Mike Shiao von Invesco
Wachstumshunger in Chinas Kleinstädten
Aktualisiert am 17.03.2020 - 15:39 Uhr
Mike Shiao ist Anlagenchef für Asien bei Invesco Asset Management. Foto: Invesco
Der Konjunkturausblick für China ist langfristig gut, denn die Mittelschicht in kleinen Städten entdeckt den Konsum. Besonderen Wert legen Verbraucher auf Erlebnisse, Reisen und Essen.
Die jüngsten chinesischen Konjunkturdaten lassen Beobachter am raschen Wandel zu einer Konsumgesellschaft zweifeln. Bei Invesco Asset Management sind wir hingegen überzeugt, dass der Konsum in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auch weiter für Wachstum sorgt und der Anteil der kleineren Städte am steigenden Konsum wächst. Zwar waren die Einzelhandelsumsätze zuletzt schwächer, doch lag dies vor allem am deutlichen Rückgang der Automobilverkäufe nach dem Ende der Steuersubventionen für Neuwagen. Hinzu kommt, dass die Einzelhandelsdaten Dienstleistungen unberücksichtigt lassen, auf die aber über die Hälfte des Konsums entfällt. So steigen die Haushaltsausgaben für Gesundheit noch immer; nach...
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Die jüngsten chinesischen Konjunkturdaten lassen Beobachter am raschen Wandel zu einer Konsumgesellschaft zweifeln. Bei Invesco Asset Management sind wir hingegen überzeugt, dass der Konsum in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auch weiter für Wachstum sorgt und der Anteil der kleineren Städte am steigenden Konsum wächst. Zwar waren die Einzelhandelsumsätze zuletzt schwächer, doch lag dies vor allem am deutlichen Rückgang der Automobilverkäufe nach dem Ende der Steuersubventionen für Neuwagen. Hinzu kommt, dass die Einzelhandelsdaten Dienstleistungen unberücksichtigt lassen, auf die aber über die Hälfte des Konsums entfällt. So steigen die Haushaltsausgaben für Gesundheit noch immer; nach einem Anstieg von 9 Prozent im Jahr 2017 legten sie 2018 um 15,1 Prozent zu. Alles in allem betrug der private Verbrauch in China Ende 2017 etwa 5 Billionen US-Dollar. Das sind über 10 Prozent des weltweiten Konsums. China ist der zweitgrößte Konsumgütermarkt der Welt.
Doch das Potenzial dieses Marktes ist noch keinesfalls erschöpft. Den Daten zufolge ist der Konsumanteil am chinesischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch immer niedriger als in anderen großen Volkswirtschaften. 2017 entfielen lediglich 39,1 Prozent des chinesischen BIP auf den inländschen Konsum, gegenüber 68 Prozent in den USA, 62,2 Prozent in Indien und 55,8 Prozent in der Europäischen Union (EU).
Zugleich dürften die Realeinkommen in China weiter steigen, da die Wirtschaft stark wächst und die Regierung die Konjunktur stützt. Die hohen realen Einkommenszuwächse chinesischer Arbeiter hatten wesentlichen Anteil am starken Anstieg des Konsums in den vergangenen Jahren. Viel spricht dafür, dass die Faktoren Bestand haben, die zum Entstehen eines der weltgrößten Konsumgütermärkte beigetragen haben.
Eines wird sich unserer Ansicht nach aber ändern, und zwar die Struktur des Konsumanstiegs in China: Wir glauben, dass kleinere Städte rasch zu einem wichtigen Wachstumsfaktor werden. Seit China vor 40 Jahren mit Wirtschaftsreformen begann, wurde die Entwicklung des Landes vor allem von den großen Städten getragen. Diese sogenannten Tier-1-Städte wie Peking und Shanghai wuchsen zu urbanen Zentren heran und entwickelten sich schnell. Die Verbesserung ihrer Infrastruktur sorgte für mehr Industrie und so für neue Arbeitsplätze. Die Einkommen der Bewohner dieser Städte stiegen rasch – und damit auch der Konsum. Heute gelten die Einkommen in diesen Tier-1-Städten gemäß Weltbankdefinition als hoch – mit jährlich 12.236 US-Dollar pro Kopf.
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