Ökonom Fabrizio Pagani
Kurswechsel bei Zentralbanken
Leitet die internationale Kapitalanlagestrategie der Fondsgesellschaft Muzinich: Fabrizio Pagani Foto: Muzinich
Zentralbanken setzen sich heutzutage nicht mehr nur mit geldpolitischen Instrumenten auseinander. Vor welchen neuen Herausforderungen Fed, EZB & Co. stehen, erklärt Ökonom Fabrizio Pagani von der Fondsgesellschaft Muzinich.
Die Realität jedoch ist komplexer. Die Entwicklung privater Währungen ist möglich – Bitcoin könnte bald von bestimmten Unternehmen als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Das dystopische Risiko der Fragmentierung, Vervielfältigung und Konkurrenz von Währungen könnte bald real werden, ebenso wie die Möglichkeit, dass privat gesponserte internationalen digitale Währungsräume über nationale Grenzen hinweg geschaffen werden.
Angesichts dieser Bedrohung, aber auch mit der Möglichkeit, neue Instrumente zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu nutzen, erforschen Zentralbanken aktiv, ob und wie sie digitale Währungen schaffen können. Ein kürzlich von der EZB veröffentlichter Bericht über einen digitalen...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Die Realität jedoch ist komplexer. Die Entwicklung privater Währungen ist möglich – Bitcoin könnte bald von bestimmten Unternehmen als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Das dystopische Risiko der Fragmentierung, Vervielfältigung und Konkurrenz von Währungen könnte bald real werden, ebenso wie die Möglichkeit, dass privat gesponserte internationalen digitale Währungsräume über nationale Grenzen hinweg geschaffen werden.
Angesichts dieser Bedrohung, aber auch mit der Möglichkeit, neue Instrumente zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu nutzen, erforschen Zentralbanken aktiv, ob und wie sie digitale Währungen schaffen können. Ein kürzlich von der EZB veröffentlichter Bericht über einen digitalen Euro zeigt, dass diese Idee verfolgt wird.6
Die Herausforderung für Zentralbanken wird darin bestehen, die sich schnell entwickelnden digitalen Technologien mit dem aus ihrem Mandat abgeleiteten Stabilitätsauftrag zu verbinden. Es ist viel Vorarbeit nötig und es gibt zahlreiche Fragen zu klären, wie zum Beispiel Zugang, Datenschutz, Sicherheit, Anti-Geldwäsche, mögliche Nutzungsbeschränkungen, Vergütung und so weiter.
Die Digitalisierung der Währung eröffnet ein Reich an Möglichkeiten. Wenn sie eingeführt wird, könnte dies weitreichende Auswirkungen haben. Die Geldpolitik beispielsweise könnte sich verändern. Betrachtet man die CBDC-Vergütung, könnten die Auswirkungen vielfältig sein. Es könnte zum Beispiel sein, dass die Übertragung der Zinssätze auf die Einlagenzinsen der Haushalte direkter werden könnte. Auch der Fall für negative Zinssätze, was Ökonomen das „Zero-Low-Bound-Problem“ nennen, könnte verschwinden. Zudem könnte die Vergütung gestaffelt werden, wobei in verschiedenen Fällen unterschiedliche Zinssätze gelten würden.
Zum letztgenannten Punkt, der faszinierende politische Wege eröffnen könnte, schreibt die EZB, dass CBDC „dem Eurosystem erlauben würde, weniger attraktive Zinssätze für große Bestände an digitalen Euro oder für Bestände ausländischer Investoren zu zahlen, um von einer exzessiven Nutzung des digitalen Euro als Anlage abzuschrecken oder um das Risiko zu mindern, große internationale Investitionsströme anzuziehen”.7
Offensichtlich wird auch das Bankensystem stark betroffen sein, unter anderem mit der Möglichkeit eines drastischen Bedeutungsverlustes der Geschäftsbanken als Intermediäre. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat noch keine der großen Zentralbanken eine endgültige Entscheidung über die Ausgabe von CBDCs getroffen. In diesem sich verändernden und unsicheren Umfeld müssen Zentralbanken – und Regierungen – schnell handeln und reagieren, wenn sie ihre geldpolitische Souveränität bewahren wollen. Vielleicht werden CBDCs zu einer unausweichlichen Notwendigkeit, abgesehen davon, dass sie nützliche Werkzeuge sind.
Klima - welche Rolle werden die Zentralbanken spielen?
Der Klimawandel bedroht die Menschheit. Seine Auswirkungen auf wirtschaftliche Aktivitäten dürfen nicht unterschätzt werden. Es scheint weit jenseits des Aufgabenbereichs von Zentralbanken zu liegen, den Klimawandel zu bekämpfen. Dieser wirkt sich jedoch auf die Wirtschaft aus, auch auf die Finanz- und sogar die Preisstabilität.8 Daher besteht ein wachsender Konsens darüber, dass die Zentralbanken, ohne die Hauptakteure zu sein, eine Rolle in der Klimabewegung spielen müssen. Diese Rolle, die von vielen als Teil der Mobilisierung der gesamten Gesellschaft gegen den Klimawandel befürwortet wird, könnte sich über die Geldpolitik, die Finanzstabilität, die aufsichtsrechtliche Regulierung und die Beaufsichtigung erstrecken.
Über den Autor