Leiter Kapitalmarktanalyse von AGI
Wie realistisch ist ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Hans-Jörg Naumer leitet den Bereich Kapitalmarktanalyse bei Allianz Global Investors. Foto: AGI
In der politischen Debatte gewinnt eine Idee an Fahrt: das „bedingungslose Grundeinkommen“ (BGE). Hans-Jörg Naumer von Allianz Global Investors durchleuchtet das Konzept anreiz- und auch demokratietheoretisch – und kommt zu einem interessanten Schluss.
Zum Anreizproblem tritt das demokratietheoretische Problem
Zum anreiz- und wirtschaftsethischen Problem tritt das demokratietheoretische Problem: Wie souverän ist der Souverän (also Sie und ich), wenn er von den Staatsorganen, denen er die Macht per Stimme überträgt, alimentiert wird?
Der Wählerkauf wäre durch das BGE äußerst einfach zu implementieren, da der Kreis der Anspruchsberechtigten die gesamte Wählerklientel umfasst. Steigendes BGE, steigender Mindestlohn, sinkende Wettbewerbsfähigkeit bei sinkendem Ausbildungsniveau und insgesamt steigender Umverteilung gehen zu Lasten vieler Wähler. Nämlich jener Wähler, die in der Minderheit sind oder noch nicht...
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Zum Anreizproblem tritt das demokratietheoretische Problem
Zum anreiz- und wirtschaftsethischen Problem tritt das demokratietheoretische Problem: Wie souverän ist der Souverän (also Sie und ich), wenn er von den Staatsorganen, denen er die Macht per Stimme überträgt, alimentiert wird?
Der Wählerkauf wäre durch das BGE äußerst einfach zu implementieren, da der Kreis der Anspruchsberechtigten die gesamte Wählerklientel umfasst. Steigendes BGE, steigender Mindestlohn, sinkende Wettbewerbsfähigkeit bei sinkendem Ausbildungsniveau und insgesamt steigender Umverteilung gehen zu Lasten vieler Wähler. Nämlich jener Wähler, die in der Minderheit sind oder noch nicht wählen können, da sie noch zu jung oder noch ungeboren sind, aber schon volle Verantwortung tragen für die aufgehäuften Schulden – eine Spirale, die sich nach unten dreht und den Anforderungen des zweiten Maschinenzeitalters geradezu entgegenläuft.
Das bedingungslose Grundeinkommen neu denken
Warum aber nicht das Verlangen nach einem Sicherheitsnetz mit entsprechenden Anreiz- und Eigentumsstrukturen versehen? Das Grundeinkommen könnte für Arbeitnehmer über eine negative Einkommenssteuer garantiert werden: Der lineare Einkommenssteuertarif wird in den negativen Bereich fortgeschrieben. Fällt jemand unter ein bestimmtes Einkommensniveau, wird die Differenz zu einem Grundeinkommen, das einem Mindesteinkommen entspricht, durch Zuzahlungen des Finanzamtes aufgefüllt. Die unterschiedlichen Sozialleistungen könnten durch diese Zuschüsse ersetzt werden.
Der Vorteil: Der Arbeits- und Weiterbildungsanreiz wird nicht unterminiert, sondern gefördert. Voraussetzung: Mit jedem Euro mehr Einkommen sinken die staatlichen Zuschüsse, wobei die Rücknahme der Zuschüsse durch den Steuertarif so gestaltet sein muss, dass im Saldo mehr in der Kasse des Beschäftigten bleibt.
Kapitaleinkommen als bedingungsloses Grundeinkommen
Parallel dazu wird der Kapitalaufbau gefördert, mit dem Ziel, dass das Arbeitseinkommen durch Kapitaleinkommen ergänzt, vielleicht sogar am Ende ersetzt wird. Das BGE würden dann aus Kapitaleinkommen in Form von Dividenden fließen – bedingungslos. Auch unabhängig von der öffentlichen Kassenlage und dem Wahlverhalten. Zu dieser gesellschaftlichen Aufgabe kann die gesamte Finanzbranche beitragen.
Die Gedanken dieses Beitrags stützten sich auf einen Aufsatz in „Die Kapitalbeteiligung im 21. Jahrhundert – Gerechte Teilhabe statt Umverteilung“; hrsg. von Beyer, Heinrich und Naumer, Hans-Jörg; SpringerGabler 2018
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