Natixis-Strategin Esty Dwek
Wirrwarr um Großbritannien
Esty Dwek ist bei Natixis unter anderem für weltweite Marktstrategien zuständig. Foto: Natixis Investment Managers
Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union verunsichert Investoren. Natixis-Strategin Esty Dwek gibt ein Update zu laufenden Verhandlungen und sagt, wo Gefahren lauern.
Am 29. März 2017 unterrichtete das Vereinigte Königreich den Europäischen Rat über seine Absicht, gemäß Artikel 50 des EU-Vertrages aus der Europäischen Union auszutreten. Die Briten wollten sich damit aus der als schädlich empfundenen Abhängigkeit vom europäischen Regelwerk lösen und endlich frei werden. Als Konsequenz folgte nach fast drei Jahren, am 31. Januar 2020, der landläufig als Brexit bezeichnete formale Austritt der Briten.
Dieser Prozess lief alles andere als rund. Sowohl die Verhandlungspartner des Austrittsabkommens sowie die britische Politik selbst verhedderten sich immer wieder in Streitigkeiten. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Querelen um...
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Am 29. März 2017 unterrichtete das Vereinigte Königreich den Europäischen Rat über seine Absicht, gemäß Artikel 50 des EU-Vertrages aus der Europäischen Union auszutreten. Die Briten wollten sich damit aus der als schädlich empfundenen Abhängigkeit vom europäischen Regelwerk lösen und endlich frei werden. Als Konsequenz folgte nach fast drei Jahren, am 31. Januar 2020, der landläufig als Brexit bezeichnete formale Austritt der Briten.
Dieser Prozess lief alles andere als rund. Sowohl die Verhandlungspartner des Austrittsabkommens sowie die britische Politik selbst verhedderten sich immer wieder in Streitigkeiten. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Querelen um die Regelungen zur Post-Brexit Ära sind nur das aktuelle Beispiel hierfür. Ob der Brexit den Briten den Weg in eine bessere Zukunft weist, bleibt abzuwarten.
Die Finanzmärkte haben die Zäsur mit zunehmender Gelassenheit verarbeitet und manches bereits eingepreist. Die anfängliche Aufregung hat sich unter anderem auch deshalb schnell gelegt, weil das Brexit-Drama kein kurzer Einakter, sondern ein mehr als abendfüllendes Programm war, auf dessen Wendungen und Wirrungen sich die Beobachter gut einstellen konnten.
Kurz: der Brexit war eine Entwicklung und kein Event. Dies ist auch der Grund, warum die meisten Unternehmen in der EU den Brexit trotz mancher Unsicherheit nicht mehr als Schreckgespenst betrachten. Auch sie hatten Zeit genug, um sich auf das Kommende vorzubereiten und Maßnahmen zu entwickeln, um mit dem Unvermeidlichen umzugehen.
Was aber ist mit der britischen Wirtschaft? Der Blick auf die Zahlen für dieses Jahr lässt nichts Gutes erwarten. Seit Beginn des Jahres befindet sich die Wirtschaft in UK im Schrumpfungsprozess. Besonders schlimm war der Rückgang im zweiten Quartal. Nach Angaben des Statistik Portals Statista sank das reale BIP in Großbritannien saisonbereinigt um 19,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal und um rund 21,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.
Das bedeutet erhebliche Wohlstandsverluste, die zwar teilweise auch durch die Corona-Pandemie erklärt werden können, aber eben nicht nur. Im europäischen Vergleich jedenfalls rangiert Großbritannien mit seinen Zahlen ganz weit hinten, und liegt erheblich hinter Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich, die durch die Coronakrise ebenfalls sehr schwer getroffen wurden. Nach Angaben der britischen Notenbank wird das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr voraussichtlich um 9,5 Prozent zurückgehen.
Im Vergleich mit anderen EU-Ländern liegt das Land damit ebenfalls am unteren Ende der Erwartungswerte. Sollten Europa und Großbritannien zu keiner vernünftigen Regelungen ihrer Beziehungen nach dem Brexit kommen, dürften sich die Aussichten unabhängig von Corona zusätzlich verdüstern. Eine Studie der London School of Economics schätzt, dass die britische Wirtschaft in den zehn Jahren nach einem ungeordneten Brexit um rund sechs Prozentpunkte weniger wachsen würde, als wenn das Land noch in der EU wäre.
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