Aviva-Anleihen-Experte Joubeen Hurren
Die Zukunft der Rentenmärkte
Aktualisiert am 25.10.2018 - 11:08 Uhr
Joubeen Hurren, Leitender Manager bei Aviva Investor Foto: Aviva Investors
Echtzeit-Inflation, KI, Demografie: Technologischer Fortschritt, alternative Datenquellen sowie eine sich verändernde Nachfrage seitens der Investoren werden die Rentenmärkte verändern. Was, wenn in Zukunft die Inflation, die Kennzahl für Bondmanager schlechthin, in Echtzeit gemessen werden könnte? Was, wenn durch Künstliche Intelligenz der Handel immer weiter in den Fokus von Investmentstrategien rückt?
Den allergrößten Vorteil spielt der Ansatz aber im Bereich Business Intelligence aus, in dem es um Prozesse und Verfahren geht, die zur systematischen Datenanalyse in elektronischer Form eingesetzt werden. Die Modelle basieren auf Social-Media- und Transaktionsdaten und reagieren auf veränderte Präferenzen. Sie können sogar Preise an neue Angebots- und Nachfragemuster anpassen – Micro-Managing ist hier das Schlagwort, etwas, was mit monatlichen Zahlen schwer vorstellbar wäre.
Inflation in Echtzeit
Selbst anerkannte makroökonomische Größen weisen Schwächen auf, denen man mit dem neuen Algorithmus-Ansatz beikommen kann. Ein Beispiel ist die Kennzahl, die Bondmanager...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Den allergrößten Vorteil spielt der Ansatz aber im Bereich Business Intelligence aus, in dem es um Prozesse und Verfahren geht, die zur systematischen Datenanalyse in elektronischer Form eingesetzt werden. Die Modelle basieren auf Social-Media- und Transaktionsdaten und reagieren auf veränderte Präferenzen. Sie können sogar Preise an neue Angebots- und Nachfragemuster anpassen – Micro-Managing ist hier das Schlagwort, etwas, was mit monatlichen Zahlen schwer vorstellbar wäre.
Inflation in Echtzeit
Selbst anerkannte makroökonomische Größen weisen Schwächen auf, denen man mit dem neuen Algorithmus-Ansatz beikommen kann. Ein Beispiel ist die Kennzahl, die Bondmanager wohl am meisten beschäftigt: die Inflation.
Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) wurde das „The Billion Prices Project” entwickelt, mit dem auf Basis von Hunderten von Webseiten aus der ganzen Welt die Echtzeit-Inflation errechnet wird. Da Preise on- und offline in der Regel nicht groß voneinander abweichen, können die Echtzeitdaten die Monatsdaten, die oft mit großer Verzögerung veröffentlicht werden, in der Tat gut vorhersagen.
Für Fixed-Income-Manager, für die solche Informationen enorm wichtig sind, können solche Daten den entscheidenden Unterschied machen und ihnen helfen, erfolgreiche Portfoliostrategien zu entwickeln. Google Trends bietet schon jetzt umfangreiche Daten über die Suchbegriffe, die Nutzer eingeben. Twitter ist seit 2006 damit beschäftigt, hunderte Milliarden von Tweets, die Erlebnisse und wichtige historische Ereignisse abdecken, zu indizieren, so dass sie mit zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklungen korreliert werden können.
Sich eine Welt vorzustellen, in der Echtzeitstatistiken die traditionell monatlichen oder quartalsweise veröffentlichten Daten aus der Wirtschaft ersetzt haben, ist nicht schwer. Damit wird eine Revolution im Bondmanagement einhergehen.
Künstliche Intelligenz gibt neue Antworten
Die Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung vorherzusagen, ist eine Sache. Anleiheinvestoren wollen aber auch ganz konkret wissen, ob Zinsen steigen oder fallen, wie sich die Zinsstrukturkurve entwickelt, ob Unternehmen pleitegehen und wie hoch die Ausfallwahrscheinlichkeit bestimmter Anleihen ist.
Für Fondsmanager von Staatsanleihen sind die Modellierung und Interpretation der Zinsstrukturkurve sowie Prognosen über deren weitere Entwicklung ganz entscheidend. Traditionell ging es bei Theorien zur Zinsstrukturkurve um Erklärungen basierend auf Erwartungen über künftige Zinsen, das Verhalten der Akteure am Bondmarkt oder die Wirkkraft von Informationen.
Doch keine einzelne Theorie konnte diese Fragen allgemeingültig und zufriedenstellend beantworten. Die schwierige Frage hat schon Aufmerksamkeit auf sich gezogen, seit in den 1970er Jahren die Zinsstrukturkurve für das Bondmanagement überhaupt wichtig wurde. Seit die Zentralbanken begonnen haben, die Märkte durch massive Quantative-Easing-Programme zu manipulieren beziehungsweise zu lenken, so dass die freien Finanzmärkte nicht mehr wirklich frei sind, ist die Beantwortung noch schwerer geworden.
Die schiere Gewalt der Computerleistung
Die meisten Modelle über die Zinsstrukturkurve und ihre Höhe beziehungsweise Neigung fußen auf makroökonomischen Faktoren und Transaktionsdaten, über die die zukünftige Entwicklung ermittelt werden soll.
Mittlerweile gibt es aber auch immer mehr adaptive Ansätze. Wissenschaftler der University of Thrace haben ein Machine-Learning-Modell entwickelt, das die US-Zinsstrukturkurve für die Zeit von 1976 bis 2011 zu 67 Prozent korrekt hätte vorhersagen können. Andere Versuche, die Renditeentwicklung unter Verwendung von Machine Learning zu prognostizieren, schnitten deutlich besser ab als klassische Methoden, so dass sie für Anleiheinvestoren, die noch konventionell vorgehen, interessant sein könnten.
Doch im Bondmanagement geht es nicht nur um die Höhe der Rendite und die Neigung der Zinsstrukturkurve, sondern auch um die Entwicklung der Credit Spreads, also des Renditeaufschlags von Unternehmensanleihen gegenüber vergleichbaren Staatsanleihen. Credit Spreads hängen von den Erwartungen des Marktes bezüglich der Fähigkeit eines Unternehmens, den jährlichen Zinsverpflichtungen nachzukommen und das Kapital am Ende der Laufzeit zurückzuzahlen, ab: Je höher die Ausfallwahrscheinlichkeit, desto höher der Credit Spread, den Investoren für das übernommene Risiko erhalten – und umgekehrt.
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