Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé
Europa im Preisfieber
Jörg Angelé ist Volkswirt bei Bantleon. Foto: Thomas Wieland
In der Eurozone steigt die Inflation wieder. Grund sind unter anderem Neugewichtungen im Warenkorb. Bantleon-Volkswirt Jörg Angelé erklärt, welche Trends sich für das Restjahr 2021 abzeichnen.
In der Eurozone begann das Jahr in Sachen Inflation mit einem Knalleffekt: Die Vorjahresrate des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) schoss von minus 0,3 auf 0,9 Prozent nach oben. Die Kerninflationsrate – ohne Energie, Nahrungs- und Genussmittel – sprang sogar noch höher von 0,2 auf 1,4 Prozent. Hintergrund dieses Inflationsschubs sind im Wesentlichen vier Entwicklungen: erstens die Wiederanhebung der deutschen Mehrwertsteuer, zweitens die stark gestiegenen Energiepreise, drittens die Verschiebung des Winterschlussverkaufs unter anderem in Frankreich und Italien und viertens die Neugewichtung des Warenkorbs.
Der verschobene Winterschlussverkauf wird die Teuerungsrate im...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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In der Eurozone begann das Jahr in Sachen Inflation mit einem Knalleffekt: Die Vorjahresrate des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) schoss von minus 0,3 auf 0,9 Prozent nach oben. Die Kerninflationsrate – ohne Energie, Nahrungs- und Genussmittel – sprang sogar noch höher von 0,2 auf 1,4 Prozent. Hintergrund dieses Inflationsschubs sind im Wesentlichen vier Entwicklungen: erstens die Wiederanhebung der deutschen Mehrwertsteuer, zweitens die stark gestiegenen Energiepreise, drittens die Verschiebung des Winterschlussverkaufs unter anderem in Frankreich und Italien und viertens die Neugewichtung des Warenkorbs.
Der verschobene Winterschlussverkauf wird die Teuerungsrate im Februar dämpfen, darüber hinaus aber keine Auswirkungen auf den weiteren Inflationsverlauf haben – im Gegensatz zu den übrigen Faktoren. Diese werden den Pfad der Inflationsrate bis zum Ende des Jahres prägen. Die Preise für Kraftstoffe und Heizöl beispielsweise liegen aktuell um 10 Prozent beziehungsweise 20 Prozent höher als im Schnitt der Monate März bis Juni 2020 und werden somit von einer Inflationsbremse zu einem Inflationsbeschleuniger.
Ab dem Sommer werden zudem Basiseffekte infolge der im vergangenen Jahr temporär gesenkten deutschen Mehrwertsteuer die (Kern-)Inflationsrate in der Eurozone um etwa 0,2 beziehungsweise 0,4 Prozentpunkte nach oben drücken.
Die neuen Warenkorbgewichte haben unter dem Strich zwar keinen preisdämpfenden beziehungsweise preistreibenden Effekt, werden der Teuerungsrate im Jahresverlauf aber trotzdem ihren Stempel aufdrücken. Infolge der Coronavirus-Pandemie sind die Konsumausgaben für Freizeitaktivitäten, Reisen, Restaurantbesuche, Bekleidung etc. massiv gesunken. Daher wurden – entgegen der üblichen Vorgehensweise – die entsprechenden Gewichte im Warenkorb teils drastisch nach unten angepasst. So dürfte sich das Gewicht bei Pauschalreisen von rund 1,6 Prozent im Jahr 2020 in etwa gedrittelt haben.
Bei Bekleidungsartikeln ist von einer Reduktion um knapp einen Prozentpunkt auf 5,0 Prozent auszugehen. Auf den ersten Blick mögen diese Anpassungen unbedeutend wirken, tatsächlich führen sie zu einer erheblichen Verschiebung des Saisonmusters des Verbraucherpreisindex. Die Folge sind Verzerrungen bei der Messung, welche die Inflationsrate beispielsweise im Januar um etwa 0,4 Prozentpunkte nach oben gedrückt haben.
Abbildung 1: Neue Warenkorbgewichte verzerren Inflationsrate
Bis zur Jahresmitte wird der monatliche Preisanstieg dagegen zumeist um je 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte gedämpft werden. Besonders stark wird die Verzerrung darüber hinaus nochmals im November und Dezember sein (vergleiche Abbildung 1).
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