AGI-Chefanalyst Naumer über soziale Medien
Die Facebook-Genossenschaft
Hans-Jörg Naumer, Global Head of Capital Markets & Thematik Research Allianz Global Investors. Foto: Allianz Global Investors
Wir alle sind online, wir alle sind ständig erreichbar, unser Smartphone weiß genauer, wo wir uns befinden, als unser Partner, wir whatsappen, facebooken, twittern.
Der „Wettbewerb als herrschaftsfreier Kontrollmechanismus“
Damit es zu wirklichem Wettbewerb unter den Dienstleistern, also den Anbietern genossenschaftlich organisierter Plattformen kommt, und nicht zu Monopolen oder zumindest Kartellen, welche dann wiederum ihre Gebühren hoch bzw. die genossenschaftlichen Ausschüttungen runter schrauben könnten, wird die Konnektivität der Plattformen untereinander durch den Rechtsrahmen gewährleistet: Nicht nur die privaten Profile und Daten sind per Mausklick auf einen anderen Anbieter übertragbar (sie befinden sich ja im Privateigentum), die Mitglieder selbst können sich untereinander verbinden.
Konkret: Wer auf Facebook ist, kann sehen was mit ihm...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Der „Wettbewerb als herrschaftsfreier Kontrollmechanismus“
Damit es zu wirklichem Wettbewerb unter den Dienstleistern, also den Anbietern genossenschaftlich organisierter Plattformen kommt, und nicht zu Monopolen oder zumindest Kartellen, welche dann wiederum ihre Gebühren hoch bzw. die genossenschaftlichen Ausschüttungen runter schrauben könnten, wird die Konnektivität der Plattformen untereinander durch den Rechtsrahmen gewährleistet: Nicht nur die privaten Profile und Daten sind per Mausklick auf einen anderen Anbieter übertragbar (sie befinden sich ja im Privateigentum), die Mitglieder selbst können sich untereinander verbinden.
Konkret: Wer auf Facebook ist, kann sehen was mit ihm verbundene Xing- oder Twitter-Mitglieder posten und umgekehrt, sofern dies im gegenseitigen Einverständnis geschieht. Warum sollte bei sozialen Netzwerken nicht funktionieren, was beim Emailen von Beginn an der Standard war: Jeder kann mit jedem kommunizieren, egal welchen Anbieter er nutzt.
Rechtliche Grundpfeiler
Die Daten-Genossenschaft beruht dabei auf zwei rechtlichen Grundpfeilern:
- Dem Grundsatz der Datenhoheit: Die Daten gehören den Nutzern, nicht den Plattformen. Entsprechend bestimmen die Nutzer, wie und ob diese Daten erhoben, gespeichert, ausgewertet oder mit anderen Datensätzen verbunden werden. Das Recht auf "informationelle Selbstbestimmung", wie es vom bundesdeutschen Bundesverfassungsgericht vorgegeben wurde, bietet die Grundlage dafür. Dieses spricht dem Einzelnen zu, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen.
- Dem Grundsatz des Wettbewerbs, der den „herrschaftsfreien Kontrollmechanismus gewährleistet“.
Paradigmatisch geht es um die Verbindung einer alt-bewährten Rechtsform, der Genossenschaft, mit den Anforderungen der Netzökonomie. Es geht um die „Facebook-Genossenschaft“, genauer die Daten-Genossenschaften.
Technische Grundlage
Da Daten überall fließen, könnten unterschiedliche Genossenschaften gegründet werdet, oder die Nutzer bekommen eine ID, die auch ihre Privatsphäre garantieren würde. In Verbindung mit der Blockchain-Technologie wird gewährleistet, dass die Erträge der von ihnen generierten Daten auch ihnen selbst zufließen.
Vorteile von Datengenossenschaften
Die Vorteile von Datengenossenschaften wären:
- Dateneigentum: Das Eigentumsrecht an den persönlichen Daten ist eindeutig geklärt. Die Daten gehören dem, durch den sie entstehen. Den Eigentümern fließen die Erträge daraus zu.
- Privatsphäre: Wird durch eine ID gewährleistet.
- Verfallsdatum: Wie lange die Daten gehortet werden, kann das Genossenschaftsmitglied selbst bestimmen. Es ist ein einfacher Trade-Off: Je kürzer deren Lebenszeit, desto geringer ist der Genossenschaftswert und desto geringer entsprechend die anteiligen Erträge aus der Genossenschaft – desto größer ist aber seine Hoheit über die eigene Privatsphäre und der Schutz vor Datenmissbrauch, z.B. im Falle von Hackerangriffen.
- Kontrolle: Die Daten-Genossenschaft wird zum Club-Gut. Es nicht mehr egal, wer alles zutritt, da der gemeinsame Nutzen durch den Zutritt unerwünschter Mitglieder - z.B. auf Facebook - sinken könnte, da der eigene Ruf darunter leidet oder da Werbepartner abspringen. Das fördert die Kontrolle durch die Mitglieder: Wer tritt bei und wird damit Genosse? Wer fördert den gemeinsamen Nutzen? Wer zirkuliert „FakeNews“ und propagiert Hassreden? Ein Ausschluss derer ist zu erwarten, die den Wert der Genossenschaftsanteile senken.
Rettet den Kapitalismus vor der Kapitalkonzentration
Und natürlich der wohl wichtigste Vorteil: Wenn es keine alleinigen Besitzer mehr gibt, oder Aktiengesellschaften, bei denen das Kapitaleigentum von der Zurverfügungstellung der Daten getrennt ist, wirkt dies der Kapitalkonzentration entgegen. Rettet den Kapitalismus – Kapitalismus hier verstanden nicht als ideologischer Kampfbegriff, sondern als Gesellschaftsform die auf Privateigentum beruht – vor der Kapitalkonzentration heißt die Losung. Denn Kapitalkonzentration und fehlender Wettbewerb zerstört die Marktwirtschaft.1
Die „Facebook-Genossenschaft“ kann uns – 200. Jahre nach dem Geburtstag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dem Begründer der Genossenschaften - den Weg in die Netzökonomie weisen.
1Meinte nicht Joseph Schumpeter, dass der Kapitalismus dazu neige, seinen „schützenden Hüllen“ zu zerstören?
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