Chefvolkswirt Jörg Zeuner
Deutschlands Wirtschaft braucht den Schulterschluss mit Europa
Aktualisiert am 17.03.2020 - 15:31 Uhr
Showeinlage bei den Europaspielen in Baku: Jörg Zeuner fordert Mittelständler zu europaweitem Engagement auf
Mittelständische Unternehmen tragen viel zum Wirtschaftserfolg Deutschlands bei. Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, müssen sie jedoch vermehrt den Schulterschluss mit Europa suchen.
Frankreich als Vorbild
Mit Klimawandel, Digitalisierung und neuen Antriebsformen stehen die deutschen Branchen vor zahlreichen Herausforderungen, denen sie sich dringend stellen müssen. Gerade bei der Digitalisierung geht es oft genug auch um neue Geschäftsmodelle. Umso schmerzlicher, dass die Unternehmen seit Jahren immer mehr sparen statt zu investieren. Sie sollten sich ein Beispiel an Frankreich nehmen. Französische Unternehmen nutzen die Negativzinsen aggressiver. Sie nehmen deutlich mehr Kredite auf, um Investitionen und Übernahmen zu finanzieren. Viele investieren in neue Geschäftsmodelle und moderne Technologien und stellen sich damit zukunftsfähiger auf.
Allerdings...
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Frankreich als Vorbild
Mit Klimawandel, Digitalisierung und neuen Antriebsformen stehen die deutschen Branchen vor zahlreichen Herausforderungen, denen sie sich dringend stellen müssen. Gerade bei der Digitalisierung geht es oft genug auch um neue Geschäftsmodelle. Umso schmerzlicher, dass die Unternehmen seit Jahren immer mehr sparen statt zu investieren. Sie sollten sich ein Beispiel an Frankreich nehmen. Französische Unternehmen nutzen die Negativzinsen aggressiver. Sie nehmen deutlich mehr Kredite auf, um Investitionen und Übernahmen zu finanzieren. Viele investieren in neue Geschäftsmodelle und moderne Technologien und stellen sich damit zukunftsfähiger auf.
Allerdings kann man den Unternehmen hierzulande nur bedingt Vorwürfe machen. Denn die Innovationsfähigkeit ist grundsätzlich vorhanden. In der Eurokrise haben sie gezeigt, dass sie sehr flexibel sind. Teilweise ist der Umbau der Geschäftsmodelle schon im Gange. Für ihre Innovationsfähigkeit erhalten die DAX 30-Unternehmen daher von uns durchaus gute Noten. Hinderlich ist jedoch das Umfeld hierzulande, das trotz Negativzinsen nicht gerade zu mehr Investitionen einlädt. Wir brauchen in Deutschland und in Europa insgesamt klare, stabile Rahmenbedingungen, damit sich die deutschen Firmen wieder stärker auf die Heimat Europa fokussieren können. Hierzu zählen etwa ein flächendeckender Breitbandausbau, höhere Forschungs- und Bildungsausgaben oder eine moderne Zuwanderungsgesetzgebung. Die globalen Risiken lassen sich nur schwer steuern, viel der europäischen und deutschen Unsicherheit können wir aber sehr wohl reduzieren. Nur indem wir in Europa neue Wachstumschancen schaffen, stellen wir uns unabhängiger vom Rest der Welt auf.
Die Mitgliedsländer der EU haben es selbst in der Hand, ihr Wachstumspotenzial zu erhöhen. Das beginnt mit deutlich höheren staatlichen Nettoausgaben für Infrastruktur, Bildung, Modernisierung der Bürokratie und Innovationsförderung. Europas Staaten müssen in den Umbau hin zu einer CO2-neutralen Wirtschaft sowie in Digitalisierung investieren und Zukunftstechniken fördern. Die neue europäische Kommission sollte modernere, einheitliche Rahmenbedingungen anstreben und Standards vorgeben – wenn wir mehr IT-Ansiedlungen oder Elektromobilität wollen. Schließlich müssen sich die Euroländer zu einem Regime durchringen, das die Währungsunion strukturell stärkt. Das wird nicht ohne Risikoteilung gehen, setzt aber Wachstumskräfte frei. Die Zeit dafür ist jetzt da: Die Eurozone hat mit einer Verschuldung von 85 Prozent des BIPs den niedrigsten Schuldenstand unter den G3-Staaten. Und die Negativzinsen haben nur dann etwas Gutes, wenn wir investieren.
Die deutsche Wirtschaft ist ganz klar kein Auslaufmodell und wird getragen von einer großen Zahl auch mittelständischer, sehr erfolgreicher Unternehmen. Aber sie hat es unnötig schwer, wenn die Herausforderungen nicht angegangen werden. Vieles muss Deutschland selbst dazu beisteuern, aber wir sollten dabei europäisch denken. Schaffen wir den Schulterschluss in Europa nicht, droht nicht nur Deutschland, sondern auch Europa ein Japanisierungs-Szenario. Finden wir zurück zu einer europäischen Wachstumspolitik, werden die Unternehmen folgen und investieren. Soliden Renditen am Kapitalmarkt steht dann nichts entgegen.
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