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Trendwende möglich Im Jahr des Drachen könnten die Bullen nach China zurückkehren

Passend zum Jahr des Drachen dekoriertes Einkaufszentrum in China
Passend zum Jahr des Drachen dekoriertes Einkaufszentrum in China: Neben Schlüsselindustrien wie der High-Tech-Branche möchte das Reich der Mitte den Konsum stärken. | Foto: Imago Images / VCG
Chi Lo, BNP Paribas AM

Eine sich verschärfende Schuldensituation, anhaltende Sorgen um den Immobilienmarkt und eine enttäuschende konjunkturelle Entwicklung: Die meisten Investoren machten im vergangenen Jahr einen großen Bogen um China. Bereits seit der Coronapandemie kommt die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nicht mehr in Tritt – bislang zumindest. Denn 2024 könnte sich der Ausblick aufhellen, meint Chi Lo, Senior-Marktstratege für den asiatisch-pazifischen Raum bei BNP Paribas Asset Management.

Das schwache Wachstum seit der Pandemie ist laut Chi darauf zurückzuführen, dass China sein früheres schuldengetriebenes Wachstumsmodell der Angebotsausweitung aufgegeben hat: „Es wird gemeinhin angenommen, dass das Sparniveau in China zu hoch ist. Damit der Konsum die Investitionen als Haupttriebfeder eines langfristigen Wachstums ablösen kann, muss Peking den Verbrauchern mehr Geld zur Verfügung stellen.“ Mehr Konsumieren und dafür weniger Investieren mache jedoch nur wenig Sinn. Viele unterentwickelte Teile des Landes benötigten weiterhin Investitionen, um Einkommen zu schaffen und so den Konsum anzukurbeln.

Konsum ist wichtig, aber keine Allheilmittel für China

Grundsätzlich sei mehr Konsum nicht das Allheilmittel, für das ihn viele halten. „Die Chinesen konnten nur so viel sparen, weil sie ein Einkommen aus den durch Investitionen geschaffenen Arbeitsplätzen haben“, betont Chi. „Die Grundregeln der Wirtschaftswissenschaften besagen, dass die Ersparnisse unter dem Strich gleich den Investitionen sein sollten – und weiter, dass hohe Ersparnisse zu hohen Investitionen führen sollten.“

Eine hohe Verschuldung könne daher akzeptabel sein, solange sie durch Vermögenswerte gedeckt ist. „Wir glauben, dass dies bei Chinas schuldenfinanziertem Wachstumsmodell der Fall ist.“

 

Chi zufolge habe Peking sowohl diesen Investitions-Konsum-Zyklus als auch die Fehler bei vorangegangenen Reformen verstanden. Bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 habe die Regierung eine taktische Änderung der Strukturreformen im Rahmen der breit angelegten Strategie des „doppelten Kreislaufs“ vorgenommen. „Heute bevorzugt dieser Ansatz die Entwicklung von ‚Hardtech‘, also Hardware und Komponenten für strategische Sektoren und Hightech-Industrien, gegenüber ‚Softtech‘ wie der Entwicklung von E-Commerce. Dazu nutzt sie den Privatsektor als Innovationsmotor.“

Peking erwartet laut Chi, dass auf diese Art und Weise wieder mehr Industrie in die inneren Provinzen verlagert wird. Dieser Prozess sei bereits im Gange, wie die Daten belegen. „Im Landesinneren konnten billigere Ressourcen erschlossen werden, was das Wirtschaftswachstum ankurbeln und die Produktivität langfristig steigern dürfte.“

Nationaler Volkskongress gibt chinesischer Wirtschaft Impulse

Weitere Impulse für die Konjunktur könnten sich aus den Beschlüssen auf Chinas jüngstem Nationalen Volkskongress (NVK) im März 2024 ergeben. „Dort wurde ausdrücklich die Notwendigkeit einer stärkeren politischen Koordination zwischen den verschiedenen Regierungsebenen betont“, erläutert der Asienexperte. „Wirksam umgesetzt sollte dies dazu beitragen, die Verwirklichung der Politik durch die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Regierungsabteilungen zu stärken.“

Der NVK bekräftigte das Engagement für die Nachhaltigkeit sowohl des zyklischen als auch des strukturellen Wachstums. Neben einer expansiven Geld- und Finanzpolitik verweist Chi auf weitere Ankündigungen:

  • Abschaffung des Grundsatzes „Wohnen ist zum Leben da, nicht zum Spekulieren“. Damit werden die Beschränkungen für Investitionen auf dem Immobilienmarkt weiter gelockert.
  • Unterstützung des Konsums durch ein Umtauschprogramm für langlebige Konsumgüter.
  • Förderung neuer Wachstumstreiber durch die beschleunigte Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) und der Modernisierung in den Bereichen Technologie, Transport, Bau und Gesundheitswesen.
  • Mehr regulatorische Unterstützung für den privaten Sektor.
  • Förderung des Investitions- und Entwicklungsprogramms Neue Seidenstraße (Belt & Road Initiative, BRI) durch den Bau von Verkehrsverbindungen, grüner Infrastruktur sowie technologischer Innovationen.

Die beschleunigte Entwicklung strategischer Industrien und der digitalen Wirtschaft durch KI sowie die Modernisierung traditioneller Branchen dürften dem Wachstum neue Impulse verleihen und die Produktivität in den kommenden Jahren steigern, erwartet Chi. „Die digitale Wirtschaft war im Jahr 2023 bereits mehr als 50 Billionen Renminbi wert und steht für fast 42 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.“

Kurswechsel bei Chinas Außen- und Immobilienmarktpolitik

Der chinesische Immobilienmarkt ist schon länger ein Sorgenkind. Bereits vor dem NVK versuchte das Land, das Finanzierungsproblem anzugehen und hob die drei „roten Linien“ auf. Diese wurden im August 2020 eingeführt und deckelten den Verschuldungsgrad von Bauträgern im Verhältnis zu Barmitteln, Vermögenswerten und Eigenkapital. „Die Politik beraubte die lokalen Regierungen damit jeglicher politischer Flexibilität, um verschuldete Immobilienunternehmen zu retten“, erläutert Chi.

In dieser Hinsicht stellte der Wechsel von „roten Linien“ zu „weißen Listen“ im Januar 2024 eine wichtige Kehrtwende dar, um die finanzielle Lage der Bauträger zu entspannen. Im Rahmen des „Whitelist“-Mechanismus arbeiten die Stadtverwaltungen mit den Banken zusammen, um für finanzielle Unterstützung und Investitionen geeignete Wohnbauprojekte zu identifizieren. „Dieser Politikwechsel könnte zur Stabilisierung des Immobiliensektors beitragen. Das gilt vor allem, wenn die Strategie mit Anreizen der Lokalregierungen kombiniert wird, um die Nachfrage nach Immobilien zu erhöhen.“

Auch außenpolitisch war jüngst ein Kurswechsel zu beobachten. China und die USA haben sich Ende 2023 auf ein taktisches Tauwetter in ihren frostigen Beziehungen geeinigt, um die geopolitischen Spannungen zu verringern. Chi: „Eine stabile Beziehung zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt dürfte die Stimmung ausländischer Investoren gegenüber China verbessern.“ Bei einem Treffen des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping mit seinem US-Kollegen Joe Biden im November letzten Jahres versprachen die beiden, heikle Konfrontationen zu vermeiden und damit das Risiko einer Entkopplung zu verringern – auch wenn eine mögliche künftige US-Regierung unter Donald Trump diese neu gefundene Stabilität erschüttern könnte.

 

Ausländisches Kapital kehrt nach China zurück

Um ausländisches Kapital anzuziehen, hat Peking kürzlich alle Marktzugangsbeschränkungen für externe Investitionen im verarbeitenden Gewerbe abgeschafft. Zuvor waren bereits sämtliche Beschränkungen für ausländisches Kapital im Finanzsektor aufgehoben worden.

„Es gibt bereits erste Anzeichen dafür, dass die Investoren nach China zurückkehren“, beobachtet Chi. „Erstens flossen im vierten Quartal 2023 ausländische Direktinvestitionen in Höhe von 17,5 Milliarden US-Dollar ins Land. Im dritten Quartal waren noch 11,8 Milliarden US-Dollar abgeflossen. Zweitens zeigen Daten der US-Börsenaufsicht, dass einige große Hedgefonds seit dem dritten Quartal des vergangenen Jahres, als die meisten internationalen Anleger China gegenüber pessimistisch waren, Positionen in einigen in den USA notierten chinesischen Großunternehmen aufgebaut haben. Schließlich sind die Portfolioströme zurückgekehrt.“

Wie sich Anleger positionieren sollten

Die wirtschaftliche Erholung Chinas nach dem Ende der Covid-Pandemie war fragil. Die Probleme sind Chi zufolge aber hauptsächlich konjunktureller Natur. Eine starke Erhöhung der Staatsausgaben in Kombination mit einer geldpolitischen Lockerung könnten sie lösen. „So würde das Wachstum angeregt und die Vermögenspreise dürften sich ebenfalls wieder erholen.“ Das Risiko sei dabei eine verfrühte Straffung der Politik. Diese erscheint jedoch unwahrscheinlich.

Der Strukturwandel sorgt derweil für wieder steigende Investitionen sowohl in der hochwertigen verarbeitenden Industrie als auch in der High-Tech-Branche. Für Anleger bringt das laut Chi Chancen mit sich: „Peking hat viele wichtige Aufgaben zu bewältigen: Bildungs- und Gesundheitswesen müssen verbessert sowie die Arbeitsmarktstruktur reformiert werden, damit Arbeitsplätze und Qualifikationen zusammenpassen. Die Altersversorgung, weniger Umweltverschmutzung sowie die Begrenzung der Auswirkungen des Klimawandels und vor allem die gleichzeitige Senkung der Schuldenquote sind ebenfalls wichtige Ziele. All diese Aufgaben stehen auch auf Chinas politischer Agenda, weshalb sie als langfristige Investitionsthemen relevant sind.“

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