Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé
Kann Italien seine Schulden begleichen?
Jörg Angelé ist Volkswirt bei Bantleon. Foto: Thomas Wieland
Italien ist seit vielen Jahren knapp bei Kasse und die Corona-Pandemie reißt ein weiteres Loch in den Staatshaushalt. Kann das Land die Schulden überhaupt irgendwann zurückzahlen? Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé mit einer Einschätzung.
Italien wurde mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 8,9 Prozent im Jahr 2020 besonders hart von der Corona-Pandemie getroffen. Hätte sich die Regierung in Rom nicht mit Ausgabenprogrammen im Bereich von vielen Milliarden Euro gegen die Rezession gestemmt, wäre das Minus sogar deutlich zweistellig ausgefallen. Der Preis dieser massiven fiskalischen Unterstützung war der Anstieg der Neuverschuldung auf den Rekordwert von 156,9 Milliarden Euro beziehungsweise 9,5 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Im laufenden Jahr wird höchstwahrscheinlich ein noch größeres Loch im Staatshaushalt klaffen: Die EU-Kommission rechnet mit einem Fehlbetrag von knapp 203 Milliarden Euro beziehungsweise...
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Italien wurde mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 8,9 Prozent im Jahr 2020 besonders hart von der Corona-Pandemie getroffen. Hätte sich die Regierung in Rom nicht mit Ausgabenprogrammen im Bereich von vielen Milliarden Euro gegen die Rezession gestemmt, wäre das Minus sogar deutlich zweistellig ausgefallen. Der Preis dieser massiven fiskalischen Unterstützung war der Anstieg der Neuverschuldung auf den Rekordwert von 156,9 Milliarden Euro beziehungsweise 9,5 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Im laufenden Jahr wird höchstwahrscheinlich ein noch größeres Loch im Staatshaushalt klaffen: Die EU-Kommission rechnet mit einem Fehlbetrag von knapp 203 Milliarden Euro beziehungsweise 11,7 Prozent des BIP. In der Folge explodieren die italienischen Staatsschulden: Die Verbindlichkeiten dürften 2021 auf 160 Prozent des BIP klettern, nachdem sie im Jahr 2019 noch bei 134,6 Prozent gelegen hatten.
Angesichts solcher Größenordnungen stellt sich unweigerlich die Frage nach der Tragfähigkeit dieses Schuldenbergs. Zurzeit ist diese zwar an den Märkten kein Thema, die Spekulationen über einen möglichen Schuldenkollaps Italiens könnten jedoch rasch zurückkehren. Dessen ungeachtet sind wir der Meinung, dass die Voraussetzungen für eine nachhaltige und merkliche Rückführung der Schuldenquote so gut sind wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Zum ersten, weil die EZB ihre schützende Hand ausgebreitet hat. Infolge der massiven Anleihenkäufe der vergangenen zehn Jahre hält die Notenbank inzwischen etwa 25 Prozent aller ausstehenden italienischen Staatsanleihen. Dieser Anteil wird im Lauf der Zeit sehr wahrscheinlich weiter steigen. Zudem hat die EZB klar kommuniziert, dass sie einen aus ihrer Sicht unverhältnismässigen Renditeanstieg nicht mehr zulassen wird.
Zum zweiten wird Italien bis 2026 etwa 85 Milliarden Euro (5 Prozent des BIP) an Zuschüssen aus dem EU-Wiederaufbaufonds erhalten. Abgesehen davon wird mit dem Wiederaufbaufonds der Grundstein für die gemeinsame Schuldenaufnahme aller EU-Länder gelegt. Zwar ist der Fonds offiziell als temporäre Maßnahme geplant, de facto wird er aber zu einer Dauereinrichtung werden und auch in künftigen wirtschaftlich schwierigen Phasen Gelder vor allem an die südlichen Mitgliedsländer verteilen.
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