Natixis-Strategin Esty Dwek
Detox für die Märkte

Esty Dwek ist bei Natixis für globale Marktstrategien zuständig. Foto: Natixis Investment Managers
Tatsächlich haben sich Staaten und Unternehmen bereits an eine Politik des billigen Geldes gewöhnt, befürchtet Natixis-Strategin Esty Dwek. Fast habe es den Anschein, als würden diese ohne immer neue Liquidität auf den Märkten nicht mehr auskommen können.
Seit geraumer Zeit schon wird das Geschehen an den Kapitalmärkten mit einer Suchtkrankheit verglichen, vor allem, wenn es um die Entwicklung risikoreicherer Anlageklassen und dort insbesondere um Aktien geht. Die Aussage hinter diesem Vergleich: Die Märkte funktionieren nicht mehr vollständig aus eigener Kraft, sondern benötigen inzwischen Aufputschmittel, um weiter auf den Beinen zu bleiben.
Dieser Befund ist durchaus nicht aus der Luft gegriffen. Tatsächlich haben sich die Märkte seit dem „Taper Tantrum“ an eine Geldpolitik des billigen Geldes gewöhnt und fast hat es den Anschein, als würde sie ohne immer neue Liquidität auf den Märkten nicht auskommen.
Die Corona-Krise...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Seit geraumer Zeit schon wird das Geschehen an den Kapitalmärkten mit einer Suchtkrankheit verglichen, vor allem, wenn es um die Entwicklung risikoreicherer Anlageklassen und dort insbesondere um Aktien geht. Die Aussage hinter diesem Vergleich: Die Märkte funktionieren nicht mehr vollständig aus eigener Kraft, sondern benötigen inzwischen Aufputschmittel, um weiter auf den Beinen zu bleiben.
Dieser Befund ist durchaus nicht aus der Luft gegriffen. Tatsächlich haben sich die Märkte seit dem „Taper Tantrum“ an eine Geldpolitik des billigen Geldes gewöhnt und fast hat es den Anschein, als würde sie ohne immer neue Liquidität auf den Märkten nicht auskommen.
Die Corona-Krise hat diese Situation noch verschärft. Denn neben den Zentralbanken sind nun verstärkt auch die Staaten zu einer Politik massiver finanzpolitischer Stimuli übergegangen. Allein in Deutschland belaufen sich die Hilfsprogramme für die Wirtschaft auf über 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Manche der Maßnahmen waren zwar als vorübergehend gedacht, wurden inzwischen jedoch wieder verlängert.
Und Deutschland steht nicht allein. Der Blick auf die EU und die USA zeigt, dass von den leistungsfähigen Staaten weltweit gegenwärtig immense Summen in den Wirtschaftskreislauf eingespeist werden.
Angesichts dieser Entwicklung kommen Zweifel auf, ob dies gutgehen kann. Es stellt sich die Frage, ob die Finanzwirtschaft inzwischen so süchtig nach Konjunkturprogrammen geworden ist, dass sie ohne diese am Ende gar nicht mehr auskommen kann. Die Beobachter wissen zwar, dass ein Ausstieg aus der Politik des fortgesetzt billigen Geldes und fortgesetzt hoher Liquidität gefunden werden muss. Dennoch ist der Entzug keine einfache Sache.
Viele Fragen stellen sich. Wann ist der richtige Zeitpunkt dafür gekommen? Sollte der Entzug regional differenziert erfolgen? Könnte ein verfrühter Entzug die Konjunktur abwürgen? Fördert die weitere Verabreichung der Droge Geld die Entstehung und schließlich das Platzen von Blasen an den Finanz- und Kapitalmärkten?
All diese Fragen sind berechtigt, sollten meiner Auffassung nach allerdings nicht dramatisiert werden. Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass angesichts der sich verschärfenden Coronalage und den daraus resultierenden erneuten Lockdowns in ganz Europa zusätzliche fiskalische Maßnahmen nötig sind. Dies gilt mindestens für so lange, bis eine nachhaltige Stabilisierung der Situation erkennbar ist. Dies kann dauern.
Denn selbst wenn sich die Impfungen in ganz Europa beschleunigen sollten, dürften Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens auf absehbare Zeit zur Realität gehören. Viele Sektoren werden mit den Folgen weiterhin zu kämpfen haben. Die Arbeitsmärkte werden daher Zeit brauchen, um sich zu erholen. Die Stimuli der Staaten sind unter den gegebenen Umständen also ein Gebot der Stunde und es ist zu hoffen, dass die Regierungen aus den Jahren 2008 bis 2009 gelernt haben und ihre Unterstützung nicht voreilig zurückziehen.
Stellt die mit den Hilfsprogrammen verbundene Liquidität möglicherweise jedoch eine Gefahr für die Finanzmärkte dar? In der Tat könnten sich die Märkte irgendwann Sorgen über ansteigende Schulden- und Defizitniveaus oder düstere Gedanken über zu hohe Ausgaben machen. Das gilt insbesondere mit Blick auf die USA.
Dort hat Präsident Joe Biden gerade ein Programm für Infrastrukturmaßnahmen in Höhe von drei Billionen US-Dollar vorgelegt, zusätzlich zu weiteren bereits beschlossenen Hilfsmaßnahmen in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar. Und das zu einem Zeitpunkt, da die US-Wirtschaft wieder in den Vorwärtsgang geschaltet hat und das Wachstum 2021 auf über beachtliche sechs Prozent steigen soll.
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