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Exklusiv: Bert Flossbach im Interview „Weglassen können ist das Allerwichtigste“

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Haben Sie ein Beispiel?

Flossbach: Wir haben eine VW-Nachranganleihe im Portfolio, die wir nach der Dieselkrise gekauft haben. Wir bekommen einen ordentlichen Kupon und sitzen auf Kursgewinnen, mit denen wir gar nicht kalkuliert hatten. Aber generell ist der Markt abgegrast. Anleihen dienen heute, bis auf solche Ausnahmen, im Grunde nur noch zwei Zwecken: Investoren haben sie noch, weil der Regulator Ihnen das vorschreibt. Das ist zugleich der dümmste Grund. Und der zweite Aspekt sind Kursgewinne, also der Glaube daran, dass die Rendite noch tiefer fällt.

Oder als Gegenpol, der gewinnt, wenn Aktien mal einbrechen.

Flossbach: Trotzdem müssen die Zinsen fallen, damit man mit Anleihen noch gewinnt. Ob das passiert, weil die Aktien einbrechen, ist dann erstmal egal. Es gibt auch immer noch den Rolleffekt auf der Zinskurve. Der beträgt bei einer zehnjährigen Anleihe einen halben Prozentpunkt. Das bringt immerhin die Anfangsrendite von minus 0,5 Prozent zurück auf null, das ist immer noch besser als Kasse. Aber auch das setzt voraus, dass die Zinsen zumindest nicht steigen.

Sie sagen selbst, dass das nicht passiert.

Flossbach: „Nicht steigen“, heißt nicht, dass die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe nicht mal auf 0 oder sogar 0,5 Prozent gehen kann. Ein Anstieg von minus 0,5 auf plus 0,5 erzeugt aber 10 Prozent Kursverlust. Das Chance-Risiko-Verhältnis ist bei Anleihen einfach nicht gut, und viele Fonds haben das noch nicht realisiert, weil sie noch auf Kursgewinnen sitzen. Die Kunst heute ist es, sehr flexibel und aktiv zu sein.

Bert Flossbach (Mitte) im Gespräch mit Chefredakteur Ansgar Neisius (links) und Redakteur Andreas Harms (Foto: Jochen Rolfes)

Klassisches Buy-and-Hold ist sinnlos?

Flossbach: Ja, damit werden Sie vermutlich kein Geld mehr verdienen.

In einem Ihrer Quartalsberichte zitieren Sie die Klimaaktivistin Greta Thunberg, die den ständigen Wunsch nach Wirtschaftswachstum anprangert. Sie sagt, es geht auch ohne.

Flossbach: Aber sie muss sich der Konsequenzen bewusst sein. Die sozialen Systeme würden zusammenbrechen. Dann haben Sie Altersarmut und bei den jüngeren Leuten Perspektivlosigkeit. Ein umlagefinanziertes Vorsorgesystem können Sie nicht ohne ein zumindest geringes Wachstum pro Kopf bewerkstelligen.

Könnte man nicht auch die aktuelle Wirtschaftsleistung nehmen und besser umverteilen? Es müsste doch genügend für alle da sein.

Flossbach: Das geht nicht, wir brauchen ein nominales Wachstum, weil wir auch nominale Zahlungsversprechen haben. Wir können die Rente ja nicht einfach kürzen.

Kinder wachsen und sind irgendwann erwachsen. Wird auch die Wirtschaft mal erwachsen?

Flossbach: Nein.

Also ewiges Wachstum?

Flossbach: Das haben wir seit tausenden von Jahren, und daran wird sich nichts ändern. Es sei denn, technologischer und produktiver Fortschritt hören auf. Davon gehen wir nicht aus. Das Wachstum kommt ja aus dem Fortschritt. Und da wird es sicherlich noch Dinge geben, von denen wir heute noch nichts ahnen. Vor 20 Jahren konnte sich auch noch niemand vorstellen, welche Dynamik so ein Smartphone einmal erzeugen würde. Das ist qualitatives Wachstum, das nicht einmal zu Lasten der Umwelt gehen muss.

Grünes Wachstum?

Flossbach: Eher gutes Wachstum. Der Weckruf von Greta Thunberg ist zwar sehr gut und wichtig; aber wir müssen auch die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Technologieschübe können solche Probleme lösen.

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