Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé
Darum bleibt die Inflation hoch

Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé
Mit 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr sind die Verbraucherpreise in der Eurozone im November so stark gestiegen wie nie zuvor. In den kommenden Monaten sollte die Inflationsrate zwar zurückgehen, von Entwarnung kann allerdings keine Rede sein. Der Rückgang wird sehr zäh verlaufen, die Teuerungsrate erst im Herbst 2022 wieder unter 3,0 Prozent sinken (vergleiche Abbildung 1). Im Jahresdurchschni...
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Mit 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr sind die Verbraucherpreise in der Eurozone im November so stark gestiegen wie nie zuvor. In den kommenden Monaten sollte die Inflationsrate zwar zurückgehen, von Entwarnung kann allerdings keine Rede sein. Der Rückgang wird sehr zäh verlaufen, die Teuerungsrate erst im Herbst 2022 wieder unter 3,0 Prozent sinken (vergleiche Abbildung 1). Im Jahresdurchschnitt dürfte sie klar über 3,0 Prozent liegen und somit noch höher ausfallen als 2021 (2,6 Prozent).
Abbildung 1: Inflationsrate 2022 größtenteils über 3,0 Prozent
Inflationstreiber Nummer eins bleiben wie schon 2021 die Energiepreise. Der Schwerpunkt verlagert sich dabei aber weg von den Preisen für Kraftstoffe und Heizöl, hin zu den Preisen für Strom und Gas. Sofern der Rohölpreis nicht weiter erkennbar steigt, wird der Beitrag von Benzin, Diesel und Heizöl zum Anstieg des Verbraucherpreisindex im neuen Jahr spürbar nachlassen und sich in etwa auf 0,4 Prozentpunkte halbieren. Bei Strom und Gas ist es jedoch genau umgekehrt. Deren Grosshandelspreise sind zuletzt regelrecht explodiert. Bei Strom liegt der Anstieg im Vorjahresvergleich im Dezember bei 500 Prozent, bei Gas sind es mehr als 600 Prozent.
Dieser Preissprung ist bis dato nur zum Teil bei den Konsumenten angekommen. Während Erdgaskunden in Italien, Frankreich und Belgien im November 38 Prozent, 45 Prozent beziehungsweise 113 Prozent mehr bezahlen mussten als vor einem Jahr, lag das Plus in Deutschland bei „nur“ 7 Prozent. Das dicke Ende für die deutschen Haushalte kommt allerdings noch: Im Januar werden die Preise hierzulande um durchschnittlich 25 Prozent steigen.
Ein spürbarer Rückgang der hohen Strom- und Gaspreise zeichnet sich in naher Zukunft nicht ab. Entlastung erwarten wir frühestens nach Ende der aktuellen Heizperiode im Frühjahr. Aber selbst wenn die Grosshandelspreise dann wieder sinken, steht zu befürchten, dass die Verbraucher hiervon zunächst kaum profitieren werden. In zahlreichen Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien wurden für private Haushalte Preismoratorien verhängt beziehungsweise in erheblichem Umfang Steuern und Abgaben auf Energie befristet gesenkt, um die Belastung der Bürger in Grenzen zu halten.
Bei rückläufigen Preisen würden zunächst einmal diese Maßnahmen zurückgenommen werden, was die Weitergabe niedrigerer Preise an die Konsumenten mindestens deutlich verzögern sollte. In Deutschland werden die Preise ohnehin erst wieder in einem Jahr angepasst.
Die hohen Preise für Strom und Gas werden 2022 unseren Berechnungen zufolge 0,9 Prozentpunkte zum Anstieg des Verbraucherpreisindex in der Eurozone beitragen, nach 0,5 Prozentpunkten in diesem Jahr. Der inflationstreibende Effekt der Energiepreise insgesamt wird darum 2022 mit 1,3 Prozentpunkten genauso gross ausfallen wie im abgelaufenen Jahr.
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