HWWI-Chef Vöpel über das europäische Dilemma
Weshalb Europa nicht stabil sein kann und dennoch weitermachen muss
Aktualisiert am 17.08.2018 - 14:08 Uhr
Henning Vöpel ist seit 2014 Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Foto: HWWI
Die derzeit synchronisierte Konjunktur in der Eurozone überdeckt, dass die strukturellen Probleme für die Verträglichkeit einer gemeinsamen Währung mitnichten gelöst sind. Erste Anzeichen einer einsetzenden Abschwächung der Konjunktur und drohende Zinsänderungsrisiken können im Zusammenhang mit den politischen und ökonomischen Problemen in Italien die Eurokrise sehr schnell akut werden lassen.
as die Eurozone, die unverändert kein optimaler Währungsraum ist, weil die strukturellen Unterschiede nicht ab-, sondern im Gegenteil eher noch aufgebaut worden sind, unzweifelhaft braucht, ist ein fiskalpolitischer Rahmen, der die einheitliche Geldpolitik flankiert. Macron hat hierzu vor einiger Zeit weitgehende Vorschläge unterbreitet, die von Merkel bislang nur halbherzig beantwortet worden sind. Die Politik schlittert in den gleichen Fehler hinein, den sie schon mit den Maastricht-Verträgen gemacht hat: In den Irrtum eines vagen politischen Stabilitätsversprechens, das sie selbst nicht erfüllen kann.
Der nächste institutionelle Schritt, den Europa unternimmt, aber muss über Maastricht...
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as die Eurozone, die unverändert kein optimaler Währungsraum ist, weil die strukturellen Unterschiede nicht ab-, sondern im Gegenteil eher noch aufgebaut worden sind, unzweifelhaft braucht, ist ein fiskalpolitischer Rahmen, der die einheitliche Geldpolitik flankiert. Macron hat hierzu vor einiger Zeit weitgehende Vorschläge unterbreitet, die von Merkel bislang nur halbherzig beantwortet worden sind. Die Politik schlittert in den gleichen Fehler hinein, den sie schon mit den Maastricht-Verträgen gemacht hat: In den Irrtum eines vagen politischen Stabilitätsversprechens, das sie selbst nicht erfüllen kann.
Der nächste institutionelle Schritt, den Europa unternimmt, aber muss über Maastricht weit hinausgehen. Die technischen Anforderungen an eine stabile Währungsunion sind weit weniger verhandelbar als politische Positionen. Die Eurozone braucht glaubwürdige Regeln. Aber genau hier liegt das Problem: Die gibt es nicht, ohne einen Schritt weiter zu gehen.
Viele Politikfelder noch in hoheitlicher Souveränität
Ein regelbasierter Stabilitätsmechanismus, der die Europäische Zentralbank von ihrer quasi-fiskalischen Stabilisierungsfunktion (Ankauf von Schulden der Krisenländer) befreit, greift notwendig in wesentliche Politikfelder ein, die sich aber derzeit (noch) in hoheitlicher Souveränität der Mitgliedsstaaten befinden. Spieltheoretisch hängt die Glaubwürdigkeit eines funktionsfähigen fiskalischen Mechanismus zwingend an der politischen Durchsetzung der Regeln.
Ein solcher Mechanismus besteht dabei aus einer Kombination von Instrumenten automatischer Stabilisierung und Instrumenten zur Sanktionierung von sich fehlverhaltenden Mitgliedsstaaten. Beides erfordert letztlich die Möglichkeit, in hoheitliche Souveränität einzugreifen. Existiert diese Möglichkeit nicht, gibt es faktisch keine Durchsetzung der Regeln. Wenn es diese aber nicht gibt, besteht gegenüber den Märkten keine politische Glaubwürdigkeit, so dass diese beginnen werden, gegen den Euro oder den Verbleib einzelner Länder zu spekulieren, mit dem bekannten systemischen Risiko für die Eurozone insgesamt und die Finanzmarktstabilität.
Interne Stabilität innerhalb der Eurozone und externe Stabilität gegenüber den Märkten gehören also untrennbar zusammen. Gegenüber den Märkten ist das politische Stabilitätsversprechen nur glaubhaft, wenn es einen legitimierten Eingriff in die Souveränität der Mitgliedsstaaten in wesentlichen Politikfeldern gibt. Dabei geht es nicht um die viel beschworenen gemeinsamen Werte und Interessen in der Außen- und Sicherheitspolitik, sondern um zum Teil sehr unterschiedliche Vorstellungen und Regulierungen in der Arbeitsmarkt- oder der Rentenpolitik.
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