IW-Ökonom Dominik Enste
Wirtschaftskriminalität kostet Unternehmen 18 Prozent Umsatz
Aktualisiert am 17.03.2020 - 15:37 Uhr
Dominik Enste ist Leiter des Kompetenzfelds Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik beim Institut der deutschen Wirtschaft. Foto: IW
Durch Korruption, Kartelle und Schwarzarbeit erleiden deutsche Unternehmen jedes Jahr Umsatzverluste von rund 18 Prozent. In der Baubranche sind illegale Geschäftspraktiken besonders stark verbreitet.
Einschätzung der Bedrohung
Die Umsatzeinbußen verteilen sich sehr unterschiedlich auf die Unternehmen und Delikt. Die Hälfte leidet gar nicht unter Schwarzarbeit der Konkurrenten. Vor allem Unternehmen der Baubranche klagen über die illegale Konkurrenz (Enste, 2019). Keine Probleme mit Preisabsprachen oder Bestechung der Konkurrenten haben nach eigenen Angaben rund ein Drittel. Umsatzverluste im Umfang von ein bis zehn Prozent durch Korruption befürchtet knapp die Hälfte der Unternehmen, durch verbotene Kartellbildung knapp 40 Prozent. Weitere jeweils 15 Prozent der Betriebe beziffern ihre Umsatzverluste durch unerlaubte Geschenke oder Absprachen sogar auf bis zu 30 Prozent....
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Einschätzung der Bedrohung
Die Umsatzeinbußen verteilen sich sehr unterschiedlich auf die Unternehmen und Delikt. Die Hälfte leidet gar nicht unter Schwarzarbeit der Konkurrenten. Vor allem Unternehmen der Baubranche klagen über die illegale Konkurrenz (Enste, 2019). Keine Probleme mit Preisabsprachen oder Bestechung der Konkurrenten haben nach eigenen Angaben rund ein Drittel. Umsatzverluste im Umfang von ein bis zehn Prozent durch Korruption befürchtet knapp die Hälfte der Unternehmen, durch verbotene Kartellbildung knapp 40 Prozent. Weitere jeweils 15 Prozent der Betriebe beziffern ihre Umsatzverluste durch unerlaubte Geschenke oder Absprachen sogar auf bis zu 30 Prozent. Dabei leiden Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern deutlich mehr unter der illegalen Kartellbildung und Korruption als kleinere. Drei von vier Großunternehmen gehen von Erlöseinbußen zwischen ein und 30 Prozent durch Bestechung oder Preis- und Mengenabsprachen aus. Wie auch andere Studien immer wieder gezeigt haben (Enste, 2019), ist die Baubranche am meisten von Schwarzarbeit (Durchschnitt: 9,1 Prozent Umsatzverlust), aber auch Korruption (8,7 Prozent) und Kartellabsprachen (7,7 Prozent) betroffen. Die Industrie ist überdurchschnittlich stark nur von Bestechung betroffen. Exporte, internationale Vernetzung, Nettoumsatzrendite oder Forschungsorientierung der Unternehmen leisten keinen systematischen, zusätzlichen Erklärungsbeitrag für die Betroffenheit der Unternehmen von diesen Wirtschaftsdelikten. Allerdings beziffern Unternehmen mit einer negativen Nettoumsatzrendite ihre Umsatzeinbußen um 10 bis 25 Prozent höher als alle Unternehmen.
Auswirkungen auf den Umsatz
Alle 3,3 Millionen Unternehmen in Deutschland erzielten im Jahr 2017 einen Umsatz von 6,65 Billionen Euro (Statistisches Bundesamt, 2018). In der Unternehmensbefragung sind nicht alle Branchen enthalten, unter anderem fehlt der Einzelhandel und Finanz- und Versicherungsdienst-leistungen. Die erfassten Branchen erwirtschafteten 2017 einen Umsatz von 5,4 Billionen Euro. Der Umsatzverlust durch Korruption in diesen Branchen beträgt 6,2 Prozent. Dies entspricht Umsatzeinbußen von rund 335 Milliarden Euro jährlich. Geht man davon aus, dass die nicht erfassten Branchen in ähnlicher Weise von diesen Formen der Wirtschaftskriminalität betroffen sind, ergibt sich eine Summe von rund 412 Milliarden Euro. Der Umsatzverlust durch Schwarzarbeit liegt schätzungsweise bei rund 4,7 Prozent (254 Milliarden Euro) im Jahr 2017 für die untersuchten Branchen und bei 313 Milliarden Euro für alle Branchen. Am gravierendsten werden die Schäden durch Kartelle eingeschätzt. Es werden Umsatzeinbußen in Höhe von durchschnittlich 7,1 Prozent befürchtet und damit insgesamt von 383 Milliarden Euro jährlich für die befragten Branchen und bei 472 Milliarden Euro für alle Branchen. Zusammengenommen werden basierend auf diesen unternehmenseigenen Schätzungen durch die Delikte durchschnittlich 18 Prozent weniger Umsätze legal erzielt. Diese Einbußen sind nicht gleichbedeutend mit Verlusten für die gesamte deutsche Wirtschaft, da die Erlöse teilweise dennoch erzielt werden – nur eben mit verbotenen Mitteln oder unter Umgehung von zum Beispiel steuerrechtlichen Vorgaben. Diese Zahlen verdeutlichen aber, dass Korruption und Co. selbst in gut entwickelten, erfolgreichen Volkswirtschaften eine Gefahr sind. Die Schäden in Ländern mit deutlich mehr derartiger Delikte sind entsprechend höher.
Bisherige Schätzungen und Analyse zur Korruption basieren unter anderem auf den Befragungen von Experten oder der Bevölkerung (Enste/Heldmann, 2018; Transparency International, 2019). Auch dort wird ersichtlich, dass Korruption eine Gefahr für wirtschaftliche Prosperität und gesellschaftlichen Zusammenhalt sind. Für Deutschland berichten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften grundsätzlich, unter anderem aufgrund der verschärften Compliance Regelungen, von einem positiven Trend zur Verringerung der Korruptionsbetroffenheit. Jedes fünfte Unternehmen hat demnach 2015 noch Geschäfte aufgrund von Korruption verloren. 2017 war dies nur noch jedes zehnte Unternehmen. Aber hier wurden nur Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern befragt (pwc/Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Hrsg.) 2018). Diese Studie kommt ansonsten zu ähnlichen Größenordnungen hinsichtlich der Bedeutung von Kartellen. Die dort befragten Unternehmen (n=500) gehen von rund 8 Prozent Umsatzanteilen aus, die auf wettbewerbswidrigen Absprachen basieren.
Literatur
BKA, 2018, Korruption Lagebild 2017, WiesbadenBundeskartellamt, 2018, Jahresbericht 2017, Bonn
Enste, Dominik, 2019, 300 Milliarden Euro Umsatzverluste durch Schwarzarbeit, IW-Kurzbericht , Nr. 1, Köln
Enste, 2018, The shadow economy in industrial countries, IZA World of Labor, Bonn
Enste, Dominik / Heldman, Christina, 2018, The conse-quences of corruption, in: Barney Warf, Handbook on the Geographies of Corruption, Cheltenham/Northampton, S. 106–114
Statistisches Bundesamt, 2018, Umsatz der Unternehmen in Deutschland, Wiesbaden
Transparency International Deutschland, 2019, Korruptionswahrnehmungsindex 2018, Berlin
Zoll, 2019, https://www.zoll.de/DE/Presse/Zahlen-Fak-ten/zahlen-fakten_node.html) [17.6.2019]
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