Aviva-Anleihen-Experte Joubeen Hurren
Die Zukunft der Rentenmärkte
Aktualisiert am 25.10.2018 - 11:08 Uhr
Joubeen Hurren, Leitender Manager bei Aviva Investor Foto: Aviva Investors
Echtzeit-Inflation, KI, Demografie: Technologischer Fortschritt, alternative Datenquellen sowie eine sich verändernde Nachfrage seitens der Investoren werden die Rentenmärkte verändern. Was, wenn in Zukunft die Inflation, die Kennzahl für Bondmanager schlechthin, in Echtzeit gemessen werden könnte? Was, wenn durch Künstliche Intelligenz der Handel immer weiter in den Fokus von Investmentstrategien rückt?
Es gab wohl nie eine Phase, in der es wichtiger gewesen wäre, diesen Sachverhalt zu kennen: Die weltweite Verschuldung erreichte 2016 mit 164 Billionen US-Dollar einen Rekordstand, die Schulden im Verhältnis zum BIP mit 225 Prozent ein Allzeithoch, so der Internationale Währungsfonds. Diese Summe beinhaltet Schulden von Ländern, Bundesländern und Gemeinden, Unternehmen, Zahlen von internationalen Organisationen, Banken, Kreditkartenanbietern, Immobilien-, Auto- und Schiffsfinanzierern – die Liste kann quasi endlos weitergeführt werden. Das heißt: War die Bonitätsanalyse vor zwanzig Jahren noch eine Nischentätigkeit, ist sie heute von enormer Wichtigkeit für Bondmanager.
Die Frage ist,...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Es gab wohl nie eine Phase, in der es wichtiger gewesen wäre, diesen Sachverhalt zu kennen: Die weltweite Verschuldung erreichte 2016 mit 164 Billionen US-Dollar einen Rekordstand, die Schulden im Verhältnis zum BIP mit 225 Prozent ein Allzeithoch, so der Internationale Währungsfonds. Diese Summe beinhaltet Schulden von Ländern, Bundesländern und Gemeinden, Unternehmen, Zahlen von internationalen Organisationen, Banken, Kreditkartenanbietern, Immobilien-, Auto- und Schiffsfinanzierern – die Liste kann quasi endlos weitergeführt werden. Das heißt: War die Bonitätsanalyse vor zwanzig Jahren noch eine Nischentätigkeit, ist sie heute von enormer Wichtigkeit für Bondmanager.
Die Frage ist, ob die traditionelle Bonitätsprüfung durch den Menschen, also die Analyse von Bilanzen und die Fortschreibung der Entwicklung in die Zukunft, angesichts des Quantative Easing beziehungsweise der Stützung der Märkte durch die Notenbanken überhaupt noch adäquat ist.
Die Ausfallraten scheinen künstlich niedrig. Unter Umständen sind die Probleme nur aufgeschoben und melden sich zurück, sobald Zinsen und Anleiherenditen wieder deutlich steigen. Um das auch durch die ultraniedrigen Zinsen eng miteinander verwobene System am Anleihemarkt wirklich erfassen zu können, bräuchte es extrem viele Analysten – zu Kosten, die kaum zu rechtfertigen wären.
Ein alternativer Ansatz zur Bonitätsprüfung ist die Nutzung von künstlichen neuronalen Netzen und Machine Learning, entwickelt von der eigenen Belegschaft oder Externen. Was in diese Systeme einfließt, ist für Corporate-Bond-Analysten nichts Neues: Umsatz, Verschuldung, Cashflows, Gewinn, Finanzierungskosten. Was herauskommt, ist ebenso bekannt: Ein Rating, anhand dessen ermittelt werden kann, ob ein Renditeaufschlag angemessen ist oder vielleicht eine Unterbewertung und so ein verborgener Schatz mit einer Anlagechance vorliegt.
Extrem viele und ganz unterschiedliche Daten zu analysieren, käme einer Revolution in Fixed-Income-Abteilungen gleich. Ist die Technologie einmal so ausgefeilt und die wichtigsten Variablen identifiziert, können riesige Mengen von Daten verarbeitet werden. Im neuen Zeitalter der Transparenz, in dem viele Fondsmanager aufgrund der Mifid-II-Regeln die Kosten für externes Research selbst übernehmen, könnte Big Data damit ein Ausweg sein: Das Research würde wieder bei den Asset Managern angesiedelt werden, die sich auf die Entwicklung von Auswahlmechanismen für die Anleihewahl konzentrieren könnten.
Der Handel wird immer wichtiger
Vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers war es für Fondsmanager ganz normal, dass Kauf- und Verkaufsorder sofort umgesetzt werden konnten, die Liquidität am Markt war hoch. Nach der Finanzkrise wurde die Möglichkeit von Investmentbanken, als Market Maker zu agieren, durch striktere aufsichtsrechtliche Regeln aber stark beschnitten.
Mittlerweile halten Investmentbanken fast gar keine Anleihen mehr. Der New York Federal Reserve zufolge fiel das Volumen von Anleihen im Bestand von Brokern innerhalb nur eines Jahres nach Ausbruch der Krise von 200 Milliarden auf nur noch 60 Milliarden US-Dollar. Für Fondsmanager ist es nicht mehr möglich, ohne Weiteres Anleihen zu kaufen oder zu verkaufen. Vorhandelsinformationen wie Multiple Quotes sind mittlerweile rar geworden – und auch schwerer zu finden. Wer als Fondsmanager für sein Portfolio zukaufen will, braucht nun viel Zeit. Manchmal ist es frustrierend, manchmal funktioniert es gar nicht.
Grafik: Anleihebestand bei US-Brokern
Die Folgen sind überall am Markt zu spüren, ganz besonders betroffen ist der Markt für Unternehmensanleihen. Es ist unklar, ob sehr große Unternehmensanleihefonds im Bedarfsfall, sofern erforderlich, Anleihen verkaufen könnten. Für Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Big Data eröffnen sich dadurch weitere Einsatzmöglichkeiten. Mit ihrer Hilfe können fehlende Informationen zusammengestellt werden, siehe etwa die Bondhändlerinitiative „Project Neptune“.
Dieses Projekt wurde von einem Konsortium von 22 Banken gegründet, die mit Asset Managern zusammenarbeiten. Ziel ist, in Echtzeit Informationen über Angebot und Nachfrage nach Unternehmensanleihen und neuen Bonds zusammzustellen.
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