Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater
Öl im Feuer
Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Dekabank. Foto: Dekabank
In der Wirtschaft deutet aktuell vieles darauf hin, dass die Preise bald weiter steigen. Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater erläutert, wie es um die Inflation bestellt ist.
Während Wirtschaft und Gesellschaft noch mit dem Virus ringen, sind die Kapitalmärkte schon zwei Schritte weiter. Dass die Pandemie im Verlauf des Jahres 2021 langsam überwunden wird, war bereits seit langem die Arbeitshypothese der meisten Marktteilnehmer. So erklärt sich die rasante Erholung an den Aktienmärkten im vergangenen Jahr.
Nun beschäftigt man sich bereits mit den Folgewirkungen einer Wirtschaftserholung, die durch immer neue Konjunkturprogramme weiter angetrieben wird. Und diese Folgewirkungen heißen höhere Inflation und höhere Zinsen. Da waren die Inflationszahlen zu Jahresbeginn aus Europa Öl im Feuer. Auf 1,6 Prozent sprang die Inflationsrate in Deutschland im Januar. Dahinter...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Während Wirtschaft und Gesellschaft noch mit dem Virus ringen, sind die Kapitalmärkte schon zwei Schritte weiter. Dass die Pandemie im Verlauf des Jahres 2021 langsam überwunden wird, war bereits seit langem die Arbeitshypothese der meisten Marktteilnehmer. So erklärt sich die rasante Erholung an den Aktienmärkten im vergangenen Jahr.
Nun beschäftigt man sich bereits mit den Folgewirkungen einer Wirtschaftserholung, die durch immer neue Konjunkturprogramme weiter angetrieben wird. Und diese Folgewirkungen heißen höhere Inflation und höhere Zinsen. Da waren die Inflationszahlen zu Jahresbeginn aus Europa Öl im Feuer. Auf 1,6 Prozent sprang die Inflationsrate in Deutschland im Januar. Dahinter steckten jedoch viele einmalige Faktoren. Neben der Rückkehr zu den Vor-Corona-Mehrwertsteuersätzen wurde die CO2-Steuer eingeführt. Diese erhöhte den Benzinpreis an der Zapfsäule zusätzlich zu dem ohnehin gestiegenen Ölpreis kräftig.
Doch diese Effekte sind allesamt einmalig. Sie taugen nicht für einen dauerhaften Inflationsprozess. Dazu kamen statistische Verzerrungen, wie etwa die außerordentliche Anpassung des Warenkorbes durch die statistischen Ämter oder ein wegen des Lockdowns ausgefallender Winterschlussverkauf, der normalerweise die Preise von Bekleidung um diese Jahreszeit immer senkt. Alles zusammen hat zu diesen ungewöhnlich hohen Inflationsraten beigetragen.
Im Januar 2022 fallen diese Erhöhungen aus dem Zwölf-Monats-Vergleich wieder heraus. Das ist der so genannte Basiseffekt. Da wird dann die Inflation einen Sprung nach unten machen – wenn sie nicht gefüttert wird. Trotzdem wird die Inflation in diesem Jahr ein Thema bleiben. Ein wichtiger Grund: Nach der Wiedereröffnung von Restaurants und Kinos werden dort Preise wahrscheinlich heraufgesetzt werden, um ein wenig verlorenen Boden wieder gut zu machen. Zudem fällt noch ein weiterer Basiseffekt an: Ab Juli 2021 werden im Jahresvergleich Monate mit wieder normaler Mehrwertsteuer mit Monaten mit abgesenkter Mehrwertsteuer aus dem Jahr 2020 verglichen. Das kann die monatliche Inflationsrate in den Sommermonaten tatsächlich vorübergehend über 3 Prozent treiben, so dass im Durchschnitt des Jahres 2021 wohl eine Inflationsrate von etwa 2,3 Prozent herauskommen dürfte.
Allerdings muss man dies vor dem Hintergrund sehen, dass die Inflation im Corona-Jahr 2020 mit 0,4 Prozent fast eine Nullrunde eingelegt hatte. Es sind also hauptsächlich die Aufholeffekte nach dem tiefen Corona-Loch, die sich nicht nur in der Wirtschaft mit hoher Produktion, sondern eben auch in der Inflationsrate zeigen. Für einen andauernden Inflationsprozess braucht es einen ständigen Treiber, der Jahr um Jahr die Preise steigen lässt. Öl- und Rohstoffpreise scheiden hier aus, denn sie fallen nach großen Anstiegen regelmäßig wieder zurück.
Bleiben also die Löhne als stärkster Kostenfaktor, den die Unternehmen stets aufs Neue auf ihre Preise umlegen könnten. Im Corona-Jahr 2020 sind die Tariflöhne in Deutschland noch um 2,5 Prozent gestiegen, zum großen Teil aufgrund von langfristigen Vereinbarungen davor. Für das laufende Jahr ist wegen der schwierigen Wirtschaftslage nur mit einem Anstieg von 1,5 Prozent zu rechnen. Kein Stoff, aus dem eine große Inflation gemacht ist.
Aber wer sagt denn, dass es dabei bleibt? Dass nicht starke Lohnsteigerungen die nächste Drehung der Inflationsschraube sind? Niedrigste Zinsen, hohe Geldmengensteigerungen, hohe Verschuldung, abnehmende Globalisierung: Eigentlich liegen doch schon alle Inflationszutaten im Topf, es muss nur jemand den Herd andrehen. So lauten die Befürchtungen in der Öffentlichkeit und an den Märkten.
Dies erklärt auch die empfindliche Reaktion der Öffentlichkeit und der Finanzmärkte auf jeden Anstieg der Raten. An den Finanzmarktpreisen für inflationsgeschützte Anlagen kann man ablesen, dass bis jetzt nicht so sehr die Inflationserwartungen selbst als vielmehr die Inflationsunsicherheit – also die Risikoprämie gegen mögliche Inflationssteigerungen – angestiegen sind. Für die Vermögensanlage generell gilt hier die alte Regel, dass Sachwerte wie Immobilien und Aktien Inflation am besten verkraften können, da ihre Erträge mit steigenden Verbraucherpreisen mitwachsen.
Da die Sparzinsen trotz der gegenwärtigen Inflationsdebatte noch lange Zeit extrem niedrig sind, verlieren Spareinlagen Jahr für Jahr weiterhin an Kaufkraft. Sollte die Inflation anziehen, und sei es auch nur moderat, steigt dieser Kaufkraftverlust weiter an. Vermögen sollte deshalb heute nicht nur aus Spareinlagen, sondern mehr und mehr auch aus Anteilen von Sachwerten wie zum Beispiel Aktien bestehen.
Neben den Inflationsunsicherheiten steigen auch die realwirtschaftlichen Aussichten auf einen neuen Konjunkturzyklus an. Damit sind etwas höhere Realzinsen auch aus diesem Blickwinkel gerechtfertigt. Bleibt der Renditeanstieg im Rahmen, so ist er für die Aktienmärkte wie auch für die Risiko-Spreads verkraftbar, denn dahinter stehen ja gute Wirtschaftsaussichten. Auch das wird eine Konsequenz aus der Überwindung der Corona-Krise sein: Die Zinsen bleiben niedrig, aber nicht mehr ganz so niedrig wie zuvor.
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