LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche

Themen-Experte Werte schaffen mit aktivem 360°-Ansatz

ANZEIGE
Aktualisiert am 06.06.2023 - 11:09 Uhrin Werte schaffen mit aktivem 360°-AnsatzLesedauer: 6 Minuten
ANZEIGE

MFS-Experten im Interview „Weniger als über Greenwashing bin ich über ,Long-term washing‘ besorgt“

Boston, Massachusetts, Hauptsitz von MFS Investment Management
Boston, Massachusetts, Hauptsitz von MFS Investment Management: „Wer langfristig orientiert sein will, muss das unter Beweis stellen“, sagt Carol Geremia. | Foto: Imago Images / Cavan Images

Vishal Hindocha: Carol, Sie haben mal erzählt, dass Sie als junge Frau gar nicht daran gedacht hatten, in die Finanzdienstleistungsbranche einzusteigen.

Carol Geremia: Ehrlich gesagt, ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in dieser Branche arbeiten würde. Ich hatte mich zunächst auf den Studiengang englische Literatur konzentriert. Dann plante ich, in der Modebranche zu arbeiten: Ich zog nach New York City, rackerte in einigen spannenden Jobs und absolvierte zwischendurch ein Praktikum in Manhattan. So entwickelte ich schon einmal ein Gespür, wie die Arbeit in der realen Welt aussieht. Dann sah sich eine Bekannte meinen Lebenslauf an. Sie sagte: „Das schreit geradezu nach Vertrieb.“ Und sie empfahl mir 1984, mich bei einem Unternehmen namens Massachusetts Financial Services zu bewerben.

Hindocha: Und der Rest ist Geschichte.

Geremia: Dazu möchte ich noch etwas ergänzen: Die Modebranche ist der Investmentbranche sehr ähnlich.

Hindocha: Inwiefern?

Geremia: Man muss die Zukunft vorhersagen. Man muss ständig vorhersehen, wohin die Reise geht. Und zwar bevor es die anderen wissen.

Hindocha: Nachhaltigkeit ist die Zukunft der Kapitalallokation. Auch damit geht eine langfristige, zukunftsorientierte Denkweise einher. Bitte gehen Sie doch ein wenig auf die Probleme und Chancen ein, die sich daraus ergeben.

Geremia: Wir setzen stets alles daran, durch Risikodiversifizierung auf vielen verschiedenen Ebenen gute Arbeit zu leisten. Während wir die Unternehmen zu nachhaltigerem Wirtschaften drängen, prüfen bei uns wiederum die Regulierer, ob alles seine Ordnung hat. Wichtig ist uns, Kapital verantwortungsvoll anzulegen, was infolgedessen kein kurzfristiges Unterfangen sein kann. Und so ist es auch mit dem Vertrauen. Vertrauen entsteht nicht über Nacht. Langfristig mit dem Geld anderer Leute umzugehen, erfordert Disziplin.

 

Hindocha: Kurz gesagt, der beste Weg, um Werte zu schaffen, ist eine langfristig orientierte Denkweise. Wie tragen Sie bei MFS IM dazu bei, dass diese langfristige Perspektive auch wirklich eingenommen wird?

Geremia: Eines sage ich in der Branche immer wieder: Wer langfristig orientiert sein will, muss das unter Beweis stellen. Das betone ich auch stets mit Blick auf Nachhaltigkeit. Über Greenwashing bin ich weniger besorgt als über das, was ich als „long-term washing“ bezeichne. In unserer Branche sagen alle, dass man langfristig orientiert sei. Aber die wenigsten sehen sich in der Pflicht, genau das auch zu beweisen.

Für uns folgt daraus: Wir führen unser Unternehmen auf nachhaltige Weise. Wir gehen dementsprechend mit unseren Mitarbeitern um und wir treffen alle unsere Entscheidungen für unsere Kunden mit einer langfristigen Perspektive.

Hindocha: Sehen Sie Grund zur Hoffnung, dass sich das System neu ausrichten lässt, um es langfristiger zu gestalten?

Geremia: Wenn man einem Unternehmen über einen langen Zeitraum Kapital zur Verfügung stellt, weiß man, dass es sich auch um die Umwelt und die sozialen Belange seiner Mitarbeiter und der Gesellschaft kümmern muss. Trotz aller Herausforderungen: Ich habe viel Hoffnung, ja. 

Hindocha: Welche weiteren Herausforderungen oder Chancen sehen Sie derzeit für die Finanzbranche?

Geremia: Hier gibt es einen wesentlichen Aspekt: Wie lässt sich exakt messen und darstellen, dass Kapital verantwortungsvoll zum Arbeiten kommt? Wie lässt sich sicherstellen, dass wir dieses langfristige Versprechen einhalten?

Für Asset Manager wie uns, die es ernst meinen, sehe ich daher die Gefahr: Wenn es immer nur darum geht, eine Benchmark in einem kurzen Zeitraum zu übertreffen, können wir keine Nachhaltigkeit erreichen. Mit einem kurzfristigen Ansatz lassen sich keine Netto-Null-Emissionsziele erreichen. Kurzfristig lässt sich Kapital nicht verantwortungsvoll einsetzen. Sich an kurzfristigen Benchmarks zu orientieren, ist kein gutes Modell, um langfristig echten Wert zu erwirtschaften. Zum Glück wollen viele unsere Anleger nicht, dass wir der Herde folgen. Sie vertrauen uns ihr Geld an, weil wir eine antizyklische Sichtweise haben.

Hindocha: Die Umsetzung ist letztlich aber nicht immer ganz leicht, oder?

Geremia: Das Wichtigste, was wir tun können, ist herauszufinden, wie wir sicherstellen können, dass wir im besten Interesse unserer Kunden gegen den Strom schwimmen. Das erfordert viele intensive Gespräche und auch die eine oder andere Debatte. Entscheidungen dauern somit länger. Aber ich bin davon überzeugt, dass eine kollektive Entscheidung, das Einbringen vieler verschiedener Ansichten in eine Entscheidung, zu besseren Ergebnissen führt.

Hindocha: Wenn wir das Geld anderer Leute verwalten, sollten wir uns meiner Meinung nach nicht den Luxus gönnen, schnell zu handeln, bestimmte wichtige Aspekte als irrelevant abzutun und minimal lebensfähige Produkte auf den Markt zu bringen. Wir haben eine gewichtige Sorgfaltspflicht – wir kümmern uns um die Ersparnisse und die Altersvorsorge sehr vieler Menschen.

 

Unabdingbar ist dabei das Vertrauen. Die Finanzbranche muss sich insgesamt mehr bemühen, das Vertrauen der Anleger zu gewinnen. Sieht man sich Umfragen zum Vertrauen in die Vermögensverwaltungsbranche an, rangiert sie leider weit unter den Technologieunternehmen, die in dieser Hinsicht an der Spitze stehen – was angesichts wiederholter himmelschreiender Skandale paradox ist. Wie lässt sich das Vertrauen verbessern?

Geremia: Meines Erachtens brauchen wir mehrere Dinge, um das Vertrauen der Anleger zu erringen. Es beginnt mit Transparenz und umfassender Information. War es früher schwierig, Daten zu beschaffen, erhält man sie heute per Knopfdruck. Allerdings kann die Vielzahl an Informationen eine Menge falscher Signale liefern. Unabdingbar ist daher der direkte Dialog mit den Unternehmen. Wir setzen dabei entschieden auf Engagement und Abstimmungen, was als Stewardship bekannt ist. Wichtig dabei: Aus dem Miteinander entsteht oft ein Vorteil bei der Analyse von Unternehmen.

Entscheidend ist auch, dass Anleger Rat annehmen, auf engagierte Asset Manager setzen und diesen ihre Portfolios anvertrauen, weil sie erkennen: Der Vermögensverwalter tritt nachweislich für die Interessen ein, die den Anlegern wichtig sind. Technologie, Schnelligkeit und Effizienz trennen in der Kapitalverwaltung die Spreu vom Weizen. Hinzu kommen kluge, langfristig erfolgreiche Entscheidungen, die sich für alle Beteiligten bezahlt machen. Wer in beiden Bereichen punkten kann, baut langfristiges Vertrauen auf.

Vishal Hindocha (l.) und Carol Geremia

Über die Gesprächsteilnehmer:

Vishal Hindocha ist als Global Head of Sustainability Strategy bei MFS Investment Management tätig. Dem Unternehmen gehört er seit 2016 an. Zuvor war er über acht Jahre bei Towers Watson beschäftigt.

Carol Geremia ist Präsidentin von MFS Investment Management und Leiterin des weltweiten Vertriebs. Sie leitet die weltweiten Kundenteams des Unternehmens und ist für die Produkt- und Marketingstrategie verantwortlich. Geremia ist seit 1984 bei MFS IM unter Vertrag.

 

Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden.

Herausgegeben in Europa von MFS Investment Management (Lux) S.à r.l. (MFS Lux), einem in Luxemburg für das Management von Luxemburger Fonds zugelassenen Unternehmen, das institutionellen Investoren Investmentprodukte und -leistungen anbietet. Der Unternehmenssitz ist in der Rue Albert Borschette 4, L-1246 Luxemburg. Tel.: +352 282 612 800. Dieses Dokument richtet sich ausschließlich an professionelle Investoren. Andere dürfen sich nicht darauf verlassen. Auch darf das Dokument nicht an Personen weitergegeben werden, wenn eine solche Weitergabe gegen die geltenden Vorschriften verstoßen würde.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen