Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Wie Zinsmanipulation die Wirtschaft ruiniert
Aktualisiert am 05.03.2020 - 15:23 Uhr
Christine Lagarde ist seit 1. November EZB-Präsidentin.
Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit erklärt, wie Zentralbanken Zinsen manipulieren und dadurch große Wirtschaftskrisen heraufbeschwören.
Die empfundenen Kosten, die mit Familie und Kinderreichtum verbunden sind, werden zusehends gescheut. Scheidungen zur „Lösung“ von Eheproblemen werden attraktiver; denn die Kosten, um über partnerschaftliche Schwierigkeiten hinwegzukommen, steigen. Die Qualität der Ausbildung leidet: Wenn das Hier und Jetzt noch wichtiger wird, dann wendet man weniger Zeit auf, um sich über den Tag hinaus, auf zeitintensiven Wegen zu bilden und reifen zu lassen.
Die Sitten verfallen: Manieren zu erlernen und Rücksicht zu nehmen sind aufwendige Tätigkeiten. Im zwischenmenschlichen Umgang zahlen sie sich häufig erst langfristig aus. Gutes Benehmen bleibt daher auf der Strecke, wenn die Zeitpräferenz der...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die empfundenen Kosten, die mit Familie und Kinderreichtum verbunden sind, werden zusehends gescheut. Scheidungen zur „Lösung“ von Eheproblemen werden attraktiver; denn die Kosten, um über partnerschaftliche Schwierigkeiten hinwegzukommen, steigen. Die Qualität der Ausbildung leidet: Wenn das Hier und Jetzt noch wichtiger wird, dann wendet man weniger Zeit auf, um sich über den Tag hinaus, auf zeitintensiven Wegen zu bilden und reifen zu lassen.
Die Sitten verfallen: Manieren zu erlernen und Rücksicht zu nehmen sind aufwendige Tätigkeiten. Im zwischenmenschlichen Umgang zahlen sie sich häufig erst langfristig aus. Gutes Benehmen bleibt daher auf der Strecke, wenn die Zeitpräferenz der Menschen künstlich erhöht wird. Auch die Ästhetik verkommt: Modische Eintagsfliegen haben es leichter, Käufer zu finden, das Brechen mit „bewährten Klassikern“ wird erleichtert. Beispielsweise stampft man Bauten, die so gut wie eben möglich dem Durchschnittsgeschmack gefallen sollen, so schnell wie eben möglich aus dem Boden, Schönheitsaspekte werden dabei zweitrangig.
Und nicht zuletzt sorgen der Überkonsum und die Fehlallokationen, die beide Folgen der Zinsmanipulation sind, für eine verstärkte Nutzung von Naturressourcen. Auf diese Weise werden Umweltprobleme geschürt: Es kommt zum Abbau und Verbrauch von Rohstoffen für den Überkonsum und die Fehlinvestitionen.
Die widersprüchliche Theorie des negativen gleichgewichtigen Zinses
In den letzten Jahren haben einige meinungsführende Ökonomen die Theorie vorgelegt, der „gleichgewichtige Zins“ – beziehungsweise der Urzins – sei negativ geworden. Das verbinden sie mit einer normativen Forderung: Weil der gesellschaftliche Urzins negativ sei, müssten die Zentralbanken den Marktzins in den Negativbereich befördern, um Wachstum und Beschäftigung zu unterstützen. Einige Zentralbanken sind dem Ruf bereits gefolgt: die Europäische Zentralbank, die Schweizerische Nationalbank sowie auch die dänische und schwedische Zentralbank. Was ist davon zu halten? Die Idee, der Urzins könnte null Prozent oder gar negativ werden, ist logisch widersprüchlich und daher falsch.
Der Urzins kann sich zwar auf die Nulllinie zubewegen, er kann aber niemals null oder negativ werden. Wenn man behauptet, der Urzins sei null, dann verneint man damit den logisch nicht widerlegbaren Satz, dass der Mensch handelt; und das ist zweifelsohne falsch. Ein negativer Urzins ist für den menschlichen Geist überhaupt nicht sinnvoll zu verstehen. Wohlgemerkt: Die Zentralbank kann zwar den Marktzins auf oder auch unter die Nulllinie zwingen, indem sie zum Beispiel Anleihen zu einem Preis kauft, der höher ist als die Summe der Zinscoupons und der Tilgungszahlung der Anleihe. Aber dadurch erzeugt sie notwendigerweise ein Ungleichgewicht, niemals ein Gleichgewicht, denn der Urzins, den die handelnden Menschen in sich tragen, kann aus logischen Gründen nicht null oder gar negativ werden.
Wenn der Urzins null wäre, dann würde der Preis für Boden ins Unermessliche steigen. Die Bodenerträge, die sich über eine unendliche Nutzungsdauer erstrecken, würden dann mit einem Nullzins abgezinst, und das liefe auf einen Barwert und damit einen Marktpreis von Unendlich hinaus. Boden könnte dann gar nicht mehr gegen Geld gekauft und verkauft werden, sondern liesse sich nur noch tauschen gegen andere Grundstücke. Und weil der Preis für Boden natürlich in alle anderen Güterpreise eingeht, würden auch diese Güter unbezahlbar.
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