Chefvolkswirt Thorsten Polleit
So wirken die Russland-Sanktionen
Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt von Degussa Goldhandel. Foto: Degussa Goldhandel
Um Putin für den militärischen Angriff auf die Ukraine zu bestrafen und zur Umkehr zu bewegen, verhängt der Westen harte Sanktionen. So sehr man auch hoffen mag, dass dadurch Frieden entsteht: Die ungewollten Nebenwirkungen könnten noch schmerzhaft werden, ist Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit überzeugt.
Das für sich genommen, erwirkt in der Praxis ein de facto Ende für den Zufluss von Auslandskapital nach Russland. Es ist damit zu rechnen, dass Russland angesichts der Sanktionen den Schuldendienst auf seine in Auslandswährung denominierten Schulden aussetzt. Allein schon deshalb, weil schätzungsweise die Hälfte der russischen Währungsreserven in Währungsräumen gehalten wird, die sich den Russlandsanktionen angeschlossen haben, und daher den russischen Schuldnern nicht verfügbar sind; und das Zurückhalten von Auslandswährungen wird unter den gegenwärtigen Umständen für Russland vermutlich wichtiger sein als die Begleichung des Schuldendienstes.
Die Rating-Firma Standard & Poor‘s hat...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Das für sich genommen, erwirkt in der Praxis ein de facto Ende für den Zufluss von Auslandskapital nach Russland. Es ist damit zu rechnen, dass Russland angesichts der Sanktionen den Schuldendienst auf seine in Auslandswährung denominierten Schulden aussetzt. Allein schon deshalb, weil schätzungsweise die Hälfte der russischen Währungsreserven in Währungsräumen gehalten wird, die sich den Russlandsanktionen angeschlossen haben, und daher den russischen Schuldnern nicht verfügbar sind; und das Zurückhalten von Auslandswährungen wird unter den gegenwärtigen Umständen für Russland vermutlich wichtiger sein als die Begleichung des Schuldendienstes.
Die Rating-Firma Standard & Poor‘s hat russische Schulden in Fremdwährung von bisher BBB- auf BB+ heruntergestuft – und ihnen damit Junk-Status verliehen. Moody’s Investor Service hat angedeutet, in gleicher Weise zu reagieren. Hinzu kommen viele weitere Maßnahmen, die sich gegen Russland und seine Bevölkerung richten.
So hat Boeing verkündet, keine russischen Flugzeuge mehr zu warten; große Ölgesellschaften wie Mobil Exxon, Shell und BP ziehen sich aus dem russischen Markt zurück; Redereien (Hapag Lloyd, Mersk) laufen keine russischen Häfen mehr an; Läden und Barbesitzer entfernen russischen Wodka aus ihrem Angebot; die FIFA will Russland von der Fußball-WM suspendieren; in Westeuropa wird dem russischen Dirigenten Valery Gergiev die Zusammenarbeit aufgekündigt, er verliert seine Stelle als Chef der Münchener Philharmoniker; die Opernsängerin Anna Netrebko sieht sich gezwungen, ihre Konzerte abzusagen; Diplomaten verlassen den Raum, als der russische Außenminister Lavrov vor dem UN-Menschen- rechtsrat spricht.
Die Sanktionen bergen also auch Elemente der Ächtung. Die bislang erlassenen Sanktionen zertrennen nahezu vollends die bestehenden Handels- und Finanzbeziehungen zwischen Russland und der westlichen Welt. Das verbindenden Elemente, die Arbeitsteilung und der Handel, werden dadurch zerstört. Dazu muss man wissen, dass die Arbeitsteilung, national wie international, die Menschen miteinander friedvoll verbindet. Wer miteinander arbeitsteilig kooperiert, der erblickt in seinem Gegenüber keinen Konkurrenten, keinen Gegner, sondern jemanden, der ihm dienlich ist, um seine Lebensherausforderungen besser bewältigen zu können. So gesehen sind Arbeitsteilung und Handel über Grenzen hinweg im wahrsten Sinne des Wortes ein Friedensprogramm.
Doch die Welt, die wir heute vorfinden, ist leider kein System freier Märkte. Vielmehr greifen die Staaten auf vielfältige Weise und immer stärker in das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ein. Sie betreiben dabei nicht nur Innenpolitik, sondern vor allem auch Außenpolitik und sorgen dabei bekanntlich für Probleme.
Über den Autor