Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Hausgemachte Probleme belasten den Euro

Berenberg-Volkswirt Jörn Quitzau
Der Eurokurs ist vergangene Woche zum US-Dollar auf das niedrigste Niveau seit mehr als fünf Jahren gefallen. Auch nach einer leichten Erholung und aktuell rund 1,05 US-Dollar je Euro ist der Abstand zur Parität nicht groß. Der Wechselkurs ist Ausdruck einer Dollar-Stärke bei gleichzeitiger Euroschwäche.
Die amerikanische Währung profitiert davon, dass Anleger angesichts des Russland-Ukraine-Kri...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Der Eurokurs ist vergangene Woche zum US-Dollar auf das niedrigste Niveau seit mehr als fünf Jahren gefallen. Auch nach einer leichten Erholung und aktuell rund 1,05 US-Dollar je Euro ist der Abstand zur Parität nicht groß. Der Wechselkurs ist Ausdruck einer Dollar-Stärke bei gleichzeitiger Euroschwäche.
Die amerikanische Währung profitiert davon, dass Anleger angesichts des Russland-Ukraine-Krieges einen sicheren Anlagehafen suchen. Auch darüber hinaus ist die Stimmung an den Märkten im aktuellen Stagflationsumfeld geprägt durch Vorsicht und Reduktion von Risikopositionen. Die Vorsicht der Marktteilnehmer zeigt sich im Anstieg der impliziten Volatilität, die für die Preisfindung bei FX-Optionen wichtig ist.
Der US-Dollar kann seine Rolle als sicherer Anlagehafen deshalb momentan voll ausspielen. Zudem profitiert die amerikanische Währung von der inzwischen strafferen Geldpolitik. An den Märkten wird nicht mehr diskutiert, ob die Notenbank Fed nun entschlossen gegen die Inflation vorgehen wird, es geht nur noch um die Frage, wie groß die nächsten Zinsschritte ausfallen werden. Der Zinsvorsprung kommt dem Dollar bisher zugute. Dass die USA ein noch ausgeprägteres Inflationsproblem haben als die Eurozone, blenden die Devisenmarktakteure bislang aus.
Ganz anders stellt sich die Situation für den Euro dar. Die räumliche Nähe zum Kriegsgebiet sowie der Verlust der Friedensdividende belasten die Gemeinschaftswährung. Hinzu kommt aber ein hausgemachtes Problem: Die Zögerlichkeit der Europäischen Zentralbank (EZB). In der Eurozone ist die Inflation mittlerweile auf 7,5 Prozent gestiegen – das sind satte 5,5 Prozentpunkte mehr als die EZB mit ihrem selbstgesteckten Ziel von 2 Prozent anstrebt.
Trotzdem setzen die Währungshüter immer noch auf die gleichen Instrumente, die sie einst zu Abwehr einer potenziellen Deflation eingeführt haben: Der Einlagezins ist seit Juni 2014 negativ. Oft wird er auch als Strafzins bezeichnet, weil das Sparen bestraft und das Konsumieren damit gefördert werden soll.
Im März 2016 senkte die EZB den Leitzins auf 0,0 Prozent. Dazwischen, Anfang 2015, hatte die EZB das Anleihekaufprogramm APP (Asset Purchase Programme) gestartet, um gegen eine drohende Deflation vorzugehen. Die Inflationsrate schwankte damals um die 0 Prozent-Marke. Zwar hat die EZB die Höhe des Ankaufvolumens über die Zeit variiert, aber selbst jetzt hält sie noch an den Anleihekäufen fest, gleichwohl mit abnehmender Tendenz. Kurzum: Die EZB zögert in einem äußerst dynamischen Inflationsumfeld, diejenigen Maßnahmen zurückzunehmen, die sie einst auf den Weg brachte, um eine deflationäre Abwärtsspirale zu verhindern. Damit handelt sie derzeit ganz anders als die Fed und der Devisenmarkt reagiert entsprechend ablehnend auf den Euro.
Über die Autoren
Neue Artikel der Denker der Wirtschaft
Rheinmetall & Co. verlieren bis zu 9,6%. Ist die Rüstungsrally jetzt vorbei?
Mehr erfahren