Merger-Experte Kai Lucks
Fusionen in der Krise
Aktualisiert am 21.04.2020 - 11:09 Uhr
Kai Lucks ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions. Foto: Bundesverband Mergers & Acquisitions
Fusionen und Übernahmen sind ein komplexes Geschäft. Kai Lucks, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions, erklärt an Beispielen, warum sich Unternehmen dafür entscheiden und welche Probleme im Management auftauchen.
Dann folgten Konzernaufteilungen (1995) in Hotels, Finanzdienstleistungen und Pumpen, aus der zweiten Aufteilung (2011) blieb nur ein Pumpenunternehmen namens ITT Bornemann zurück. Die den verschiedenen Phasen des Konzerns unterlegten Incentivierungen des Managements führten letztlich zum Ende eines der führenden Kommunikationskonzerne der Welt.
Der Untergang von Westinghouse
Ähnlich ging es der Westinghouse Inc., der ehemaligen Nummer zwei der US-Kraftwerk- und Nuklearindustrie und damit Hauptrivale von General Electric. Ihr wird nachgesagt, zu einem der „Erfinder“ des Value Based Managements zu gehören. 1886 als Unternehmen für Stromübertragung gegründet, entwickelte sich Westinghouse...
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Dann folgten Konzernaufteilungen (1995) in Hotels, Finanzdienstleistungen und Pumpen, aus der zweiten Aufteilung (2011) blieb nur ein Pumpenunternehmen namens ITT Bornemann zurück. Die den verschiedenen Phasen des Konzerns unterlegten Incentivierungen des Managements führten letztlich zum Ende eines der führenden Kommunikationskonzerne der Welt.
Der Untergang von Westinghouse
Ähnlich ging es der Westinghouse Inc., der ehemaligen Nummer zwei der US-Kraftwerk- und Nuklearindustrie und damit Hauptrivale von General Electric. Ihr wird nachgesagt, zu einem der „Erfinder“ des Value Based Managements zu gehören. 1886 als Unternehmen für Stromübertragung gegründet, entwickelte sich Westinghouse über die Zeit quasi zum „Vollsortimenter“ in der Elektrobranche, etwa vergleichbar mit AEG und Siemens.
1995 übernahm Westinghouse den Fernseh-Stationen-Betreiber CBS und beschloss den Umbau hin zu einem reinen Medienkonzern. Der Identitätsschock für die Alt-Mitarbeiter kam 1997, als sich der Mutterkonzern in CBS Corporation umbenannte. Die ursprünglichen Industriegeschäfte wurden nach und nach veräußert. Siemens übernahm 1998 das Geschäft mit der fossilen Energieerzeugung.
Der wachsende Widerstand in Deutschland gegen die Kernkraft verhinderte die Übernahme auch des Nukleargeschäftes, was eigentlich gut gepasst hätte, weil Westinghouse neben GE der Lizenzgeber für die Siemens Reaktortechnik war; zum damaligen Zeitpunkt in der Kraftwerk Union angesiedelt, die als Joint Venture zwischen Siemens und AEG gegründet worden war.
Als Siemens also eines der letzten Teilstücke von Westinghouse übernahm, titelte die Pittsburgh Post Gazette „Who killed Westinghouse?“ und zeigte indirekt auf die Deutschen. Wir konterten „it was suicide“. Das Management hatte die gesamte Industriesparte durch seinen Wechselkurs so an den Abgrund gefahren, dass die Kunden kaum noch Verträge mit dem Konzern abschlossen. Der Wertverlust war so groß, dass Siemens die Kraftwerksparte für nur eine Milliarde DM fast geschenkt bekam.
Der damalige CEO dieser Sparte, Randy Zwirn – heute Vorstand der Siemens Oil & Gas – hielt dem Siemens-Verhandlungsteam damals wörtlich vor „You have stolen my company“. Schon vor dem Closing liefen führende Köpfe zu Siemens über, weil sie durch den Westinghouse-Schwenk die Identität mit ihrer Lebensaufgabe zerstört sahen. Insbesondere Ingenieure identifizieren sich in hohem Maße mit ihrer technischen Aufgabe. Infolgedessen hängen sie stärker an ihrer Branche als an dem Unternehmen, das sie aktuell beschäftigt. Dies betrifft naheliegender weise stärker die ältere Generation als die Jungen.
Siemens als Gewinner aus der Westinghouse Übernahme
Unmittelbar nach der Übernahme gingen bei Siemens die Kraftwerk-Aufträge explosionsartig in die Höhe. Unter den rund 500 Übernahmen, die Siemens zwischen 1980 und 2000 tätigte, war der Kauf der Westinghouse-Kraftwerksparte eindeutig der beste Coup – bis dato wohl der beste Deal aller Zeiten.
Das Incentivierungssystem des damaligen Westinghouse-CEOs, hin auf die hochbewertete Unterhaltungsbranche und raus aus dem anlagenintensiven Industriegeschäft hatte an dieser Stelle jedenfalls versagt. Die Lücke, die Westinghouse in den USA hinterließ, wird seitdem von Siemens geschlossen, die den weltweiten Sitz ihres seinerzeitigen Energiesektors auf die ehemalige Hauptverwaltung von Westinghouse fossil Power Generation in Orlando, Florida, verlegte.
Nur ein Extrembeispiel
Ein bedeutendes Beispiel aus der jüngeren Geschichte des Value Based Managements findet sich wieder in Deutschland: Aus Gründen der Vertraulichkeit darf an dieser Stelle kein Name genannt werden. Um den Verkauf seines Konzerns an einen chinesischen Konzern zu betreiben, wurde dem deutschen CEO von den Chinesen eine Summe von 300 Millionen Euro für Verkauf und seinen Abgang gezahlt. Klar, dass dieses Unternehmen, das durchaus als standortrelevant für Deutschland angesehen werden konnte, dann zügig und ohne Vorbehalte an chinesische Hände überging.
Solche Incentivierungen sind also keine Peanuts. Verglichen mit dem Beispiel Mannesmann zeigt dies, dass die Prämien für Management-Abgänge in den vergangenen Jahren regelrecht explodiert sind. Wir bekommen somit auch in Deutschland nun amerikanische Verhältnisse, die sich in wesentlich höheren Gehältern, Boni und Sonderprämien niederschlagen als bisher. Der aus ethischen Gründen bislang geltende informell gesetzte Schallgrenze für deutsche Vorstandsgehälter in einer Bandbreite um 10 Millionen Euro pro Jahr wird deutlich gesprengt.
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