Investment-Stratege Robert Almeida
Warum am Finanzmarkt weniger mehr ist

Investment-Stratege Robert Almeida
Mein Kollege Steve Eastman hat den Kampf gegen den Krebs verloren. Steve war Relationship Manager bei MFS und ein begnadeter Netzwerker. Das zeigten seine engen Kundenkontakte und die berührenden Würdigungen vieler Kollegen. Alle haben Steve gemocht. Kurz nachdem ich meine heutige Aufgabe übernommen habe, bat er mich, ihn bei einem Kundenbesuch zu begleiten. Alles war neu, und ich machte noch v...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Mein Kollege Steve Eastman hat den Kampf gegen den Krebs verloren. Steve war Relationship Manager bei MFS und ein begnadeter Netzwerker. Das zeigten seine engen Kundenkontakte und die berührenden Würdigungen vieler Kollegen. Alle haben Steve gemocht. Kurz nachdem ich meine heutige Aufgabe übernommen habe, bat er mich, ihn bei einem Kundenbesuch zu begleiten. Alles war neu, und ich machte noch viele Fehler. Aber ich konnte ihm den Wunsch nicht abschlagen. Mein Auftritt beim Kunden war eher mittelmäßig. Damals, zu Beginn meiner Laufbahn, wollte ich einfach zu viel. Ich sagte das, was die Menschen von einem Investmentstrategen meiner Ansicht nach hören wollten – und nicht das, was mir wichtig schien.
Auf der Rückfahrt nach Boston machte ich aus meiner Enttäuschung keinen Hehl. Steve, stets optimistisch und nobel, sagte, dass ich einfach nur ich selbst sein sollte: „Weniger ist mehr!“ Das wurde zu unserem geflügelten Wort. Seit diesem Tag versuche ich, seinem Rat zu folgen – indem ich auf das achte, was wirklich zählt, und dabei offen und ehrlich bin.
Beim Versuch, die Märkte zu prognostizieren, verwandten viele Experten zuletzt reichlich Gehirnschmalz auf die Deutung der diversen Marktsignale – die Steigung verschiedener Zinsstrukturkurven, die höchste Inflation seit Jahrzehnten und die steigenden Arbeitskosten. Daraus wollten sie ableiten, wie es am Markt weitergeht. Aber so einfach ist es nicht. Investieren ist schwierig, weil Volkswirtschaften und Märkte komplexe, adaptive Systeme sind. Menschen ändern ihr Verhalten, weil andere Menschen ihr Verhalten ändern.
Hinzu kommt, dass die Konvergenz von Meinungen oft zu Fehlsignalen führt – erst recht, wenn der Herdentrieb einsetzt. Investieren kann aber auch sehr einfach sein: Der Wert aller Finanzinstrumente, ob börsennotiert oder nicht, ob Aktien oder Anleihen, ergibt sich letztlich aus ihrem Cashflow. Machen wir es also nicht zu kompliziert und befassen wir uns mit dem, was wirklich zählt. Interpretieren wir nicht zu viel in die sich ständig ändernden Konjunkturindikatoren, damit wir nicht auf die falsche Fährte gelockt werden.
Betrachten wir stattdessen die Gewinnmargen als Proxy für die Cashflows. Die folgende Abbildung zeigt ihre Entwicklung in den USA und außerhalb der USA in den letzten 20 Jahren.
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