Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé
Spiel mit dem Feuer
Jörg Angelé ist Volkswirt bei Bantleon. Foto: Thomas Wieland
Scheitern Großbritanniens Verhandlungen über ein EU-Handelsabkommen, verliert das Land am 1. Januar 2021 seinen ungehinderten Zugang zum EU-Binnenmarkt. Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé erklärt, welche Folgen das hat.
Die Corona-Krise hat das Vereinigte Königreich besonders hart getroffen. Mit fast 42.000 Toten beklagt man auf der Insel die mit Abstand meisten Opfer in Europa. Auch wirtschaftlich schlug die Pandemie mit voller Wucht zu: Im ersten Halbjahr 2020 brach das Bruttoinlandsprodukt gegenüber Ende 2019 um mehr als 20 Prozent ein, während das Minus in der Europäischen Union (EU) bei 14,3 Prozent lag.
Zwar hat sich die Konjunktur in den zurückliegenden Monaten auch in Großbritannien spürbar erholt und ähnlich wie in der Eurozone beziehungsweise der EU ist im dritten Quartal mit einem kräftigen Anstieg der Wirtschaftsleistung zu rechnen, darüber hinaus haben sich die Perspektiven zuletzt...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Die Corona-Krise hat das Vereinigte Königreich besonders hart getroffen. Mit fast 42.000 Toten beklagt man auf der Insel die mit Abstand meisten Opfer in Europa. Auch wirtschaftlich schlug die Pandemie mit voller Wucht zu: Im ersten Halbjahr 2020 brach das Bruttoinlandsprodukt gegenüber Ende 2019 um mehr als 20 Prozent ein, während das Minus in der Europäischen Union (EU) bei 14,3 Prozent lag.
Zwar hat sich die Konjunktur in den zurückliegenden Monaten auch in Großbritannien spürbar erholt und ähnlich wie in der Eurozone beziehungsweise der EU ist im dritten Quartal mit einem kräftigen Anstieg der Wirtschaftsleistung zu rechnen, darüber hinaus haben sich die Perspektiven zuletzt jedoch deutlich eingetrübt.
In den nächsten Jahren droht man regelrecht abgehängt zu werden. Denn abgesehen davon, dass man nicht mehr in den Genuss des 750 Milliarden Euro schweren EU-Wiederaufbaufonds kommen wird, droht ein Scheitern der Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit der EU die britische Wirtschaft massiv zurückzuwerfen.
Die Spannungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich haben in den zurückliegenden Wochen zugenommen, weil die britische Regierung ein Gesetz verabschieden lassen möchte, welches in zentralen Bereichen gegen das EU-Austrittsabkommen verstösst und nach Auffassung der EU damit die Integrität des EU-Binnenmarkts verletzt. Führende EU-Politiker haben daher deutlich gemacht, dass es bei Umsetzung des Gesetzes kein Handelsabkommen geben kann.
Scheiterten die Verhandlungen über ein solches tatsächlich, verlöre Großbritannien ab dem 1. Januar 2021 seinen ungehinderten Zugang zum EU-Binnenmarkt und könnte Handel mit dem Kontinent nur noch auf Basis der WTO-Regeln treiben. Neben Einfuhrzöllen bedeutete dies für Unternehmen von der Insel eine ganze Reihe an nicht-tarifären Hürden, die den bürokratischen Aufwand explodieren liessen.
Zwar beträfen die Handelshemmnisse auch EU-Unternehmen, ein Blick auf die Güterströme macht allerdings deutlich, wie die wahren Kräfteverhältnisse sind. 2019 gingen gut 46 Prozent aller britischen Exporte in die EU und fast 50 Prozent aller britischen Importe stammten aus der EU. Umgekehrt betrug der Anteil der Ausfuhren aus der EU nach Großbritannien gut 13 Prozent, während weniger als 9 Prozent der EU-Importe von der Insel stammten (vergleiche folgende Abbildung).
Über den Autor