Strategiegespräch „Ein gutes Produkt braucht keine Bindung“
Philipp Vogel, Gründer und Vertriebsvorstand der DFV Deutschen Familienversicherung (Foto: Uwe Noelke)
DAS INVESTMENT.com: Sie sind einer der Gründer der Deutschen Familienversicherung. Nun leidet Deutschland nicht gerade unter einem Versicherer-Mangel. Weshalb fanden Sie, dass es einen neuen Anbieter braucht?
Philipp Vogel: Die Frage möchte ich Ihnen aus meiner Vita heraus beantworten. Mein Kompagnon Stefan Knoll und ich haben uns 1994 das erste Mal selbstständig gemacht: Diatel Direkt Assekuranz-Marketing war ein Call-Center-Unternehmen, das sich auf Versicherungen und Bausparkassen spezialisiert hatte. Wir starteten mit einer Handvoll Mitarbeiter – 2005 waren es bereits 3.500, und innerhalb von nur elf Jahren waren wir zum Marktführer in diesem Bereich aufgestiegen.
Wir verkauften das Unternehmen dann an die holländische Telekom und sind zum gleichen Zeitpunkt aus der Führung ausgeschieden. Hinter uns lagen elf Jahre Erfahrung als großer Dienstleister für alle Versicherungen in Deutschland – für die wir immer gerne gearbeitet haben. Dennoch haben wir uns über unsere Auftraggeber auch manchmal ein wenig geärgert.
DAS INVESTMENT.com: Warum das?
Vogel: Wir hatten eine Fülle an – unserer Ansicht nach – brillanten Produkt- und Vertriebsideen, die uns unsere Kunden aber nicht abkaufen wollten. Zum Beispiel, weil der Aktuar sagte: Das lässt sich nicht rechnen. Oder der Betrieb meinte: Wir brauchen zwei Jahre für ein neues Produkt.
Kurzum haben wir 2005 festgestellt: Die etablierte deutsche Assekuranz ist langsam, wenig innovationsfreudig und sitzt auf ihren Beständen. Da müsste ein neu gegründeter deutscher Versicherer doch eine Chance am Markt haben, wenn er Dinge einfacher, innovativer und kundenfreundlicher macht als die Etablierten. 2007 sind wir dann an den Start gegangen.
DAS INVESTMENT.com: Und was haben Sie anders gemacht?
Vogel: Das Thema tägliche Kündigung ist ein Beispiel. Die Ausgangsüberlegung dahinter ist vergleichsweise einfach: Ein gutes Produkt braucht keine Bindung. Versicherungen sind von jeher darauf aus, ihre Kunden möglichst lange juristisch in Verträgen zu halten. Kündigt einer unserer Kunden heute per Fax, ist er um 24 Uhr aus dem Vertrag draußen und bekommt anteilig tagesgenau seine zu viel gezahlte Versicherungsprämie zurück.
DAS INVESTMENT.com: Erschwert das nicht die Kalkulation?
Vogel: Nein, kalkulatorisch ist das kein Problem. Wir sind davon ausgegangen, dass wir die tägliche Kündigungsmöglichkeit im Bestand nicht wirklich merken. Und so ist es auch. Wir hatten kalkuliert, dass die tägliche Kündigungsmöglichkeit sogar ein glaubwürdiges, gutes Argument für die Qualität unserer Produkte ist und dem Vertrieb hilft. Und genauso ist es gekommen, es funktioniert.
Womit wir nicht gerechnet haben, sind die betrieblichen Auswirkungen. Wir geben dem Kunden damit schon ein sehr scharfes Schwert in die Hand in Situationen, in denen er mit uns einmal nicht zufrieden ist. Jeder Mitarbeiter der Deutschen Familienversicherung weiß, dass jeder Kundenkontakt darüber entscheidet, ob der Kunde morgen auch noch unser Kunde ist oder nicht.
DAS INVESTMENT.com: Würden Sie das Unternehmen heute noch einmal gründen?
Vogel: Auf jeden Fall! Ich gebe zu, dass die ersten zwei Jahre nicht leicht waren. Wir haben uns vieles einfacher vorgestellt, als es dann tatsächlich war.
DAS INVESTMENT.com: Zum Beispiel?
Vogel: Die ganze Regulatorik. Wir haben uns mitten in eine Finanzkrise hinein gegründet. Diese Krise hat eine Fülle von Veränderungen insbesondere im Bereich der Regulierung nach sich gezogen. Unterschiede zwischen großen und kleinen Versicherern werden dabei nicht gemacht – die Anforderungen an uns als Deutsche Familienversicherung und an eine Allianz sind im Grundsatz die gleichen.
Das war schon schwierig am Anfang. Aber wir sind eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen im Markt und es macht irrsinnig Spaß, den Großen ein schönes Stückchen vom Kuchen wegzunehmen.
DAS INVESTMENT.com: Die Rating-Agentur Assekurata hat Sie geprüft und festgestellt, dass Sie für einen Marktneuling in der Tat vergleichsweise schnell schwarze Zahlen geschrieben haben. Worauf führen Sie das zurück?
Vogel: Ich glaube, wir konnten uns mit guten Produkten durchsetzen. Und wir sind ein sparsames Unternehmen. Das ist einer der Hauptunterschiede zwischen angestellten Managern und inhabergeführten Unternehmen. Man gibt sein eigenes Geld aus und nicht das der Aktionäre. Das führt im Ergebnis dazu, dass man sich genau überlegt, wofür man dieses Geld ausgibt.
DAS INVESTMENT.com: Auf was haben Sie denn zum Beispiel verzichtet?
Vogel: Wir haben keine große Medienkampagne gefahren, als es um die Markteinführung der Deutschen Familienversicherung ging. Das hätte, glaube ich, jedes andere Unternehmen anders gemacht. Da werden Millionen und Abermillionen ausgegeben. Wir haben dieses Geld lieber in die Entwicklung guter Produkte investiert. Neue Gesellschaften haben in den vergangenen Jahren immer versucht, möglichst schnell möglichst viele Prämien zu erzielen. Das erreicht man am ehesten in den Sparten Wohngebäude- und Kraftfahrzeugversicherung.
Wir glauben aber, dass das problematische Prämien sind, mit denen man auf Dauer kein Geld verdienen kann. Uns ging es nie um ein Strohfeuer, sondern um nachhaltiges und solides Wachstum. Ich sage das auch als Vertriebsvorstand. Natürlich geht es um eine erfolgreiche vertriebliche Entwicklung, aber ich weiß sehr genau, dass der Bestand, den ich heute verkaufe, das ist, von dem das Unternehmen die nächsten Jahre leben muss.
Philipp Vogel: Die Frage möchte ich Ihnen aus meiner Vita heraus beantworten. Mein Kompagnon Stefan Knoll und ich haben uns 1994 das erste Mal selbstständig gemacht: Diatel Direkt Assekuranz-Marketing war ein Call-Center-Unternehmen, das sich auf Versicherungen und Bausparkassen spezialisiert hatte. Wir starteten mit einer Handvoll Mitarbeiter – 2005 waren es bereits 3.500, und innerhalb von nur elf Jahren waren wir zum Marktführer in diesem Bereich aufgestiegen.
Wir verkauften das Unternehmen dann an die holländische Telekom und sind zum gleichen Zeitpunkt aus der Führung ausgeschieden. Hinter uns lagen elf Jahre Erfahrung als großer Dienstleister für alle Versicherungen in Deutschland – für die wir immer gerne gearbeitet haben. Dennoch haben wir uns über unsere Auftraggeber auch manchmal ein wenig geärgert.
DAS INVESTMENT.com: Warum das?
Vogel: Wir hatten eine Fülle an – unserer Ansicht nach – brillanten Produkt- und Vertriebsideen, die uns unsere Kunden aber nicht abkaufen wollten. Zum Beispiel, weil der Aktuar sagte: Das lässt sich nicht rechnen. Oder der Betrieb meinte: Wir brauchen zwei Jahre für ein neues Produkt.
Kurzum haben wir 2005 festgestellt: Die etablierte deutsche Assekuranz ist langsam, wenig innovationsfreudig und sitzt auf ihren Beständen. Da müsste ein neu gegründeter deutscher Versicherer doch eine Chance am Markt haben, wenn er Dinge einfacher, innovativer und kundenfreundlicher macht als die Etablierten. 2007 sind wir dann an den Start gegangen.
DAS INVESTMENT.com: Und was haben Sie anders gemacht?
Vogel: Das Thema tägliche Kündigung ist ein Beispiel. Die Ausgangsüberlegung dahinter ist vergleichsweise einfach: Ein gutes Produkt braucht keine Bindung. Versicherungen sind von jeher darauf aus, ihre Kunden möglichst lange juristisch in Verträgen zu halten. Kündigt einer unserer Kunden heute per Fax, ist er um 24 Uhr aus dem Vertrag draußen und bekommt anteilig tagesgenau seine zu viel gezahlte Versicherungsprämie zurück.
DAS INVESTMENT.com: Erschwert das nicht die Kalkulation?
Vogel: Nein, kalkulatorisch ist das kein Problem. Wir sind davon ausgegangen, dass wir die tägliche Kündigungsmöglichkeit im Bestand nicht wirklich merken. Und so ist es auch. Wir hatten kalkuliert, dass die tägliche Kündigungsmöglichkeit sogar ein glaubwürdiges, gutes Argument für die Qualität unserer Produkte ist und dem Vertrieb hilft. Und genauso ist es gekommen, es funktioniert.
Womit wir nicht gerechnet haben, sind die betrieblichen Auswirkungen. Wir geben dem Kunden damit schon ein sehr scharfes Schwert in die Hand in Situationen, in denen er mit uns einmal nicht zufrieden ist. Jeder Mitarbeiter der Deutschen Familienversicherung weiß, dass jeder Kundenkontakt darüber entscheidet, ob der Kunde morgen auch noch unser Kunde ist oder nicht.
DAS INVESTMENT.com: Würden Sie das Unternehmen heute noch einmal gründen?
Vogel: Auf jeden Fall! Ich gebe zu, dass die ersten zwei Jahre nicht leicht waren. Wir haben uns vieles einfacher vorgestellt, als es dann tatsächlich war.
DAS INVESTMENT.com: Zum Beispiel?
Vogel: Die ganze Regulatorik. Wir haben uns mitten in eine Finanzkrise hinein gegründet. Diese Krise hat eine Fülle von Veränderungen insbesondere im Bereich der Regulierung nach sich gezogen. Unterschiede zwischen großen und kleinen Versicherern werden dabei nicht gemacht – die Anforderungen an uns als Deutsche Familienversicherung und an eine Allianz sind im Grundsatz die gleichen.
Das war schon schwierig am Anfang. Aber wir sind eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen im Markt und es macht irrsinnig Spaß, den Großen ein schönes Stückchen vom Kuchen wegzunehmen.
DAS INVESTMENT.com: Die Rating-Agentur Assekurata hat Sie geprüft und festgestellt, dass Sie für einen Marktneuling in der Tat vergleichsweise schnell schwarze Zahlen geschrieben haben. Worauf führen Sie das zurück?
Vogel: Ich glaube, wir konnten uns mit guten Produkten durchsetzen. Und wir sind ein sparsames Unternehmen. Das ist einer der Hauptunterschiede zwischen angestellten Managern und inhabergeführten Unternehmen. Man gibt sein eigenes Geld aus und nicht das der Aktionäre. Das führt im Ergebnis dazu, dass man sich genau überlegt, wofür man dieses Geld ausgibt.
DAS INVESTMENT.com: Auf was haben Sie denn zum Beispiel verzichtet?
Vogel: Wir haben keine große Medienkampagne gefahren, als es um die Markteinführung der Deutschen Familienversicherung ging. Das hätte, glaube ich, jedes andere Unternehmen anders gemacht. Da werden Millionen und Abermillionen ausgegeben. Wir haben dieses Geld lieber in die Entwicklung guter Produkte investiert. Neue Gesellschaften haben in den vergangenen Jahren immer versucht, möglichst schnell möglichst viele Prämien zu erzielen. Das erreicht man am ehesten in den Sparten Wohngebäude- und Kraftfahrzeugversicherung.
Wir glauben aber, dass das problematische Prämien sind, mit denen man auf Dauer kein Geld verdienen kann. Uns ging es nie um ein Strohfeuer, sondern um nachhaltiges und solides Wachstum. Ich sage das auch als Vertriebsvorstand. Natürlich geht es um eine erfolgreiche vertriebliche Entwicklung, aber ich weiß sehr genau, dass der Bestand, den ich heute verkaufe, das ist, von dem das Unternehmen die nächsten Jahre leben muss.
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