Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater
Damoklesschwert Zollschranken?
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank Foto: Dekabank
Da Brexit und Teile des Handelskriegs wieder auf den Verhandlungstischen liegen, droht die Gefahr, dass uns die Krisen ausgehen. In absoluter Erwartungstreue schreitet nun US-Präsident Donald Trump ein und bewahrt uns davor.
Es drohte ja bereits langweilig zu werden. Nachdem sich die Brexit-Debatte in die Hinterzimmer der englischen Politik zurückgezogen hatte und sich die US-amerikanische und die chinesische Verhandlungsdelegationen schon über die Modalitäten der Unterzeichnungszeremonie eines Handelsabkommens austauschten, bestand Gefahr, dass uns die Krisen ausgehen würden. In absoluter Erwartungstreue hat uns US-Präsident Trump davor allerdings bewahrt.
Zwar können beide Seiten einen Deal gut gebrauchen, aber die Differenzen zwischen USA und China in Handels- und Wirtschaftsfragen sind einfach zu groß. Ein Deal muss insbesondere die Frage nach der Überprüfbarkeit der Vereinbarungen klären. Hier hatten...
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Es drohte ja bereits langweilig zu werden. Nachdem sich die Brexit-Debatte in die Hinterzimmer der englischen Politik zurückgezogen hatte und sich die US-amerikanische und die chinesische Verhandlungsdelegationen schon über die Modalitäten der Unterzeichnungszeremonie eines Handelsabkommens austauschten, bestand Gefahr, dass uns die Krisen ausgehen würden. In absoluter Erwartungstreue hat uns US-Präsident Trump davor allerdings bewahrt.
Zwar können beide Seiten einen Deal gut gebrauchen, aber die Differenzen zwischen USA und China in Handels- und Wirtschaftsfragen sind einfach zu groß. Ein Deal muss insbesondere die Frage nach der Überprüfbarkeit der Vereinbarungen klären. Hier hatten sich die Chinesen bei den Verhandlungen gegen eine übergeordnete Schiedsinstanz immer gewehrt. Und die US-Seite wollte von einer Zollsenkung nichts wissen und sich stattdessen einseitige Sanktionsmöglichkeiten in den Vertrag hineinschreiben.
Schließlich riss mit beeindruckender Schnelligkeit der Geduldsfaden. Nun kommen auch noch diplomatische Kategorien hinzu, also etwa ein möglicher Gesichtsverlust der Verhandlungsparteien. Zwar ist die US-Regierung bislang immer für eine Überraschung gut gewesen, aber hier braucht es schon ein kleines Wunder. Vielleicht ist dies ja bei der persönlichen Begegnung der beiden Präsidenten Ende Juni beim G-20 Treffen möglich. So lange gelten allerdings erhöhte Zölle und deren weitere Ausdehnung auf den gesamten Chinahandel steht im Raum.
Die Auswirkungen wären spürbar, wenngleich sie die beiden größten Volkswirtschaften nicht aus der Bahn werfen sollten. Preise von importierten Gütern in den USA sind bereits nach der ersten Zollrunde gestiegen. Diese Wirkungen werden in den nächsten Zollrunden zunehmen. Denn bislang wurde ein Teil der Preiswirkungen durch eine gleichzeitige Abwertung der chinesischen Währung ausgeglichen. Das wird aber künftig nicht weiter funktionieren. Weiterhin waren die ersten Güter, die mit Zöllen belegt wurden, solche, für die es in anderen Ländern relativ leicht Ersatz gab.
Nun werden mehr und mehr Güter erfasst, die trotz erhöhter Zölle weiter eingeführt werden müssen. Zwar wird die sehr starke Konjunktur in den USA nicht zusammenbrechen. Und in China wird sich die Regierung bemühen, die negativen Effekte auf die chinesische Wirtschaft mit neuen Programmen auszugleichen. Aber für die Unternehmen bedeuten die neuen Handelsschranken ganz erhebliche Behinderungen. Diese zu beseitigen, wird teuer. Das geht auf die Gewinne und deswegen sinken die Aktienkurse.
Einige Güter, die bisher aus China kamen und nun mit Zöllen belegt sind, werden jetzt woanders eingekauft, etwa in Vietnam. Andere Güter werden tatsächlich auch wieder in den USA produziert. Dies ist allerdings teurer, denn warum hätten die Einkäufer diese Güter sonst bisher in China gekauft. Dazu kommt, dass dieser Prozess ja auch in die Gegenrichtung funktioniert. Die US-Zölle provozieren Gegenzölle, die dann auch zur Abwanderung von Produktion aus den USA führen. Die Abhängigkeit Chinas von US-Zulieferungen bei einigen High-Tech-Gütern, auf die Präsident Trump setzt, gleicht das nicht aus. Unterm Strich gewinnen die USA hierbei wirtschaftlich nicht. Auch wenn Trump verschiedentlich gesagt hat, die USA gewönnen jeden Wirtschaftskrieg.
Die Logik des US-chinesischen Konflikts würde auch auf vergleichbare Auseinandersetzungen mit Europa zutreffen: Die Konjunktur bräche nicht zusammen, die Preise für die betroffenen Güter stiegen an, die Unternehmen hätten große Aufwendungen, um ihre Produktionsketten auf die neuen Zölle einzustellen, die Aktienkurse würden weiter leiden. Da die deutschen Unternehmen sehr stark im Außenhandel aktiv sind, würde Deutschland am härtesten getroffen.
Solange jedoch die EU mit einer Stimme spricht, wie das gegenwärtig in der Handelspolitik reibungslos funktioniert, ist die EU ein weitaus mächtigerer Handelsgegner für die US-Regierung als China. Denn das Potenzial für Vergeltungszölle ist riesig und damit wären die Schäden, die die US-Regierung bei einem Zollkrieg mit Europa im eigenen Land anrichtet, deutlich höher.
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