Chefvolkswirt Jörg Zeuner
Deglobalisierung durch Corona
Jörg Zeuner ist Chefvolkswirt von Union Investment. Foto: KfW
In der Corona-Krise zeigt sich deutlich, welche Geschäftsmodelle in Zukunft überhaupt noch Erfolgspotenzial haben. Union-Investment-Chefvolkswirt Jörg Zeuner skizziert, wie die Wirtschaft nach der Pandemie aussehen könnte.
Mit Blick auf Handelspartner und Absatzmärkte verschärft die Krise den Konflikt zwischen den USA und China und erhöht damit das Risiko für jene deutschen Unternehmen, die besonders auf das Reich der Mitte setzen.
Auch andere Gründe kommen zum Tragen: China hat das Virus früh unter Kontrolle gebracht und versucht wie schon nach der Finanzmarktkrise, die Schwäche der Industriestaaten aggressiv auszunutzen. Eine stärkere Kontrolle chinesischer Direktinvestitionen steht deshalb bereits auf der politischen Tagesordnung der EU und könnte die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen verschlechtern.
Was bedeuten diese Entwicklungen wirtschafts- und...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Mit Blick auf Handelspartner und Absatzmärkte verschärft die Krise den Konflikt zwischen den USA und China und erhöht damit das Risiko für jene deutschen Unternehmen, die besonders auf das Reich der Mitte setzen.
Auch andere Gründe kommen zum Tragen: China hat das Virus früh unter Kontrolle gebracht und versucht wie schon nach der Finanzmarktkrise, die Schwäche der Industriestaaten aggressiv auszunutzen. Eine stärkere Kontrolle chinesischer Direktinvestitionen steht deshalb bereits auf der politischen Tagesordnung der EU und könnte die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen verschlechtern.
Was bedeuten diese Entwicklungen wirtschafts- und industriepolitisch für Deutschland? In jedem Fall wird die EU noch wichtiger. In einer Welt mit mehr Protektionismus und geringeren interkontinentalen Exportchancen hat Deutschland ein Interesse daran, dass sich der europäische Wirtschaftsraum als zentraler Absatzmarkt schnell erholt.
Der beschlossene Wiederaufbaufonds war zunächst ein wichtiges politisches Signal für den Zusammenhalt Europas. In einem zweiten Schritt ist nun eine kluge Orchestrierung der Mittelverwendung zentral: Möglichst viel sollte investiv zur Förderung von Zukunftstechnologien eingesetzt werden. Digitale Infrastruktur wie das 5G-Netz und Klimatechnologie sind hier zentrale Stichworte.
Bei grünen Technologien hat Deutschland eine gute Ausgangsbasis – eines der wenigen Felder mit Chancen, in einem wachsenden globalen Markt eine führende Rolle zu spielen. Denn der Kampf gegen den Klimawandel und für die grüne Transformation der Wirtschaft bleibt trotz Corona eine Jahrhundertaufgabe. Dazu gehören zum Beispiel bessere Elektromotoren, Recycling-Anlagen oder grüner Wasserstoff. Laut einer Studie des VDMA und der BCG könnte der Maschinen- und Anlagenbau in solchen Bereichen bis zum Jahr 2050 global zusätzlich 10 Billionen Euro erwirtschaften.
Ein gewaltiger Kuchen – wie groß der Anteil deutscher Firmen daran sein wird, hängt auch vom Ausgang der US-Wahl ab. Dass Deutschland und Europa aktuell im Bereich grüner Technologien einen Vorsprung gegenüber den USA haben, hat mit dem Desinteresse von US-Präsident Trump am Klimaschutz zu tun. Sein demokratischer Konkurrent Joe Biden hat allerdings angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs massiv in nachhaltige Infrastruktur und erneuerbare Energien investieren zu wollen.
Die avisierte Größenordnung staatlicher Investitionen von 2,4 Billionen US-Dollar beträgt ein Vielfaches dessen, was aktuell in Europa an Mitteln für grüne Projekte geplant wird. Sprich: Wenn die USA aufs klimapolitische Gaspedal treten, ist Europas Vorsprung schnell eingeholt.
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