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Umstrittener Vorschlag angenommen EU-Kommission stuft Atom- und Gaskraft als nachhaltig ein

Kühltürme eines Atomkraftwerks
Kühltürme eines Atomkraftwerks: Über den Stellenwert der Technologie sind die EU-Mitgliedsländer uneins. | Foto: distelAPPArath / Pixabay

Die Europäische Kommission will in der europäischen Taxonomie-Verordnung festlegen, dass Atomkraft als nachhaltige und damit förderberechtigte Art der Energiegewinnung gilt – zumindest vorübergehend. Dasselbe soll unter bestimmten Bedingungen auch für Energie aus Erdgas gelten.

Mit ihrer Entscheidung setzt die Kommission einen vorläufigen Schlusspunkt unter einen Streit, der unter den EU-Mitgliedstaaten bereits seit Monaten schwelt. Können bestimmte traditionelle Arten der Energiegewinnung übergangsweise als  nachhaltig deklariert werden, um damit den Weg zum Ausstieg aus fossiler Energiegewinnung bis 2050 reibungsloser zu gestalten?

Taxonomie – wichtig für Investitionen

Einige EU-Länder, wie Frankreich oder Tschechien, setzten sich für Atomkraft als „saubere“ Übergangslösung ein. Andere Länder, allen voran Deutschland, wollten Gaskraft zumindest vorübergehend als nachhaltig bezeichnet wissen.

Die Zuordnung „nachhaltig“ in der Taxonomie-Verordnung ist deshalb wichtig, weil an diesem Stempel große Geldsummen hängen. Unternehmen, die laut der Klassifikation als „grün“ durchgehen, kommen vergleichsweise sehr viel einfacher an Investorengeld. Die Taxonomie ist Teil des europäischen Green Deal. Der Plan soll Europas Wirtschaft auf Nachhaltigkeit trimmen und dabei vor allem die Finanzströme in die richtige Richtung lenken.

Bei den Themen Atom- und Gaskraft waren sich die EU-Mitgliedstaaten lange Zeit uneinig. Die in Teilen bereits gültige Taxonomieverordnung hatte das Thema zunächst ausgeklammert und auf später verschoben. Am 31. Dezember 2021 stellte die EU-Kommission schließlich einen Entwurf zur Ergänzung der Taxonomie vor: Atom- und Gaskraft sollten in der Übergangszeit bis 2050 als nachhaltige Unternehmungen aufgenommen werden. Im Verlauf des Januars konnten die Mitgliedländer dazu Stellung nehmen.

Die Pläne sorgten im Atomkraft-skeptischen Deutschland für vielfachen Protest, auch aus den Reihen der Bundesregierung und hier besonders des Koalitionspartners „Die Grünen“. Mit Blick auf Energiegewinnung aus Erdgas betrat Deutschland wiederum den umgekehrten Weg: Erdgas als Übergangstechnologie sei durchaus förderungswürdig, bekräftigte die neue wie zuvor bereits die alte Bundesregierung.

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Was genau als nachhaltig gelten soll

Nun liegt der endgültige Entwurf eines Rechtsakts zur Ergänzung der Taxonomie vor. Die Kommission hat Gas- und Atomkraft auf der Positiv-Liste belassen. Unter bestimmten Bedingungen: Neu zu errichtende Atomkraftwerke können das Nachhaltigkeits-Siegel erhalten, wenn ihre Baugenehmigung vor 2045 erfolgt. Zudem müssen sie einen Plan haben, wie radioaktiver Abfall ab 2050 gelagert werde. Die Nachrüstung bestehender Atomkraftwerke gilt bis 2040 als nachhaltige Unternehmung. Für Gaskraftwerke legt die EU-Kommission fest, dass diese bestimmte CO2-Werte nicht überschreiten dürfen. Bis 2030 gelten zudem Gaskraftwerke dann als nachhaltig, wenn sie noch problematischere Kohlekraftwerke ersetzen und ab 2035 klimafreundlichere Gase verbrennen würden.

Bereits nach Bekanntwerden des Entwurfs am Silvestertag hatten Österreich und Luxemburg angekündigt, auf europäischer Ebene gegen die Aufnahme von Atom- und Gaskraft in die Nachhaltigkeits-Taxonomie zu klagen.

Auch die jetzt vorliegende Endfassung des Rechtsakts wird voraussichtlich noch einige Diskussionen befeuern. Unter anderem auch darüber, ob europäische Anleger das Vertrauen in das gesamte Nachhaltigkeitsprojekt der EU verlieren könnten – zum Nachteil auch der Fondsgesellschaften, die sich an den Maßstäben orientierten.

Ab 2023 wirksam

Dass die jetzt angepeilte Taxonomie allerdings zurückgenommen wird, gilt als unwahrscheinlich. Zwar könnten das Europäische Parlament oder die Mitgliedsstaaten das Vorhaben theoretisch wieder abblasen. Allerdings müssten dafür die Mehrheit der EU-Abgeordneten beziehungsweise 20 von 27 EU-Ländern gegen den Entwurf stimmen. Ein solches Veto zeichnet sich nicht ab.

Ohne Einspruch aus Parlament und EU-Rat soll der Rechtsakt automatisch in Kraft treten. Die ergänzte Taxonomie-Verordnung gilt dann ab dem 1. Januar 2023.

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