nicht ewig weitergehen. Aber der genaue Zeitpunkt für eine Korrektur lässt sich nicht treffsicher bestimmen.
Einmal aus Sicht der Narrativen Wirtschaft und einmal aus Sicht der Makroökonomie: Wie können sich die Zentralbanken aus dem Szenario steigender Inflationsraten, einer schwachen Wirtschaft und niedriger Zinsen herausmanövrieren?
Shiller: Die Notenbanken müssen die inflationäre Psychologie durchbrechen. Das haben sie bisher aber nicht unbedingt getan. Menschen und auch die Notenbanken haben bei Inflation oft eine Art medizinisches Modell im Kopf, als wäre sie eine ansteckende Krankheit wie Tuberkulose. Sie muss bereits in ihrer Anfangsphase ge stoppt werden, bevor sich Inflationserwartungen noch weiter ausbreiten. Ansonsten nehmen Arbeitnehmer sie nämlich auch in ihre Gehaltserwartungen auf – man kommt in einen Teufelskreis.
Schumacher: Die entscheidende Frage für Zentralbanken ist deshalb, ob der rasante Anstieg der Inflation tatsächlich temporär ist oder ob wir gerade eine anhaltende Beschleunigung der Inflation beobachten. Im ersten Fall wäre es vertretbar, wenn die Zentralbanken die Geldpolitik graduell anpassen. Im letzteren Fall wird es zu einer schnelleren Straffung kommen. Und das birgt das Risiko eines größeren wirtschaftlichen Kollateralschadens.
Die Antworten auf die Finanzkrise, die Eurokrise und die Covid-Krise waren allesamt geldpolitisch. War das falsch?
Schumacher: Auf kurze Sicht war das aggressive Eingreifen der EZB richtig. Im Finanzsystem können sich selbstverstärkende Dynamiken entwickeln, die – lässt man sie laufen – nur ziemlich schwer einzufangen sind. An diesem Punkt stehen wir jetzt auch. Die Kunst ist es zu wissen, wann und in welcher Geschwindigkeit die geldpolitische Medikation zurückgefahren werden muss. Hier können wir also nur hoffen, dass sich die EZB alle Daten objektiv und unvoreingenommen anschaut.
Shiller: Die Notenbanken waren bisher meist erfolgreich mit dem, was sie tun. Und sie wissen inzwischen, dass sie auf passen müssen, was und wann und wie sie etwas sagen. Eine Aussage wie Draghis „Whatever it takes“ in der Eurokrise kann schnell Folgen haben. Inflation ist trotz dem vorerst ein Problem, dem sich Portfoliomanager stellen müssen. Aber: Inflation ist im Vergleich zur Historie nun nicht mehr das größte Problem, das wir haben.