Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch für Deutschlands Versicherer eine immer wichtigere Rolle: „Die Assekuranz kann einen spürbaren Beitrag für eine intakte Umwelt und vor allem ein menschenwürdiges Leben leisten“, sagt Michael Franke, Geschäftsführer der Franke und Bornberg. Die von ihm geführte Rating-Agentur aus Hannover hat jetzt das dritte Jahr in Folge ihren ESG-Report (Bestellung per E-Mail) herausgegeben. 

Michael Franke
Michael Franke: © Franke und Bornberg

ESG steht für Environmental, Social und Governance, auf Deutsch also Nachhaltigkeit in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Im Segment Umwelt analysiert der ESG-Report unter anderem Treibhausgasemissionen, CO2-Kompensation, Verbräuche von Wasser, Strom, Papier und Heizenergie, Abfallmengen sowie Dienstreisen und Arbeitswege. 

Bei Soziales geht es um Geschlechtergerechtigkeit, die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, Tarifverträge und Ausbildungsplätze, aber auch gemeinwohl-orientiertes Engagement wie Spenden und Sponsoring. Im Bereich Unternehmensführung stehen die Anlagestrategien der Versicherer sowie Mitgliedschaften in Nachhaltigkeitsinitiativen im Mittelpunkt. 

 

So nachhaltig investieren Versicherer 

Versicherer müssen bei ihren Investments eine Balance finden zwischen Anlagevorschriften, Nachhaltigkeit und einer attraktiven Rendite. In der Praxis kombinieren die untersuchten Gesellschaften verschiedene Anlagestrategien. Am häufigsten vertreten sind Ausschlusskriterien, beispielsweise für Kohle und Öl, aber auch bei Kinderarbeit und weiteren Verstößen gegen Menschenrechte. 

Anlagestrategien deutscher Versicherer  

Anlagestrategien deutscher Versicherer
Anlagestrategien deutscher Versicherer © Franke und Bornberg GmbH

Unterschiedliche Anlagestrategien schließen einander nicht zwangsläufig aus, betont Franke. So kann zum Beispiel der sogenannte Best-in-Class-Ansatz mit einer Negativselektion kombiniert werden, erklärt der Chef der Rating-Agentur. In diesem Fall werden kontroverse Branchen per se ausgeschlossen und in den verbleibenden Branchen die jeweils nachhaltigsten Unternehmen ausgewählt. 

Spenden der Versicherer fürs Gemeinwohl 

Spendenquoten der Versicherer
Spendenquoten der Versicherer © Franke und Bornberg GmbH

Für den diesjährigen ESG-Report wurde erstmals auch die Spendenquote untersucht. Fast alle befragten Unternehmen spenden für einen guten Zweck. „Aber de facto bleiben sie hinter ihren Möglichkeiten zurück und nutzen für Spenden bestenfalls die Portokasse“, kritisiert Franke. 50 Prozent der Versicherer spenden von einer Million Euro Beitrag demnach lediglich 68 Cent oder weniger. 

Was nachhaltige Versicherungen ausmacht 

Das Kerngeschäft der Versicherer bietet den Unternehmen laut Franke vielfältige Möglichkeiten, ihre Produkte nachhaltig zu gestalten. Im ESG-Report 2023 geht es daher erstmals auch darum, wie und bei welchen Produkten sie davon Gebrauch machen. Am weitesten verbreitet sind ESG-Aspekte demnach in der Lebensversicherung. 21 der untersuchten Versicherer haben Produkte in Bezug auf ESG-Kriterien angepasst. 

Produktanpassungen bei Lebensversicherern 

Produktanpassungen bei Lebensversicherern 
Produktanpassungen bei Lebensversicherern  © Franke und Bornberg GmbH

Teilgenommen haben an der diesjährigen Studie insgesamt 28 Versicherer, die rund die Hälfte des deutschen Erstversicherungsmarktes nach gebuchten Bruttobeiträgen ausmachen. Elf von ihnen stufen ihr Sicherungsvermögen nach Artikel 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung ein und/oder halten entsprechende Fonds. Aus Angst vor Greenwashing-Vorwürfen, sind viele mittlerweile zurückhaltender. 

Standards noch immer dringend gesucht 

Vergleich der Bezugsgrößen
Vergleich der Bezugsgrößen © Franke und Bornberg GmbH

Greenwashing ist eine reale Gefahr, steht für die Studienautoren fest. Sie haben ihre selbst erhobenen Daten aktuell auch mit den Nachhaltigkeitsberichten von 22 Versicherern abgeglichen. Doch nicht jeder Versicherer legt seine Verbräuche und Emissionen vollständig offen. Und weil die Unternehmen ihre Berichte relativ frei gestalten können, fehlen einheitliche Bezugsgrößen (siehe Grafik oben). 

Nachhaltigkeit bei Sachversicherungen 

Produktanpassungen bei Sachversicherern
Produktanpassungen bei Sachversicherern © Franke und Bornberg GmbH

Aber auch Komposit-Versicherer böten erste Produktansätze für mehr Nachhaltigkeit: Wohngebäude-Policen versichern Photovoltaikanlagen oder Wallboxen für Elektrofahrzeuge standardmäßig. Hausratversicherungen erstattet zusätzliche Kosten für energieeffiziente Haushaltsgeräte sowie Reparaturen statt Neukauf. Und Kfz-Versicherer belohnen umweltbewusstes Verhalten von Autofahrern. 

„Versicherungen von Grund auf neu denken“ 

„Die Assekuranz muss Produkte von Grund auf neu denken. Frische Ideen sind hier wichtiger als Taxonomiekonformität, zumal die jüngsten Entwicklungen im Bereich Taxonomie viele Fragen aufwerfen“, kommentiert Franke. Erfolgversprechender sei eine Orientierung an den 17 Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Denn sie lieferten vielfältige Anregungen für nachhaltigere Produkte. 

 

Denn: „Nachhaltigkeit ist eine Frage der Werte und reicht über die aktuellen regulatorischen Anforderungen weit hinaus“, betont Franke. „Manche ESG-Vorgaben aus Brüssel sind im besten Fall gut gemeint, oft aber nicht gut gemacht. Ob EU-Klimataxonomie oder Offenlegungsverordnung und Präferenzabfrage – hier läuft Vieles noch nicht rund“, kritisiert er die teils widersprüchlichen Regeln.