Warburg-Investmentchef Christian Jasperneite
Mit Mobilitätsdaten gegen Corona
Christian Jasperneite ist seit Anfang 2009 Investmentchef der Privatbank M.M. Warburg & Co. Foto: M.M. Warburg & Co
Regierungen treffen in der Corona-Krise zahlreiche Entscheidungen scheinbar aus dem Bauch heraus. Dabei stellen Google und Apple für viele Länder Mobilitätsdaten zur Verfügung, auf deren Basis nötige Maßnahmen genau berechnet werden könnten. Wie das funktioniert, erklärt Christian Jasperneite von der Privatbank M.M. Warburg & Co.
Bei den meisten Ländern führt eine Reduktion der Mobilität um eine Standardabweichung (zum Vergleich: in den USA ging die Mobilität im März 2020 um deutlich mehr als eine Standardabweichung zurück) zu einem Rückgang des R-Wertes um etwa 0,4 bis 0,5 Punkte.
Die obige Tabelle bezieht sich dabei auf den R-Wert, der sich aus der Veränderung des Mittelwertes aller Mobilitätsdaten eines Landes ergibt – und zwar einige Tage, nachdem die Mobilität die Veränderung erfahren hat. Der maximale Effekt tritt in der Regel nach vier oder fünf Tagen ein (was im Übrigen auch biologisch Sinn ergibt, wenn man für die Inkubationszeit vier Tage unterstellt), kann aber von Land zu Land ein wenig...
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Bei den meisten Ländern führt eine Reduktion der Mobilität um eine Standardabweichung (zum Vergleich: in den USA ging die Mobilität im März 2020 um deutlich mehr als eine Standardabweichung zurück) zu einem Rückgang des R-Wertes um etwa 0,4 bis 0,5 Punkte.
Die obige Tabelle bezieht sich dabei auf den R-Wert, der sich aus der Veränderung des Mittelwertes aller Mobilitätsdaten eines Landes ergibt – und zwar einige Tage, nachdem die Mobilität die Veränderung erfahren hat. Der maximale Effekt tritt in der Regel nach vier oder fünf Tagen ein (was im Übrigen auch biologisch Sinn ergibt, wenn man für die Inkubationszeit vier Tage unterstellt), kann aber von Land zu Land ein wenig variieren und ist auch zehn Tage später noch hochsignifikant zu beobachten.
Doch warum gibt es so große Unterschiede zwischen den Ländern? Aus unserer Sicht bieten sich einige Interpretationen an. So ist beispielsweise die Mobilität in Spanien in großem Maße von Lockdowns geprägt gewesen, die den Tourismussektor tangierten. Das ließe darauf schließen, dass gerade auch Reisen und der Tourismus im Allgemeinen eine erhebliche Infektionsquelle darstellen. Dass Portugal hier am anderen Ende der Tabelle auftaucht, mag auch damit zusammenhängen, dass in Portugal der Tourismus 2020 insgesamt restriktiver gehandhabt wurde als in Spanien.
Kanada gibt angesichts der geringen Sensitivität ein kleines Rätsel auf. Eine mögliche Erklärung wäre die, dass in einem extrem dünn besiedelten Land eine Variation der Mobilität weniger stark durchschlägt als in einem sehr dicht besiedelten Land. Das würde vielleicht auch erklären, warum viele dichtbesiedelte Länder eher oben in der Tabelle zu finden sind, aber das ist sicher zu einem gewissen Grad Spekulation.
Keine Spekulation ist aber der Zusammenhang zwischen der Art der Mobilität und dem Umfang des Effektes auf den R-Wert. Im Anhang haben wir dazu eine Tabelle aufgeführt, die aufzeigt, wie im Durchschnitt über alle analysierten Länder der R-Wert in Abhängigkeit vom untersuchten time-lag und der Art der Änderung der Mobilität variiert.
Dabei zeigt sich, dass insbesondere eine Einschränkung der Mobilität im öffentlichen Nahverkehr einen erhöhten Effekt auf den R-Wert zu haben scheint. Das muss nicht bedeuten, dass auch die Ansteckung direkt in der U-Bahn oder im Bus erfolgt. Es spricht aber viel dafür, dass im Kontext der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs Tätigkeiten stehen, die zu Kontakten führen, die wiederum den R-Wert in die Höhe schnellen lassen. Damit im Zusammenhang stehen vermutlich der Besuch des Einzelhandels sowie andere Freizeitaktivitäten, die ebenfalls eine hohe Sensitivität in Bezug auf den R-Wert aufweisen.
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