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Ein Chauvinist erklärt Warum die Versicherungswirtschaft eine Frauenquote braucht

Oliver Pradetto, Geschäftsführer und Mitgründer des Maklerpools Blau Direkt
Oliver Pradetto, Geschäftsführer und Mitgründer des Maklerpools Blau Direkt
Gerade mal zwei Jahre ist es her, dass ich mich in meinem Blogbeitrag „Frauenquote – ein Chauvinist sagt, was er davon hält“ noch vehement gegen solche Quotenregelungen ausgesprochen habe. Heute denke ich anders. Der Grund ist denkbar einfach: Die Verantwortlichen sind einfach zu blöd.

Politik hat Gleichberechtigung im Fokus

Eine Frau als Kanzlerin, eine Frau als Verteidigungsministerin – man kann davon halten was man will, aber dass die neuen starken Frauen im Land eine Frage aufwerfen, ist offenkundig: Warum können Frauen ein ganzes Land regieren, aber müssen in Firmen oft in der Karriere zurückstecken?

Ich bin chauvinistisch genug, darauf eine eigene Antwort zu haben (siehe: Blogbeitrag „Frauenquote – ein Chauvinist sagt, was er davon hält“). Doch übersehen kann man die politische Brisanz des Themas nicht. Deswegen muss jeder Geschäftsmann eine solche Frage ernst nehmen und sich mit der Frage befassen, ob er für genügend Fairness in seinem Betrieb sorgt.

Elfmeter verschossen und nix gemerkt

Was sich da bei der Preisverleihung zum Maklerchampion-Award abgespielt hat, erfüllt mich mit Unverständnis. 2013, auf dem Höhepunkt der Diskussion, wurden die besten Pools und Versicherer ausgezeichnet. Das Versicherungsmagazin und Service-Value luden zur Preisverleihung ein und reicherten das Event um ein Thema an. Es ging um „Frauen in Führungspositionen“.

Wen aus Ihrem Führungsteam würden Sie nun wohl schicken, um den Preis entgegenzunehmen?

Die Branche hat jedenfalls so reagiert:

Diskussion über Frauen ohne Frauen. Acht Repräsentanten nehmen die Höchstplatzierungen entgegen und debattieren über „Frauen in Führungspositionen“. Hatte niemand außer Blau Direkt eine Frau im Führungsteam?

Sechs erste Preise werden von acht hocherfreuten Repräsentanten in Empfang genommen, doch selbst die Unternehmen, die gleich mit zwei Führungspersönlichkeiten glänzten, schickten Männer. Nur Blau Direkt entsandte Kristina August, die geschäftsleitend im Haus tätig ist und seit Ende 2014 offiziell Geschäftsführerin unseres Verlagshauses geworden ist.

Natürlich hätte ich den Preis auch gern entgegengenommen – wer lässt sich nicht gerne feiern? Uns war jedoch sofort klar, dass wir unmöglich einen Mann entsenden können, wenn das Thema  „Frauen in Führungspositionen“ lautet. Nun ist das wenig repräsentativ, denn es gab ja nur sechs erste Plätze. Was ist also mit den Plätzen 1 bis 10 der jeweiligen Kategorien - mehr Preisträger, mehr Frauen, oder?  

Wie ein Wimmelbild „Finde eine Frau“. Auf einer Preisverleihung, bei der über Frauen in der Versicherungsbranche geredet wird, findet man kaum Frauen.

Erschütternd oder? Sicherlich gibt es in unserer Branche wenig Frauen in Führungspositionen. Das ist unschön. Wirklich furchtbar ist es aber, dass man zu einer Diskussion über Frauen in Führungspositionen fast nur Männer schickt.

Ich glaube nicht, dass die großen Versicherer und Pools nicht wenigstens ein paar Frauen im Team gehabt hätten, die ihre Unternehmen würdig vertreten hätten. Ich glaube auch nicht, dass man so selbstverliebt war, unbedingt selbst den Preis persönlich entgegennehmen zu wollen. Ich glaube, es hat schlicht kaum einer darüber nachgedacht.

Ignoranz ist unfair

Nicht einmal bei einem solchen Event an seine weiblichen Führungskräfte zu denken, ist schlicht ignorant. Wenn nicht einmal in einer solchen Konstellation daran gedacht wird, kann man dann wirklich davon ausgehen, dass Unternehmen bei Entscheidungen über Führungsaufgaben ernsthaft auch weibliche Mitarbeiter erwägen?

Nicht nur unfair, sondern dumm

Ehrlich gesagt, interessiere ich mich nicht wirklich für Frauenrechte. Gleichstellungsdiskussionen reduzieren Menschen auf ihr Geschlecht. Das halte ich für verkehrt. Ich glaube aber, dass Frauen teils andere Fähigkeiten einbringen als Männer, und ich glaube, dass diese Fähigkeiten für jedes Unternehmen wertvoll sind.

Natürlich leben wir in einer Männerwelt. Da muss auch oft kompetitiv verhandelt werden und das können Männer (im Durchschnitt!) einfach eine Prise egoistischer umsetzen. Männer sind oft ehrgeiziger, agressiver und kompromissloser. Das ist vielleicht nicht schön, aber wenn es um die Wurst geht, manchmal notwendig. Da wünsche ich mir als Verhandlungsführer eher einen Mann auf meiner Seite. Sorry!

Doch Frauen haben auch ihre Stärken. Frauen verhandeln im Durchschnitt kooperativer und – jeder Mann weiß es – denken völlig anders. Gerade diese Andersartigkeit bringt aber manchmal völlig überraschend andere Aspekte in Diskussionen und Arbeitsrunden. Der Output daraus ist kaum zu überschätzen. Eine Firma, die auf Frauen in Führung verzichtet, beschneidet sich selbst. Nur wer sich unabhängig vom Geschlecht fragt, wer der Beste für den jeweiligen Job ist, wird wirklich die beste Besetzung finden.

Ohne Frauen kein Gehör

Mal ehrlich: Geh  beim Versicherer in das Erdgeschoss und den ersten Stock. Dort wo sich die Sachbearbeitung befindet, ist fast alles voll mit Frauen. Männer sind in der Minderzahl. Einen Mangel an Frauen gibt es offenkundig nicht. Nun fahre hoch in die oberste Etage: Bis auf die Vorzimmerdamen fast nur noch Herren.

Vergessen wir mal das Geschlecht. Das Geschlecht macht den Unterschied nur sichtbar: Die „da oben“ werden völlig getrennt von denen „da unten“ besetzt. Ein Unternehmen, das seine Führungspositionen nicht aus der Mitte seines Teams aufbaut, ist ein schwach geführtes Unternehmen. Es ist blind, da es nicht auf seine Mitarbeiter setzt.

Frauen besser zu berücksichtigen

Ich war nie überzeugt davon, Menschen über Quoten abzuqualifizieren, und das Letzte, was ich mir wünsche, ist noch mehr staatliche Regulierungswut. Aber eines ist klar: Für die Herausforderungen der Zukunft brauchen unsere Unternehmen die bestmögliche Besetzung der Führungsteams. Dies schließt ausdrücklich auch Werte wie Fairness, Gleichbehandlung und Gerechtigkeit ein. Wenn unsere Wirtschaft zu ignorant ist, um zu erkennen, das es Frauen in Führung braucht, dann müssen wir die Rahmenbedingungen ändern.

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